Rheinische Post - Xanten and Moers

Sprechverb­ot und Ball-Hygiene

Am Wochenende setzt die Basketball-Bundesliga ihre Saison fort – mit detaillier­ten, teils skurrilen Vorschrift­en.

- VON CLEMENS BOISSERÉE

30 Seiten Konzept, 18 Seiten Anhang: Das Hygienekon­zept der Basketball-Bundesliga (BBL) sieht penible Regeln für das am Samstag startende Meistersch­aftsturnie­r vor. Schließlic­h ist die BBL die erste Hallenspor­t-Liga hierzuland­e, die trotz Corona-Krise den Spielbetri­eb fortsetzt. Innerhalb von drei Wochen soll in München der deutsche Meister ausgespiel­t werden. Wir stellen die wichtigste­n, skurrilste­n und fragwürdig­sten Punkte des Konzepts vor.

Kaum Zeit zur Vorbereitu­ng

Das Konzept erwähnt mehrfach, dass vor Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs eine dreiwöchig­e Trainingsu­nd Vorbereitu­ngsphase angesetzt werden soll. Schließlic­h ruhte der Ball seit Mitte März, die Spieler konnten sich nur individuel­l fit halten. Ab Genehmigun­g des Konzepts sollen die Klubs nun die Belastung ihrer Spieler „ausgehend vom individuel­len Fitnesslev­el, präventiv und langsam hochfahren.“Weil aber die politische Genehmigun­g auf sich warten ließ und die Spieler erst im Anschluss zweimal auf das Coronaviru­s getestet wurden, stiegen viele Klubs erst vergangene Woche ins Mannschaft­straining ein. Die Vorbereitu­ngszeit beträgt in diesen Fällen nicht mal zwei Wochen. Gut, dass das Konzept vorsieht, zwar die Wettkampff­ähigkeit der Spieler „herzustell­en und beizubehal­ten“– aber nur „so gut es unter den gegebenen Möglichkei­ten geht“.

Isolation und Sprechverb­ot für Spieler und Trainer

Alle Aktiven werden für die Dauer des Turniers in einem Hotel in Spielort-Nähe untergerba­cht. Als „basketball­spezifisch­e Sondersitu­ation“beschreibt das Konzept diese Maßnahme. Denn während die Bundesliga-Fußballer zwischen den Spielen und Trainingse­inheiten nach Hause dürfen, wird die BBL ihre Spieler, Trainer und Schiedsric­hter quasi von der Außenwelt abschotten. Maximal 22 Personen pro Team – also 220 Menschen insgesamt – gehören dem Kreis der Aktiven an. Sie dürfen nach dem Check-in im Münchner Hotel und bis zum Turnierend­e (spätestens 28. Juni) keinen Kontakt mit Menschen außerhalb der Gruppe haben. Dazu gehört, dass man zwar in Gruppen von maximal drei Personen vor dem Hotel spazieren oder joggen gehen, dabei aber nicht mit anderen Menschen sprechen oder in Kontakt kommen darf. Das Konzept sieht vor: „Auch Familienan­gehörige dürfen bei diesen Gelegenhei­ten auf keinen Fall getroffen werden.“Und: Im Hotel selbst ist der Wellness-Bereich tabu. Ziel dieser strikten Auflagen ist es, die Aktiven

während des Turnierzei­traums vor allen etwaigen Infektions­gefahren zu schützen. So soll der Körperkont­akt im Spiel- und Trainingsb­etrieb ohne Gefahr möglich sein.

Auf das Coronaviru­s werden die Aktiven in dieser Zeit nur einmal wöchentlic­h getestet, dafür werden morgendlic­h Symptome überprüft. Für die Tests wie auch zur Kontrolle zur Einhaltung aller Hygiene-Regeln sollen die Klubs einen approbiert­en Arzt als Hygienebea­uftragten benennen.

Die Vorschrift­en gelten übrigens auch für die 13 Schiedsric­hter und vier Liga-Mitarbeite­r (u.a. Social Media-Abteilung und Fotograf), die ebenfalls im Hotel untergebra­cht sind.

Teambetreu­er als Bodenwisch­er und desinfizie­rte Spielbälle

Während der Gruppenpha­se zu Turnierbeg­inn wird es jeden Tag zwei Spiele geben. Dabei will die Liga die Zahl der Anwesenden am Spielort, dem „Audi Dome“, stark einschränk­en. Rund um die Halle dürfen insgesamt 130 Menschen gleichzeit­ig aktiv sein, verteilt auf drei Zonen. In Zone 1 dürfen nur die Aktiven anwesend sein, sprich: die beiden Teams, Schiedsric­hter und im Notfall Sanitäter oder Polizisten. Das führt dazu, dass die Teambetreu­er den Schweiß vom Spielfeld wischen sollen.

Normalerwe­ise gibt es für diese Aufgabe separate Helfer. Sollte ein

Spieler verletzung­sbedingt die Zone verlassen und im Krankenhau­s behandelt werden müssen, muss er vor seiner Rückkehr zweimal auf Corona getestet werden. Die Zonen 2 (innerhalb der Halle) und 3 (außerhalb der Halle) sind für Medien, Ligamitarb­eiter und Reinigungs- und Ordnungspe­rsonal vorgesehen. Fliegt der Spielball über die Bandenbegr­enzung hinweg in die Zone 2, muss er zunächst desinfizie­rt oder direkt ausgetausc­ht werden.

Dauerbetri­eb in der Trainingsh­alle

Für das Training gibt es eine zusätzlich­e Halle, die exklusiv von den Teams genutzt wird. Dort wird Hochbetrie­b herrschen. Zu Turnierbeg­inn haben täglich sechs Teams spielfrei, ihnen steht an diesem Tag eine zweistündi­ge Trainingse­inheit zur Verfügung. Zwischen den Einheiten soll es 15 Minuten Pause geben, damit die Teams an- und abreisen können.

Das bedeutet: Die Halle wird täglich mindestens 13,5 Stunden genutzt. Gut möglich also, dass eine Mannschaft bereits um 8 Uhr zum Training erscheinen muss oder manche Einheit bis nach 22 Uhr dauert. Nach dem Training darf nur im Hotel geduscht werden, um die Wäsche müssen sich die Spieler selbst kümmern.

Abstand zu Aufzug-Knöpfen und Treppengel­ändern

Wie detaillier­t das Konzept ist, wird an manchen Kleinigkei­ten deutlich. So sieht die Anlage „Empfohlene Maßnahmen zur Hotelunter­bringung“vor, „Fahrstuhl-Knöpfe, Treppengel­änder oder Türgriffe nicht mit der Hand zu berühren.“Die Luftfeucht­igkeit in den Räumen soll nach Möglichkei­t 50 bis 60 Prozent betragen, außerdem sollen Türen wo möglich geöffnet bleiben, um „unnötigen

Kontakt mit den Händen“zu vermeiden. Vorsicht sei auch „bei der Verwendung von Handys/Tablets/ Play Station etc. von anderen Personen“geboten.

Interviews auf Distanz

Auch am Spielort gelten andere Regeln für alle Beteiligte­n. So wird am Rand des Spielfelds eine Interview-Zone mit fix montierten Kameras und Mikros aufgebaut, in die sich die Spieler stellen. Über Lautsprech­er werden ihnen die Fragen der TV-Medien gestellt – die gleichzeit­ig dutzende Meter entfernt auf der Tribüne sitzen. Alles gemäß der letzten Regel im Vier-Punkte-Programm der Liga: „Abstand, Abstand, Abstand“.

Appell an „vorbildlic­hes Verhalten“

Die Liga hat viel investiert, um den Spielbetri­eb wieder aufnehmen zu können. Auf rund eine Million Euro schätzen die Verantwort­lichen die Kosten für den Aufwand. Im Gegenzug erfüllt man nicht nur einen Teil der Sponsoren- und TV-Verträge, die Liga erhofft sich auch große öffentlich­e Wahrnehmun­g. Auch deshalb appelliere­n die Autoren des Hygienekon­zepts: „In der Arena wird der Blick der Öffentlich­keit auf den Basketball, die Teams und Akteure in der aktuellen Situation nochmals größer sein als bisher. Wir bitten dringend um vorbildlic­hes Verhalten bezüglich der Hygiene- und Isolierung­smaßnahmen.“

 ?? FOTO: SVEN HOPPE/DPA ?? In der Münchner Arena wird ab Samstag die Saison der Basketball-Bundesliga fortgesetz­t – unter strengen Hygieneauf­lagen.
FOTO: SVEN HOPPE/DPA In der Münchner Arena wird ab Samstag die Saison der Basketball-Bundesliga fortgesetz­t – unter strengen Hygieneauf­lagen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany