Rheinische Post - Xanten and Moers
„Leo!“, „Nur stellen!“, „Hiiier!“, „Pushen!“
Bei den Geisterspielen kann man genau hören, welche Kommandos während einer Begegnung gegeben werden.
Und plötzlich versteht man jedes Wort. Durch die Geisterspiele ergeben sich ganz neue Einblicke in die Welt des Profi-Fußballs – mit der ernüchternden Erkenntnis: Es unterscheidet sich akustisch so gar nicht von dem Gebrülle auf einem Kreisliga-Platz. Aber was genau wird da gerufen? Was sprechen die Spieler untereinander? Welche Bedeutung haben die Worte? Und wie erleben zwei Bundesliga-Trainer die neuen Bedingungen am Arbeitsplatz, bei denen es wenige Störgeräusche gibt und jeder die Anweisungen tatsächlich hören kann?
Leo
– der Klassiker, immer wieder zu hören. „Leo“bezeichnet einen geschützten Bereich. Der Ausdruck geht auf den Leopoldring am Stephansdom in Wien zurück. Wer es bis zu diesem Ring schaffte, war im Schutz der Kirche und somit „im Leo“. Vor allem Torhüter brüllen das Wort als Signal, dass sie den Ball sicher haben. Alternativ ruft mancher auch „Hab ich“.
Raus!
– Signal, um Mitspielern zu signalisieren, von Defensive in Offensive zu wechseln. Ziel ist es, aus der Gefahrenzone (Strafraum) in einen neutralen Bereich (Mittelfeld) zu verschieben. Sollte einheitlich geschehen, damit auch die Abseitsfalle funktioniert.
Jeder hat einen!
– zumeist von Keepern vor Eckbällen gerufene Aufforderung, dass sich jeder der Mitspieler einen Gegner suchen soll. Klingt simpel, erweist sich in der Praxis erstaunlicherweise als schwer umsetzbar, was vor allem daran liegt, dass die Gegenspieler frecherweise nicht einfach stehenbleiben.
Nur stellen
– Aufforderung an den Kollegen, nicht in den Zweikampf zu gehen, sondern den Gegner nur daran zu hindern, an ihm vorbeikommen. Dadurch soll auch verhindert werden, dass ein Freistoß in ungünstiger Position gepfiffen wird.
Ruhig
– Auf dem Platz geht es mitunter sehr hektisch zur Sache. Da ist es hilfreich, wenn man vom Mitspieler ein paar Hinweise bekommt, wie entspannt man sich bewegen kann. Dadurch soll verhindert werden, dass es im Spielaufbau zu leichten Ballverlusten kommt.
Hier
– Spieler wollen immer den Ball. Das untermauern sie gerne lautstark, auch wenn sie gar nicht in optimaler Position sind. In der Regel ist ein Spieler aber so fokussiert, wenn er auf das Tor zuläuft, dass er solche Kommandos eher weniger wahrnimmt. Manchmal werden sie aber noch deutlicher. Als Fortuna Düsseldorfs Steven Skrzybski beim Derby in Köln den Ball führte und sich links Mitspieler Erik Thommy freilief, brüllte Thommy viermal derart laut „Steviiiiiiiie“, dass man es wohl noch auf der Domplatte hörte. Resultat: Skrzybski vernahm es auch, passte rüber, Thommy machte das 2:0 für Fortuna.
Und wie geht es den Trainern damit? Marco Rose, 43, ist seit diesem Sommer Trainer von Borussia Mönchengladbach. „Geiler Ball“, lobte Rose beispielsweise den Diagonalball von Matthias Ginter vor dem Treffer zum 2:0 der Borussen beim 3:1-Sieg in Frankfurt am ersten Spieltag nach dem Restart. Im gleichen Spiel wurde es aber auch lautstark. „Mehr, Laci. Da muss mehr kommen“, schrie Gladbachs Trainer. Gemeint war Laszlo Bénes, der in der Schlussphase, als das Spiel schon entschieden war, eingewechselt wurde und nach einem gescheiterten Angriff einen Moment abschaltete. Drei Wochen nach dem Frankfurt-Spiel hörte man Rose zuletzt beim 4:1-Sieg gegen Union Berlin rufen: „Ja, Laci. Genau das. Super.“Diesmal hatte Bénes nach einem Ballverlust sofort den Weg zurück angetreten und bei der Defensivarbeit mitgeholfen.
Die neuen Umstände beeindrucken und verändern ihn nicht. „Wir haben keine Zeit, um eine Geheimsprache zu entwickeln, das ist auch Nonsens“, sagt Rose. „Wir reden nach wie vor anständig wie Erwachsene miteinander. Es ist alles wie immer, es gibt keine Hexerei.“
Roses Düsseldorfer Kollege schließt sich da an. „Ich bin keiner, der Codewörter benutzt, verwende immer klare Ansagen“, sagt Uwe Rösler. Besonders häufig ist bei ihm der Ruf „Pushen“zu hören. „Dabei geht es darum, dass wir unsere Spielerlinien immer nach vorn schieben, also pushen. Jeder Rückpass des Gegners ist für uns ein
Zeichen, fünf, zehn Meter nach vorn zu pushen.“Und da das eben noch nicht komplett verinnerlicht ist, ruft der 51-Jährige es häufiger hinein.
Wenn seine Spieler den Ball haben, versuche er, „sie ihr eigenes Zeug machen zu lassen. Gegen den Ball gebe ich schon mal ein paar Kommandos“. Die lauten dann „Adam, pass in der Mitte auf“oder „Dichter ran, Zimbo“. Jede Mannschaft sei, was den Input von der Linie angeht, unterschiedlich: „Mit meiner Mannschaft in Brentford, die ich zweieinhalb Jahre trainierte, haben wir das Pushen bis zum Erbrechen trainiert. Da musste ich gar nichts mehr sagen.“
Die Geisterspiele hätten an seinem Verhalten nichts Wesentliches verändert, meint Rösler: „Ich kann mich nicht groß verstellen, versuche aber, mich emotional so gut wie möglich zu kontrollieren. Schließlich bin ich mir schon bewusst, dass jedes Wort für jeden zu hören ist.“
Nachholspiel vom 24. Spieltag
30. Spieltag
Nachholspiel vom 26. Spieltag