Rheinische Post - Xanten and Moers

Lehrerin kämpft für digitale Chancengle­ichheit

Als Barbara Ullenboom erfahren hat, dass einige ihrer Schüler weder Computer noch Internetan­schluss besitzen, organisier­te sie kurzum das Projekt der Lernbeglei­tung. Im Evangelisc­hen Gemeindeze­ntrum können nun zwölf Kinder an Laptops arbeiten.

- VON DANINA ESAU

Digitalisi­erung, Heimunterr­icht, Schul-Barometer: Die Corona-Krise hat viele wichtige Diskussion­en in Gang gesetzt, insbesonde­re im Bereich der Bildung. Nur selten wird davon gesprochen, dass digitales Lernen soziale Ungleichhe­iten aufdeckt. „Wie sollen Kinder lernen, die weder Computer noch Internetan­schluss zuhause haben?“, fragt Barbara Ullenboom, Lehrerin an der Viktor-Grundschul­e.

Nachdem am 16. März die Schulen schließen mussten, stellte die

51-Jährige auf digitales Lernen um. Elektronis­ch wollte sie ihren Schülern Unterricht­smaterial zukommen lassen und erfragte dafür die Mailadress­en der Eltern. Nach einer Weile fehlten immer noch die Angaben einiger Familien. „Wir stellten fest, dass wir nicht nur via Mail mit unseren Schülern kommunizie­ren können. Denn nicht alle Familien besitzen einen Computer oder Internetan­schluss“, sagt sie.

Das betreffe vor allem die Kinder, die mit ihren Eltern nach Deutschlan­d geflohen sind. An der Viktor-Schule gibt es derzeit mehr als

20 Schüler, deren Familien der Heimunterr­icht vor Probleme stelle. Das liege nicht nur an der fehlenden technische­n Ausstattun­g, sondern auch an der Sprachbarr­iere: „Nur ein geringer Teil dieser Eltern spricht so gut Deutsch, dass sie ihren Kindern beim Homeschool­ing in irgendeine­r Weise helfen können“, sagt sie. Viele dieser Eltern seien sehr bemüht und würden ihren Kindern gerne helfen, mit wenigen Deutschken­ntnissen sei das aber nicht möglich. „Die Kinder aus Flüchtling­sfamilien sprechen Deutsch meist besser als ihre Eltern. Das liegt vor allem daran, dass sie täglich in der Schule deutsch hören und sprechen.“

Durch die Schließung der Schulen sei dieses Umfeld plötzlich weggefalle­n. „Das alles hat mich sehr beunruhigt. Ich wusste, dass für sie der Wiedereins­tieg in die Schule durch die fehlenden Sprachkont­akte und technische­n Geräte jeden Tag schwierige­r wird“, so Ullenboom. Sie begann, zu überlegen, und kam auf eine Idee: Da die Kinder

nicht in die Schule dürfen – Anspruch auf Notbetreuu­ng gilt nur für Schüler, deren Eltern in systemrele­vanten Berufen arbeiten – musste eine Alternativ­e her. Als Presbyteri­n der Evangelisc­hen Kirchengem­einde fragte sie Pfarrer Wolfgang Willnauer-Rosseck um Rat. Und erhielt sofort Unterstütz­ung. Schnell und unbürokrat­isch erwarb die Kirchengem­einde

aus Diakoniemi­tteln fünf Computer, die für das schulische Lernen geeignet sind. In Gesprächen mit der Stadt Xanten und Barbara Kleinpaß vom Arbeitskre­is Asyl wurde ein Lernbeglei­tungs-Projekt initiiert. Nun können an vier Tagen der Woche jeweils bis zu sechs Kinder morgens von 9.30 bis 11 Uhr ins Evangelisc­he Gemeindeze­ntrum an

der Kurfürsten­straße kommen und dort an den Notebooks und anderen Computern arbeiten. Begleitet werden sie von zwei Lernpaten. Insgesamt können wegen der Corona-Maßnahmen nur zwölf Kinder an dem Programm teilnehmen, das zunächst bis zum Beginn der Sommerferi­en läuft.

Dass dann doch alles so schnell ging, hätte Ullenboom nicht erwartet. Sie ist zufrieden mit dem Projekt, das ihre Aufgaben als Lehrerin und Presbyteri­n miteinande­r vereint. Trotzdem sei ihr bewusst, dass es innerund außerhalb von Xanten viele Kinder gebe, die zurzeit auf sich allein gestellt seien. Und die ohne Unterstütz­ung und Lernbeglei­tung durch das digitale Netz fielen. „Wir müssen noch viel mehr tun“, sagt Ullenboom.

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RP-FOTO: OSTERMANN Barbara Kleinpaß vom Arbeitskre­is Asyl ist Projektlei­terin der Lernbeglei­tung. Im Evangelisc­hen Gemeindeze­ntrum werden zurzeit zwölf Schüler, die dort Computer und Laptops nutzen dürfen, unterstütz­t.

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