Rheinische Post - Xanten and Moers
Handel und Vermieter für Mietsenkung
Ein gemeinsamer Verhaltenskodex soll langwierige Klagen wegen ausstehender Mieten verhindern.
(rtr) Einzelhandel und Immobilienwirtschaft haben sich auf Empfehlungen für Mietminderungen in der Corona-Krise verständigt. Einem gemeinsamen Verhaltenskodex zufolge sollen Händler für den Zeitraum der staatlich verfügten Betriebsschließungen auf eine Mietreduzierung um 50 Prozent setzen können, teilten der Branchenverband HDE und der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) am Mittwoch gemeinsam mit. Für die darauf folgenden drei Monate solle ein geringerer Wert gelten. „Handel und Immobilienwirtschaft haben ein gemeinsames Interesse an zukunftsfähigen Innenstädten“, sagte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser. Bei einer langen gerichtlichen Klärung von Miet-Streitigkeiten drohten die Innenstädte zu veröden. Handel und Immobilienwirtschaft seien eine Schicksalsgemeinschaft, betonte ZIA-Präsident Andreas Mattner und ergänzte: „Wir haben beide ein Interesse daran, vorhandene Rechtsunsicherheiten kurzfristig, einvernehmlich und außergerichtlich zu beseitigen.“
Zahlreiche Einzelhändler abseits des Lebensmittelhandels hatten aufgrund der staatlich verordneten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ihre Filialen schließen müssen. Noch immer gibt es Auflagen: Verbraucher müssen etwa Schutzmasken tragen, die Zahl der Kunden auf den Verkaufsflächen ist eingeschränkt. In der Krise sind die Umsätze eingebrochen, die Kosten wie Mieten laufen aber weiter. In vielen Mietverträgen sind die Zahlungen indes auch an den Umsatz gekoppelt. Ketten wie die Parfümerie Douglas, die Elektronikhändler Media Markt und Saturn oder der Warenhausriese Galeria Karstadt Kaufhof verhandeln mit ihren Vermietern über Mietminderungen.
„Die Pandemie hat den Einzelhandel in eine der größten Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg gestürzt“, beklagte Sanktjohanser. Risiken könnten nicht allein vom Mieter getragen werden; dafür gebe es im deutschen Recht aber keine
Klarheit. Der rechtlich nicht bindende Kodex solle nun als Richtschnur gelten. Bei den von der sechswöchigen Schließung betroffenen Händlern seien Schätzungen zufolge allein Mietschulden von 2,6 Milliarden Euro aufgelaufen. „Wir wollen Mieter und Vermieter auffordern, aufeinander zuzugehen“, sagte Mattner. Auch für seine Branche sei die Lage dramatisch - ausbleibende Einnahmen gefährdeten auch Vermieter.
Die Einigkeit zwischen Handelsunternehmen und Vermietern war in der Krise nicht immer gegeben. Ende März hatten der Sportartikelverkäufer Adidas, die Schuhkette Deichmann und der Modehändler H&M Empörung ausgelöst, weil sie das kurz zuvor erlassene Corona-Notgesetz nutzen wollten, um für mehrere Monate Mietzahlungen auszusetzen. Dieses Gesetz regelt, dass Mietern nicht gekündigt werden darf, wenn sie ihre Miete für April, Mai und Juni erst später zahlen. Bis Juni 2021 haben sie dafür Zeit. Adidas hatte sich kurz darauf entschuldigt und angekündigt, man wolle die Miete für April zahlen.