Rheinische Post - Xanten and Moers
EZB erhöht auf 1.350.000.000.000 Euro
Die Europäische Zentralbank stockt ihr Notprogramm für Anleihenkäufe in der Corona-Krise um 600 Milliarden Euro auf. Die Börse reagiert mit Kursgewinnen. Manche Ökonomen sind dagegen skeptisch.
Erst kam die Bundesregierung mit ihrem Corona-Rettungspaket von 130 Milliarden Euro, dann legte die Europäische Zentralbank nach: Weitere 600 Milliarden Euro sollen in das „Pandemic Emergency Purchase Programme“(Pepp) fließen, mit dem die Zentralbank Anleihen privater und öffentlicher Schuldner kauft. Gerade mal zehn Wochen nach dem Start des Programms Ende März, bei dem die EZB schon Käufe für 750 Milliarden Euro angekündigt hatte. Und auch der Zeitraum wurde verlängert: Das ursprünglich bis Jahresende befristete Programm wird mindestens bis Mitte 2021 verlängert, wie die EZB nach ihrer Sitzung mitteilte.
Warum gibt es das Programm überhaupt?
Pepp soll Ruhe in die Finanzmärkte bringen und dazu beitragen, dass Investoren nicht zu hohe Risiko-Aufschläge bei Anleihen von hochverschuldeten Staaten wie Italien verlangen. Italien war das das erste von der Pandemie schwer getroffene Land in Europa, gehört auf dem Kontinent weiterhin zu den Staaten mit den meisten Infizierten und zu denen mit den größten wirtschaftlichen Problemen.
Warum wird Pepp erweitert?
Die Notenbank reagiert damit auf die schlechten Konjunkturaussichten in der Euro-Zone. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat jüngst vorausgesagt, dass die Wirtschaftsleistung im Euro-Raum in diesem Jahr um acht bis zwölf Prozent sinken wird, mit unterschiedlichen Ausschlägen in einzelnen Ländern. Die Möglichkeit, das Programm auszuweiten, hatten sich die Währungshüter ob dieser Perspektiven bereits im März offengelassen.
Hat das unmittelbar Auswirkungen auf die Konjunktur?
Nein. Sie können die Folgen der Rezession nur abmildern, aber sie nicht verhindern. „Bis die Wirtschaft wieder das Vorkrisenniveau erreicht, werden noch eineinhalb Jahre vergehen“, sagt Joachim Schallmayer, Kapitalmarktexperte der Deka.
Was passiert bei Pepp?
Die EZB kauft sowohl Staats- als auch Unternehmensanleihen und will so verhindern, dass bereits hochverschuldete Staaten und durch Corona schwer in die Krise geratene Unternehmen an den Finanzmärkten hohe Zinsen zahlen müssen, um sich zu refinanzieren. Die Notenbank kauft anders als früher auch kurzfristige Firmenanleihen.
Kommt da noch mehr?
Bisher hat die EZB die Mittel aus Pepp erst zu einem Drittel ausgeschöpft. Das heißt: Innerhalb des bestehenden Programms ist einschließlich der Aufstockung noch viel möglich. Die Aufstockung sei „mehr ein Signal als ein wirklicher wirtschaftlicher Anreiz“, so Berenberg-Analyst Holger
Schmieding.
Droht jetzt eine Inflation?
Nein. Bei einer Inflationsrate von 0,1 Prozent ist die Euro-Zone weit entfernt von dem Zielkorridor um zwei Prozent, der für die Zentralbank maßgeblich ist.
Was bringt das für die Börse?
Am Aktienmarkt sind die Kurse nach der Ankündigung der EZB kurzzeitig gestiegen. Aber am Nachmittag war der Effekt schon wieder verpufft. Für Schallmayer wenig überraschend: „An den Börsen hat ja die erste Pepp-Runde schon entsprechend
Wirkung erzielt. Das, was jetzt noch dazugekommen ist, war erwartbar. Das hat der Aktienmarkt antizipiert.“Tatsächlich sind die Kurse seit Mitte März mit zwischenzeitlichen Wacklern um 44 Prozent gestiegen.
Wie reagiert der Euro? Der Kurs der Gemeinschaftswährung stieg um 0,8 Prozent. Die einfache Rechnung: Jede Maßnahme der EZB stärkt irgendwie Europas Wirtschaft und vermittelt das Gefühl, dass die Notenbanker alles tun, um eine neue Finanzkrise zu verhindern.
Und was ist mit den Zinsen? Die wichtigsten Aussagen vom Donnerstag: Der Leitzins bleibt auf dem historischen Tief von 0,0 Prozent, und der Einlagenzins für Banken beträgt weiter minus 0,5 Prozent. Die Folgen: Anleger bekommen ihr Erspartes weiter kaum verzinst und müssen im Gegenteil bei größeren Beträgen fürchten, dass ihnen die Hausbank Strafzinsen aufbrummt. Diejenigen, die einen Baukredit aufnehmen oder verlängern wollen, können dies zu unverändert günstigen Konditionen tun.