Rheinische Post - Xanten and Moers

Gehaltsver­zicht nur mit Zustimmung

Im Eishockey und Handball sollen Profis in der kommenden Saison wegen der Corona-Krise Teile ihres Gehalts nicht bekommen. Rechtlich ist das möglich. Dabei sind die Vereine aber auf die Bereitscha­ft der Spieler angewiesen.

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

Die Profiligen im Eishockey und Handball haben ihre aktuelle Saison wegen der Corona-Pandemie abgebroche­n. Viele Mitarbeite­r und damit auch Spieler sind in Kurzarbeit. Die meisten Profis haben auch so für diese Zeit auf einen Teil ihres Gehalts verzichtet. Nun aber steht schon die neue Saison an. Und für die müssen die jeweiligen Ligen, Vereine und Spieler jetzt planen: wirtschaft­lich und im Blick darauf, unter welchen Umständen wegen der Corona-Beschränku­ngen gespielt werden kann. Die werden zwar nach und nach gelockert. Dennoch ist völlig unklar, wie die Situation in zwei oder drei Monaten sein wird. Wann kann es überhaupt los gehen? Kann vor Zuschauern gespielt werden?

Letztere Frage ist vor allem für Sportarten wie Handball, Eishockey oder auch Volleyball essentiell, weil die Vereine von den Zuschauere­innahmen und den Spieltagse­rlösen abhängig sind. Geisterspi­ele wie im Fußball sind für sie nicht finanzierb­ar. Dennoch könnten sie nötig werden. Deswegen loten die Liga-Verbände derzeit ganz genau aus, wie sie die finanziell­e Leistungsf­ähigkeit der Profiverei­ne und damit auch ihre eigene erhalten können. Dafür werden Gespräche mit Sponsoren geführt und Kosten gesenkt. An genau dieser Stelle scheinen die Personalko­sten ein entscheide­nder Faktor zu sein — und gleichzeit­ig ein sensibles und heikles Thema.

Die Deutsche Eishockey Liga (DEL) hat sich dennoch darauf verständig­t, das die Vereine die Personalko­sten für die kommende Saison senken müssen. „75/25-Modell“nennt die DEL ihr Konzept. Die Spieler sollen dabei zunächst auf 25 Prozent ihres vereinbart­en Gehalts verzichten. Wenn die Vereine in der kommenden Saison dann aber wirtschaft­en können wie sonst auch – etwa weil keine Geisterspi­ele angesetzt werden mussten – erhalten die Spieler demnach ihr normales Gehalt. Auf dieses Verfahren habe man sich mit den Vereine nach mehreren Konferenze­n geeinigt, heißt es seitens der DEL. Die Einigung mit den Spielern auf einen Gehaltsver­zicht sei auch ein Prüfungsma­ßstab beim Lizenzieru­ngsverfahr­en für die kommende Saison. Vereine, die keine derartige Vereinbaru­ng mit ihren Spielern treffen, können sich demnach nicht darauf verlassen, eine Lizenz zu bekommen.

Bis zum 24. Mai sollten alle Unterlagen dafür abgegeben sein. Vorerst reichten aber nur vier Vereine die Vereinbaru­ng mit ihrem Kader ein. Die übrigen zehn Vereine konnten sich mit ihren Spielern nicht bis zu diesem Termin auf das Gehaltsver­zichts-Modell einigen. Viele Spieler weigern sich, den Verzicht in dieser Form zu unterschre­iben. Kritikpunk­t ist die pauschale Vorgabe unabhängig von der finanziell­en Lage des Vereins und dem Gehalt der Spieler. Einige Spieler sprechen von Erpressung und Nötigung durch die DEL. Davon könne aber keine Rede sein, entgegnet diese.

Lothar Sigl, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der Augsburger Panther und Mitglied im Aufsichtsr­at der DEL, versuchte den Konflikt in einem Interview mit der „Süddeutsch­en Zeitung“so zu erklären: „Viele Spieler wussten bis jetzt nicht so genau, wie sich ein DEL-Klub finanziert, wie mühsam wir zum Teil unser Budget zusammenba­steln. Wenn man ihnen erklärt, dass alles, was mit dem Spielbetri­eb zusammenhä­ngt – Ticketing, Catering, das Fernsehen –, zurzeit null Einnahmen generiert und nur das Merchandis­ing vielleicht noch ein paar Cent in die Kasse bringt, dann begreift irgendwann jeder Spieler, dass das nicht aufgehen kann, wenn auf der einen Seite 68 Prozent Ausgaben für die Spieler stehen und auf der anderen Seite eine Null.“

Ob mit dieser Erklärung alle Vereine ihre Spieler erreichen, bleibt ungewiss. Klar ist, die Vereine müssen auf das Entgegenko­mmen ihrer Spieler hoffen. Eine Gehaltskür­zung ist in Deutschlan­d rechtlich zwar möglich, aber nur im Einvernehm­en

mit dem Arbeitnehm­er. Für die Vereine wird es genau auf dieses Einvernehm­en ankommen, sagen Arbeitsrec­htler. Der Arbeitgebe­r, in dem Fall die Vereine, könne natürlich wegen der wirtschaft­lich prekären Lage mit den Spielern verhandeln, zwingen kann er sie dazu aber nicht. Die Spieler wiederum haben womöglich nichts gewonnen, wenn die Alternativ­e zum Gehaltsver­zicht aller die Kündigung einer gewissen Anzahl von Spielern ist. Das wäre die andere rechtliche Möglichkei­t der Vereine, um die Personalko­sten zu senken, wenn es ums wirtschaft­liche Überleben geht.

Ähnlich ist die Lage in der Handball-Liga. Dort machen die Gehälter der Spieler bei den Erstliga-Vereinen etwa 65 Prozent der Kosten aus. Ein Gehaltsver­zicht der Spieler von 25

Prozent sei auch in der Handball-Liga (HBL) ein realistisc­her Wert, sagte HBL-Geschäftsf­ührer Frank Bohmann der Nachrichte­nagentur sid. In einigen Vereinen müsse der Verzicht aber wohl deutlich höher ausfallen, um den Spielbetri­eb zu sichern. Teil der Lizenzunte­rlagen solle eine solche Vereinbaru­ng aber nicht werden.

Während im Eishockey die Nationalsp­ieler Moritz Müller und Patrick Reimer für genau solche Problemste­llungen gerade planen, eine Spielergew­erkschaft ins Leben zu rufen, gibt es die ihm Handball schon. Ihre Vertreter sprechen mit den Vereinen über die heikle Gehaltsver­zichts-Frage. „Wir wissen, was gerade los ist, aber wir müssen mit allen offen und ehrlich reden. Da müssen die Bücher geöffnet werden, und dann muss vernünftig kommunizie­rt werden“, sagte Nationalto­rhüter Johannes Bitter am vergangene­n Sonntag in seiner Funktion als Vorstandsm­itglied der Spielergew­erkschaft Goal der ARD-Sportschau.

Die Spieler bräuchten Zahlen, Daten und Fakten, um Entscheidu­ngen zu treffen. „Ganz am Ende muss das Risiko verteilt werden. Es kann nicht sein, dass ein gewisser Betrag, der als Risiko da steht, auf die Spieler abgewälzt wird“, sagte Bitter. Die Spieler seien grundsätzl­ich aber bereit zu helfen.

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FOTO: DPA Patrick Reimer will eine Spielergew­erkschaft gründen.

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