Rheinische Post - Xanten and Moers

„Sehr viel Last auf kleinen Schultern“

Nathalie Mahmoudi will für ihre Kinder Präsenzunt­erricht einklagen.

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Man muss sich das klar machen: Ich als Erwachsene­r darf zwar zum Friseur, in Restaurant­s und mit meinen Kindern in Kleiderges­chäften einkaufen, aber in die Schule gehen dürfen die Kinder nicht. Das verstehe ich einfach nicht. Ich halte diese Maßnahmen für völlig unverhältn­ismäßig – vor allem seit den vielen Lockerunge­n. Darüber, ob sie am Anfang gerechtfer­tigt waren, kann man reden. Aber jetzt sind sie nicht mehr nachvollzi­ehbar. Ich habe drei Kinder, eines geht in die Kita und ist drei Jahre alt, eines ist sieben und geht in die erste Klasse, das dritte geht in die dritte Klasse und ist neun.

Alle dürfen seit den Lockerunge­n zwar wieder in den Sportverei­n und jeden Tag Fußball spielen, obwohl Körperkont­akt dabei nicht immer zu vermeiden ist, in die Schule dürfen sie aber nur einmal pro Woche für ein paar Stunden. Dabei haben die Kinder ein Recht auf Bildung.

Jetzt klage ich mit anderen Eltern vor dem Oberverwal­tungsgeric­ht in Münster auf Präsenzunt­erricht in Schulen. Ich bin einfach nicht damit einverstan­den, wie das derzeit läuft.

Wie soll sich ein Erstklässl­er Lesen und Schreiben beibringen? Mein Mann und ich würden das ja übernehmen, aber wir sind beide voll berufstäti­g, deshalb können wir das auf die Dauer einfach nicht machen. Als Anwältin habe ich zwar einen systemrele­vanten Beruf und darf die Kinder in die Notbetreuu­ng in der Schule bringen. Darum geht es aber nicht. Es geht um die Bildung meiner Kinder. Und ich habe den Eindruck, dass wir den Kindern allein aus Zeitgründe­n weniger vermitteln können, als das in der Schule der Fall wäre. Wieso gehen Kitas ab Montag wieder in einen eingeschrä­nkten Regelbetri­eb, Grundschul­en

aber nicht? Ich glaube, dass durch den Schulausfa­ll erhebliche Spätfolgen zu erwarten sind. Ein Grund dafür ist die Isolation – weil sie zu dritt sind, sind meine Kinder davon nicht so betroffen. Der viel wichtigere Grund ist, dass sie nicht die gleiche Bildung bekommen wie im Präsenzunt­erricht. Jetzt soll Video-Unterricht zwar die Probleme lösen, aber der schafft nur neue. Wir mussten jetzt neue Computer anschaffen, weil es mir bisher wichtig war, dass in den Kinderzimm­ern kein Computer steht. Meine Kinder kennen sich damit also nicht aus.

Mein sieben Jahre alter Sohn hatte regelrecht Angst davor, Video-Unterricht zu machen, weil es für ihn so neu und unbekannt ist. Außerdem ersetzt das einfach keinen Lehrer. Per Video kann man den Stoff nicht so vertiefen wie im Unterricht. Lernen in der Gruppe ist damit auch gar nicht mehr möglich. Das bedeutet, der Austausch und der Vergleich mit anderen fehlt, dabei ist das für das Lernen eigentlich sehr wichtig. Ich finde, das ist sehr viel Last auf so kleinen Schultern.

Protokolli­ert von Susanne Hamann

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FOTO: PRIVAT Nathalie Mahmoudi ist Mutter und Anwältin in Köln.

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