Rheinische Post - Xanten and Moers
Ferien auf den Vogelklippen
Es gibt nicht viele Plätze auf der Welt, wo man wildlebenden Tieren so nahe kommen kann wie auf Deutschlands einziger Hochseeinsel.
Liebe macht blind, heißt es. Stimmt das? Nun, zumindest die beiden Basstölpel, die sich oberhalb des Helgoländer Lummenfelsens niedergelassen haben, scheinen blind vor Liebe zu sein. Sie turteln und balzen und lassen sich von den Menschen, die nur einen Meter entfernt stehengeblieben sind, nicht stören. Selbst als ein Paar mit einem Hund dazukommt, reiben die imposanten Vögel weiter ihre Schnäbel aneinander und geben dazu schnarrende Laute von sich.
Es ist ein faszinierendes Naturschauspiel, das man aus so geringer Distanz wohl nur hier auf Helgoland beobachten kann. Basstölpel brüten bevorzugt in Nischen und auf Simsen von Steilküsten. An die meisten Kolonien käme man deshalb nur unter Lebensgefahr nah genug heran. Auf Helgoland führt dagegen der Klippenrandweg direkt an den Brutplätzen der Basstölpel vorbei. Jeder, der das Wahrzeichen der Insel – eine freistehende Felsnadel aus rotem Buntsandstein namens Lange Anna – sehen will, wird zwangsläufig Zaungast beim Liebesspiel der Tölpelpaare oder kann dann etwas später direkt in deren Kinderstube blicken.
Als „Hummerklippen“bezeichnete der Helgoländer Schriftsteller und Dichter James Krüss (Timm Thaler) „seine“Insel und machte sie weltweit bekannt. Neben Taschenkrebsen ist Hummer nach wie vor eine kulinarische Spezialität auf Helgoland, die bunten Hummerbuden am Hafen ein beliebtes Fotomotiv. Doch der Bestand der Krebstiere geht seit Jahren zurück. Das Synonym „Vogelklippen“wäre daher wohl viel treffender, denn neben den Tölpeln kann man hier noch viele andere Vögel näher kennenlernen. „Auf Helgoland wurden bis jetzt über 400 verschiedene Vogelarten nachgewiesen“, sagt Elmar Ballstaedt stolz. Der Ornithologe leitet gemeinsam mit seiner Frau Rebecca die Helgoländer Station des Vereins Jordsand, der sich für den Schutz der Seevögel und der Natur auf Helgoland einsetzt. „Nimmt man auch andere Tiere und Pflanzen dazu, kommt man auf über 1000 verschiedene Arten.“Nirgends entlang der gesamten deutschen Küste sei die Vielfalt größer. Deshalb werde Helgoland auch „das Galapagos
der deutschen Bucht“genannt. Einige Arten kommen in Deutschland sogar nur auf Helgoland vor – Trottellummen zum Beispiel.
Im Gegensatz zu den Tölpeln bevorzugen Lummen Nistplätze, die nicht direkt am Klippenrandweg liegen – wer eine Kamera mit einem guten Teleobjektiv mitbringt, wird jedoch auch von diesen Vögeln großartige Aufnahmen machen können. Warum Tölpel keine Angst vor Menschen haben, ist übrigens nicht bekannt. „Allerdings weiß man, dass sie seit jeher die Nähe von Menschen suchen. Weil sie immer wieder auf dem Deck von Schiffen landeten und dort aufgrund ihrer Zutraulichkeit zur leichten Beute der Seeleute wurden, gaben portugiesische Seefahrer den Tölpeln den Namen Bobo, was übersetzt Dummkopf bedeutet“, sagt Elmar Ballstaedt.
Ob dumm oder einfach nur cool – Vogelliebhaber und Tierfilmer freut es. Letztere kommen vor allem im Frühjahr