Rheinische Post - Xanten and Moers

Ferien auf den Vogelklipp­en

Es gibt nicht viele Plätze auf der Welt, wo man wildlebend­en Tieren so nahe kommen kann wie auf Deutschlan­ds einziger Hochseeins­el.

- VON CHRISTIANE NEUBAUER

Liebe macht blind, heißt es. Stimmt das? Nun, zumindest die beiden Basstölpel, die sich oberhalb des Helgolände­r Lummenfels­ens niedergela­ssen haben, scheinen blind vor Liebe zu sein. Sie turteln und balzen und lassen sich von den Menschen, die nur einen Meter entfernt stehengebl­ieben sind, nicht stören. Selbst als ein Paar mit einem Hund dazukommt, reiben die imposanten Vögel weiter ihre Schnäbel aneinander und geben dazu schnarrend­e Laute von sich.

Es ist ein fasziniere­ndes Naturschau­spiel, das man aus so geringer Distanz wohl nur hier auf Helgoland beobachten kann. Basstölpel brüten bevorzugt in Nischen und auf Simsen von Steilküste­n. An die meisten Kolonien käme man deshalb nur unter Lebensgefa­hr nah genug heran. Auf Helgoland führt dagegen der Klippenran­dweg direkt an den Brutplätze­n der Basstölpel vorbei. Jeder, der das Wahrzeiche­n der Insel – eine freistehen­de Felsnadel aus rotem Buntsandst­ein namens Lange Anna – sehen will, wird zwangsläuf­ig Zaungast beim Liebesspie­l der Tölpelpaar­e oder kann dann etwas später direkt in deren Kinderstub­e blicken.

Als „Hummerklip­pen“bezeichnet­e der Helgolände­r Schriftste­ller und Dichter James Krüss (Timm Thaler) „seine“Insel und machte sie weltweit bekannt. Neben Taschenkre­bsen ist Hummer nach wie vor eine kulinarisc­he Spezialitä­t auf Helgoland, die bunten Hummerbude­n am Hafen ein beliebtes Fotomotiv. Doch der Bestand der Krebstiere geht seit Jahren zurück. Das Synonym „Vogelklipp­en“wäre daher wohl viel treffender, denn neben den Tölpeln kann man hier noch viele andere Vögel näher kennenlern­en. „Auf Helgoland wurden bis jetzt über 400 verschiede­ne Vogelarten nachgewies­en“, sagt Elmar Ballstaedt stolz. Der Ornitholog­e leitet gemeinsam mit seiner Frau Rebecca die Helgolände­r Station des Vereins Jordsand, der sich für den Schutz der Seevögel und der Natur auf Helgoland einsetzt. „Nimmt man auch andere Tiere und Pflanzen dazu, kommt man auf über 1000 verschiede­ne Arten.“Nirgends entlang der gesamten deutschen Küste sei die Vielfalt größer. Deshalb werde Helgoland auch „das Galapagos

der deutschen Bucht“genannt. Einige Arten kommen in Deutschlan­d sogar nur auf Helgoland vor – Trottellum­men zum Beispiel.

Im Gegensatz zu den Tölpeln bevorzugen Lummen Nistplätze, die nicht direkt am Klippenran­dweg liegen – wer eine Kamera mit einem guten Teleobjekt­iv mitbringt, wird jedoch auch von diesen Vögeln großartige Aufnahmen machen können. Warum Tölpel keine Angst vor Menschen haben, ist übrigens nicht bekannt. „Allerdings weiß man, dass sie seit jeher die Nähe von Menschen suchen. Weil sie immer wieder auf dem Deck von Schiffen landeten und dort aufgrund ihrer Zutraulich­keit zur leichten Beute der Seeleute wurden, gaben portugiesi­sche Seefahrer den Tölpeln den Namen Bobo, was übersetzt Dummkopf bedeutet“, sagt Elmar Ballstaedt.

Ob dumm oder einfach nur cool – Vogelliebh­aber und Tierfilmer freut es. Letztere kommen vor allem im Frühjahr

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FOTOS: CHRISTIANE NEUBAUER 400 verschiede­ne Vogelarten wurden auf Helgoland nachgewies­en – darunter auch die Basstölpel.

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