Rheinische Post - Xanten and Moers
Corona-Krise kostete schon 580.000 Jobs
Die Zahl der Arbeitslosen kletterte im Mai um 169.000, allerdings weniger stark als im April. Vor allem die Kurzarbeit verhindert einen noch höheren Anstieg. Bis Ende April sollen sechs Millionen in Kurzarbeit gewesen sein.
In der Corona-Krise haben seit März fast 580.000 Menschen in Deutschland ihren Arbeitsplatz verloren. Die Zahl der Arbeitslosen sei im Mai nochmals um 169.000 gegenüber dem Vormonat gestiegen, nachdem sie im April drastisch um rund 300.000 in die Höhe geschnellt war, berichtete am Mittwoch der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele. Dank des massiven Einsatzes der Kurzarbeit konnte ein noch höherer Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert werden. Bis Ende April seien nach einer BA-Schätzung rund sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit gewesen – ein historischer Höchststand. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Mai 2009 waren dagegen „nur“1,44 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Finale Zahlen gibt es erst mit Verzögerung.
Sie ist der Hauptgrund dafür, dass der krisenbedingte Anstieg der Erwerbslosenzahlen in Deutschland und auch in einigen anderen europäische Ländern bislang begrenzt werden konnte. Ohne das Instrument Kurzarbeit wäre die Arbeitslosenzahl ähnlich wie etwa in den USA drastisch in die Höhe geschnellt, da die Ausbreitung des Corona-Virus zeitweise zum fast vollständigen Stillstand der wirtschaftlichen Aktivität geführt hatte. In den USA haben sich bisher mehr als 40 Millionen arbeitslos gemeldet. In Deutschland dagegen seien wegen der Kurzarbeit sechs Millionen Menschen nicht arbeitslos geworden, betonte BA-Chef Scheele. „Das ist auch ein Zeichen, dass dieses Instrument wirkt.“Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) pries die Kurzarbeit. „Sie ist unsere starke Brücke über ein tiefes wirtschaftliches Tal“, sagte Heil.
Allerdings steht der Arbeitsmarkt weiter erheblich unter Druck. Jeder Fünfte der derzeit 2,8 Millionen Erwerbslosen sei auf die Corona-Krise zurückzuführen, sagte Scheele. In nur zwei Monaten seien über 500.000 Jobs und damit die gesamte positive Entwicklung der vergangenen fünf Jahre auf dem Arbeitsmarkt „ausradiert“worden, sagte Allianz-Volkswirtin Katharina Utermöhl. Vor allem im Gastgewerbe, im Einzelhandel, dem Tourismus, im Einzelhandel sowie in der Kulturund Kreativwirtschaft rechnen Ökonomen mit weiteren starken Jobverlusten, da diese Branchen weiterhin unter den Corona-Beschränkungen leiden oder ihr Geschäft trotz der jüngsten Lockerungen nicht anläuft.
In den Frühjahrsmonaten April und Mai belebt sich der Arbeitsmarkt normalerweise, die Zahl der Arbeitslosen geht üblicherweise zurück. Bereinigt um jahreszeitliche Schwankungen schnellte die Erwerbslosenzahl in diesem Mai aber um 238.000 gegenüber dem Vormonat nach oben – stärker, als von der Mehrheit der Ökonomen erwartet worden war.
Scheele zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass Deutschland die Krise gut meistern werde, weil seine Wirtschaft mit einem vergleichsweise starken Industrieanteil gut aufgestellt sei. In vielen Industriebetrieben konnte in der Krise weiter produziert werden, während der von Firmeninsolvenzen zu rechnen. Sie geht in ihrer Prognose von einem Wachstum von zehn Prozent bei den Firmenpleiten aus. Damit sei Deutschland aber – auch dank der robusten Eingriffe des Staates – noch gut bedient. Im Rest der Eurozone werde die Zahl der Insolvenzen sogar um 20 Prozent klettern.
Auch Marc Schattenberg von der Deutschen Bank ging von bleibenden Schäden durch die Corona-Krise aus. Die Wirtschaftsleistung werde 2020 um etwa neun Prozent schrumpfen. Das gehe mit steigender Arbeitslosigkeit einher. Es sei trotz der Kurzarbeit zu befürchten, dass viele Soloselbstständige aufgeben müssten. Gleichzeitig würden Betriebe bei Einstellungen vorsichtiger. Immerhin nahmen die Neuanmeldungen von offenen Stellen im Mai wieder Fahrt auf.
Auch in Europa insgesamt hinterlässt die Krise am Arbeitsmarkt bisher weniger Spuren als in den USA oder anderen Teilen der Welt. Wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch mitteilte, erhöhte sich die Arbeitslosenquote von März auf April in den 19 Euroländern um 0,2 Prozentpunkte auf 7,3 Prozent. Analysten hatten im Schnitt mit einem deutlich höheren Anstieg auf 8,2 Prozent gerechnet. Gegenüber März erhöhte sich die Arbeitslosenzahl in der EU um 397.000 und im Euroraum um 211.000. Die Zahlen seien allerdings verzerrt. So suchte ein großer Teil der Menschen, die sich arbeitslos gemeldet hatten, nicht mehr aktiv nach einem Job – etwa weil sie während des Lockdowns ihre Kinder betreuen mussten.