Rheinische Post - Xanten and Moers
Mehrwertsteuer sinkt auf 16 Prozent
Die Regierung reduziert die Steuer befristet bis Jahresende, um in der Corona-Krise den Konsum zu anzukurbeln. Sie schnürt außerdem ein 130-Milliarden-Euro-Konjunkturpaket.
Die Koalitionsspitzen von CDU, CSU und SPD haben sich nach zweitägigen, zähen Verhandlungen auf ein milliardenschweres Konjunkturpaket zur Ankurbelung der Wirtschaft in der Corona-Krise geeinigt. Mit den Maßnahmen im Gesamtvolumen von 130 Milliarden Euro in den Jahren 2020 und 2021 sollen Verbraucher, Kommunen, Familien und Unternehmen gestützt werden. Davon sollen 120 Milliarden Euro auf den Bund entfallen, zehn Milliarden auf die Länder. Das Paket soll mit neuen Schulden finanziert werden. Dafür wird voraussichtlich ein zweiter Nachtragshaushalt des Bundes notwendig, die Schuldenbremse muss ein zweites Mal ausgesetzt werden.
Die langwierigen Gespräche im Kanzleramt glichen in ihrer Ausführlichkeit Koalitionsverhandlungen. Eine Liste von mehr als 60 Vorschlägen lag auf dem Tisch. Am Ende konnte jeder Koalitionspartner punkten, musste aber auch auf
Lieblingsprojekte verzichten. So konnte die CSU nicht durchsetzen, dass neue Auto-Kaufprämien auch für Verbrenner eingeführt werden. Die Regierung beschränkt sie auf Elektro-Autos. SPD-Finanzminister Olaf Scholz musste zudem auf seinen Plan einer Altschuldenhilfe für besonders verschuldete Kommunen verzichten.
Es gehe um eine „mutige Antwort“auf die Krise, sagte Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU) am späten Mittwochabend. Die Mehrwertsteuer solle vom 1. Juli bis 31. Dezember
2020 von 19 auf 16 Prozent gesenkt werden, um den privaten Konsum zu stützen. Der niedrigere Satz werde von sieben auf fünf Prozent reduziert. Man erhoffe sich dadurch „eine breite Belebung“. Die Regierung spreche zudem eine „Sozialgarantie“aus, mit der die Summe der Sozialbeiträge durch den Einsatz von Haushaltsmitteln bei 40 Prozent der Bruttogehälter stabilisiert werde. Die Ökostrom-Umlage solle ebenfalls mit Haushaltsmitteln gesenkt werden, sagte Merkel.
Der Bund werde die Gewerbesteuerausfälle der Kommunen 2020 und
2021 ausgleichen und die Gemeinden bei den Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger unterstützen, sagte Merkel. Zudem werde ein einmaliger Bonus von 300 Euro für jedes Kind eingeführt. Ein zentraler Punkt sei auch ein „Zukunftspaket“für die Wirtschaft im Umfang von 50 Milliarden Euro. Es solle unter anderem helfen, die Mobilität auf klimaschonende Antriebe umzustellen.
„Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen“, sagte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD). Die Regierung erwarte dringend, dass die Unternehmen die Senkung der Mehrwertsteuer an die Verbraucher weitergeben und die Preise entsprechend senkten. CSU-Chef Markus Söder nannte die Mehrwertsteuersenkung das Herzstück des Konjunkturpakets. Sie sei eine Idee der Union gewesen, und er sei froh, dass die SPD hier mitgezogen habe.
Die Verhandlungen waren mehrfach unterbrochen worden. Union und SPD verwiesen jeweils auf die andere Seite, die internen Einigungsbedarf gehabt habe. Dem Vernehmen nach zeigten die beiden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans Sympathie für den Vorschlag der Union, die Kommunen bei den Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger zu entlasten, während Scholz lange auf seinem Konzept einer Altschuldenhilfe für Kommunen bestanden haben soll. Davon hätte vor allem NRW profitiert.
Leitartikel