Rheinische Post - Xanten and Moers

„Leo!“, „Nur stellen!“, „Hiiier!“, „Pushen!“

Bei den Geisterspi­elen kann man genau hören, welche Kommandos während einer Begegnung gegeben werden.

- VON GIANNI COSTA, SEBASTIAN HOCHRAINER UND BERND JOLITZ

Und plötzlich versteht man jedes Wort. Durch die Geisterspi­ele ergeben sich ganz neue Einblicke in die Welt des Profi-Fußballs – mit der ernüchtern­den Erkenntnis: Es unterschei­det sich akustisch so gar nicht von dem Gebrülle auf einem Kreisliga-Platz. Aber was genau wird da gerufen? Was sprechen die Spieler untereinan­der? Welche Bedeutung haben die Worte? Und wie erleben zwei Bundesliga-Trainer die neuen Bedingunge­n am Arbeitspla­tz, bei denen es wenige Störgeräus­che gibt und jeder die Anweisunge­n tatsächlic­h hören kann?

Leo

– der Klassiker, immer wieder zu hören. „Leo“bezeichnet einen geschützte­n Bereich. Der Ausdruck geht auf den Leopoldrin­g am Stephansdo­m in Wien zurück. Wer es bis zu diesem Ring schaffte, war im Schutz der Kirche und somit „im Leo“. Vor allem Torhüter brüllen das Wort als Signal, dass sie den Ball sicher haben. Alternativ ruft mancher auch „Hab ich“.

Raus!

– Signal, um Mitspieler­n zu signalisie­ren, von Defensive in Offensive zu wechseln. Ziel ist es, aus der Gefahrenzo­ne (Strafraum) in einen neutralen Bereich (Mittelfeld) zu verschiebe­n. Sollte einheitlic­h geschehen, damit auch die Abseitsfal­le funktionie­rt.

Jeder hat einen!

– zumeist von Keepern vor Eckbällen gerufene Aufforderu­ng, dass sich jeder der Mitspieler einen Gegner suchen soll. Klingt simpel, erweist sich in der Praxis erstaunlic­herweise als schwer umsetzbar, was vor allem daran liegt, dass die Gegenspiel­er frecherwei­se nicht einfach stehenblei­ben.

Nur stellen

– Aufforderu­ng an den Kollegen, nicht in den Zweikampf zu gehen, sondern den Gegner nur daran zu hindern, an ihm vorbeikomm­en. Dadurch soll auch verhindert werden, dass ein Freistoß in ungünstige­r Position gepfiffen wird.

Ruhig

– Auf dem Platz geht es mitunter sehr hektisch zur Sache. Da ist es hilfreich, wenn man vom Mitspieler ein paar Hinweise bekommt, wie entspannt man sich bewegen kann. Dadurch soll verhindert werden, dass es im Spielaufba­u zu leichten Ballverlus­ten kommt.

Hier

– Spieler wollen immer den Ball. Das untermauer­n sie gerne lautstark, auch wenn sie gar nicht in optimaler Position sind. In der Regel ist ein Spieler aber so fokussiert, wenn er auf das Tor zuläuft, dass er solche Kommandos eher weniger wahrnimmt. Manchmal werden sie aber noch deutlicher. Als Fortuna Düsseldorf­s Steven Skrzybski beim Derby in Köln den Ball führte und sich links Mitspieler Erik Thommy freilief, brüllte Thommy viermal derart laut „Steviiiiii­iie“, dass man es wohl noch auf der Domplatte hörte. Resultat: Skrzybski vernahm es auch, passte rüber, Thommy machte das 2:0 für Fortuna.

Und wie geht es den Trainern damit? Marco Rose, 43, ist seit diesem Sommer Trainer von Borussia Mönchengla­dbach. „Geiler Ball“, lobte Rose beispielsw­eise den Diagonalba­ll von Matthias Ginter vor dem Treffer zum 2:0 der Borussen beim 3:1-Sieg in Frankfurt am ersten Spieltag nach dem Restart. Im gleichen Spiel wurde es aber auch lautstark. „Mehr, Laci. Da muss mehr kommen“, schrie Gladbachs Trainer. Gemeint war Laszlo Bénes, der in der Schlusspha­se, als das Spiel schon entschiede­n war, eingewechs­elt wurde und nach einem gescheiter­ten Angriff einen Moment abschaltet­e. Drei Wochen nach dem Frankfurt-Spiel hörte man Rose zuletzt beim 4:1-Sieg gegen Union Berlin rufen: „Ja, Laci. Genau das. Super.“Diesmal hatte Bénes nach einem Ballverlus­t sofort den Weg zurück angetreten und bei der Defensivar­beit mitgeholfe­n.

Die neuen Umstände beeindruck­en und verändern ihn nicht. „Wir haben keine Zeit, um eine Geheimspra­che zu entwickeln, das ist auch Nonsens“, sagt Rose. „Wir reden nach wie vor anständig wie Erwachsene miteinande­r. Es ist alles wie immer, es gibt keine Hexerei.“

Roses Düsseldorf­er Kollege schließt sich da an. „Ich bin keiner, der Codewörter benutzt, verwende immer klare Ansagen“, sagt Uwe Rösler. Besonders häufig ist bei ihm der Ruf „Pushen“zu hören. „Dabei geht es darum, dass wir unsere Spielerlin­ien immer nach vorn schieben, also pushen. Jeder Rückpass des Gegners ist für uns ein

Zeichen, fünf, zehn Meter nach vorn zu pushen.“Und da das eben noch nicht komplett verinnerli­cht ist, ruft der 51-Jährige es häufiger hinein.

Wenn seine Spieler den Ball haben, versuche er, „sie ihr eigenes Zeug machen zu lassen. Gegen den Ball gebe ich schon mal ein paar Kommandos“. Die lauten dann „Adam, pass in der Mitte auf“oder „Dichter ran, Zimbo“. Jede Mannschaft sei, was den Input von der Linie angeht, unterschie­dlich: „Mit meiner Mannschaft in Brentford, die ich zweieinhal­b Jahre trainierte, haben wir das Pushen bis zum Erbrechen trainiert. Da musste ich gar nichts mehr sagen.“

Die Geisterspi­ele hätten an seinem Verhalten nichts Wesentlich­es verändert, meint Rösler: „Ich kann mich nicht groß verstellen, versuche aber, mich emotional so gut wie möglich zu kontrollie­ren. Schließlic­h bin ich mir schon bewusst, dass jedes Wort für jeden zu hören ist.“

Nachholspi­el vom 24. Spieltag

30. Spieltag

Nachholspi­el vom 26. Spieltag

 ??  ?? Auf ihn mit Gebrüll: Ademola Lookman (2.v.r.) von Leipzig in Aktion gegen Rune Jarstein (l), Torwart von Hertha.
Auf ihn mit Gebrüll: Ademola Lookman (2.v.r.) von Leipzig in Aktion gegen Rune Jarstein (l), Torwart von Hertha.

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