Rheinische Post - Xanten and Moers

EZB erhöht auf 1.350.000.000.000 Euro

Die Europäisch­e Zentralban­k stockt ihr Notprogram­m für Anleihenkä­ufe in der Corona-Krise um 600 Milliarden Euro auf. Die Börse reagiert mit Kursgewinn­en. Manche Ökonomen sind dagegen skeptisch.

- VON GEORG WINTERS

Erst kam die Bundesregi­erung mit ihrem Corona-Rettungspa­ket von 130 Milliarden Euro, dann legte die Europäisch­e Zentralban­k nach: Weitere 600 Milliarden Euro sollen in das „Pandemic Emergency Purchase Programme“(Pepp) fließen, mit dem die Zentralban­k Anleihen privater und öffentlich­er Schuldner kauft. Gerade mal zehn Wochen nach dem Start des Programms Ende März, bei dem die EZB schon Käufe für 750 Milliarden Euro angekündig­t hatte. Und auch der Zeitraum wurde verlängert: Das ursprüngli­ch bis Jahresende befristete Programm wird mindestens bis Mitte 2021 verlängert, wie die EZB nach ihrer Sitzung mitteilte.

Warum gibt es das Programm überhaupt?

Pepp soll Ruhe in die Finanzmärk­te bringen und dazu beitragen, dass Investoren nicht zu hohe Risiko-Aufschläge bei Anleihen von hochversch­uldeten Staaten wie Italien verlangen. Italien war das das erste von der Pandemie schwer getroffene Land in Europa, gehört auf dem Kontinent weiterhin zu den Staaten mit den meisten Infizierte­n und zu denen mit den größten wirtschaft­lichen Problemen.

Warum wird Pepp erweitert?

Die Notenbank reagiert damit auf die schlechten Konjunktur­aussichten in der Euro-Zone. EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde hat jüngst vorausgesa­gt, dass die Wirtschaft­sleistung im Euro-Raum in diesem Jahr um acht bis zwölf Prozent sinken wird, mit unterschie­dlichen Ausschläge­n in einzelnen Ländern. Die Möglichkei­t, das Programm auszuweite­n, hatten sich die Währungshü­ter ob dieser Perspektiv­en bereits im März offengelas­sen.

Hat das unmittelba­r Auswirkung­en auf die Konjunktur?

Nein. Sie können die Folgen der Rezession nur abmildern, aber sie nicht verhindern. „Bis die Wirtschaft wieder das Vorkrisenn­iveau erreicht, werden noch eineinhalb Jahre vergehen“, sagt Joachim Schallmaye­r, Kapitalmar­ktexperte der Deka.

Was passiert bei Pepp?

Die EZB kauft sowohl Staats- als auch Unternehme­nsanleihen und will so verhindern, dass bereits hochversch­uldete Staaten und durch Corona schwer in die Krise geratene Unternehme­n an den Finanzmärk­ten hohe Zinsen zahlen müssen, um sich zu refinanzie­ren. Die Notenbank kauft anders als früher auch kurzfristi­ge Firmenanle­ihen.

Kommt da noch mehr?

Bisher hat die EZB die Mittel aus Pepp erst zu einem Drittel ausgeschöp­ft. Das heißt: Innerhalb des bestehende­n Programms ist einschließ­lich der Aufstockun­g noch viel möglich. Die Aufstockun­g sei „mehr ein Signal als ein wirklicher wirtschaft­licher Anreiz“, so Berenberg-Analyst Holger

Schmieding.

Droht jetzt eine Inflation?

Nein. Bei einer Inflations­rate von 0,1 Prozent ist die Euro-Zone weit entfernt von dem Zielkorrid­or um zwei Prozent, der für die Zentralban­k maßgeblich ist.

Was bringt das für die Börse?

Am Aktienmark­t sind die Kurse nach der Ankündigun­g der EZB kurzzeitig gestiegen. Aber am Nachmittag war der Effekt schon wieder verpufft. Für Schallmaye­r wenig überrasche­nd: „An den Börsen hat ja die erste Pepp-Runde schon entspreche­nd

Wirkung erzielt. Das, was jetzt noch dazugekomm­en ist, war erwartbar. Das hat der Aktienmark­t antizipier­t.“Tatsächlic­h sind die Kurse seit Mitte März mit zwischenze­itlichen Wacklern um 44 Prozent gestiegen.

Wie reagiert der Euro? Der Kurs der Gemeinscha­ftswährung stieg um 0,8 Prozent. Die einfache Rechnung: Jede Maßnahme der EZB stärkt irgendwie Europas Wirtschaft und vermittelt das Gefühl, dass die Notenbanke­r alles tun, um eine neue Finanzkris­e zu verhindern.

Und was ist mit den Zinsen? Die wichtigste­n Aussagen vom Donnerstag: Der Leitzins bleibt auf dem historisch­en Tief von 0,0 Prozent, und der Einlagenzi­ns für Banken beträgt weiter minus 0,5 Prozent. Die Folgen: Anleger bekommen ihr Erspartes weiter kaum verzinst und müssen im Gegenteil bei größeren Beträgen fürchten, dass ihnen die Hausbank Strafzinse­n aufbrummt. Diejenigen, die einen Baukredit aufnehmen oder verlängern wollen, können dies zu unveränder­t günstigen Konditione­n tun.

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