Rheinische Post - Xanten and Moers
„Es ist ein sehr schönes Gefühl, die Kitze ihren Müttern wohlbehalten überlassen zu können“
Die Bilder, die die Drohne über dem üppigen, im Wind wogenden grünen Teppich aus der Luft liefert, sind wunderschön. Sie zeigen Berufsjäger Ralf Hinrichs, der mit Münsterländer Vitus durchs hohe Gas wandert und gut sichtbar eine Spur zieht. Unterlegt ist das Youtube-Filmchen vom Gang durch herrliche niederrheinische Natur vor der Kulisse sich drehender Windräder mit entspannder Gitarrenmusik. Doch der Hintergrund ist ernst. Die Idylle trügt. „Hier spielen sich Jahr für Jahr Tragödien ab“, sagt der Mann, der sich hier auf der Bönninghardt professionell um das Revier des Familienunternehmens Hülskens kümmert. Die Bilder von tot gemähten Jungtieren haben sich ihm eingebrannt. Sie allein mit Vitus’ Spürnase vor der Mahd aufzuspüren und so zu retten, sei unmöglich, sagt er. So hat Hülskens aufgerüstet. Mit einer Drohne, die mit einer Wärmebildkamera bestückt ist, werden die Flächen abgeflogen, bevor der Grasschnitt beginnt.
Der Test-Flug sei sehr erfolgreich gewesen, berichtet Pilot Tobias Höffner, Öffentlichkeitsarbeiter bei Hülkens. Ein gutes Dutzend Kitze und zahlreiche Junghasen habe er im Zusammenspiel mit dem Jäger und Landwirten vor den tödlichen Messern bewahrt. Zwischen April und Juni kommen Rehkitze zur Welt. Die Muttertiere legen sie ins hohe Gras der Wiesen. Ein Instinkt, um den Nachwuchs für die nächsten Tage „unsichtbar“zu machen und zu schützen. Kitze bewegen sich zwei Wochen lang praktisch nicht von der Stelle. Sie warten dort auf ihre Mütter, bis sie von der Nahrungssuche zurückkehren.
Das „Nest“aber kann schnell zur tödlichen Falle werden. Denn zu der Zeit sind auch die Landwirte im Kreis Wesel mit dem ersten Schnitt ihrer Futterwiesen beschäftigt. Der liefert die meiste Energie und als Silage wertvollen Futtervorrat für die Rinderherden. Die Gefahr für die Kitze ist also sehr groß. Daher
Tobias Höffner Öffentlichkeitsarbeit Hülskens werden die Wiesen in der Regel vorher von Jägern und Landwirten gemeinsam abgesucht. Auf der Bönninghardt ist Hülskens diesmal einen moderneren Weg gegangen: Die Drohne mit der Wärmebildkamera stieg in den frühen Morgenstunden auf, um die gesamte Fläche abzufliegen.
Tatsächlich spürt die Spezialkamera Kitze und Junghasen auf, die Körperwärme abgeben. Dennoch fällt es Jäger Ralf Hinrichs und Spürnase Vitus im hohen Gras nicht so leicht, die Kitze auszumachen. Wenn’s gefunden ist, wird das Kitz mit Handschuhen und Grasbüscheln in einen Karton gesetzt und in Sicherheit gebracht. Vitus treibt Junghasen und Rebhühner gezielt in angrenzende, ungefährliche Flächen. Hat der Bauer seine Arbeit erledigt, kann das Kitz, das über Fiepen Kontakt mit der Mutter hält, wieder in ihre Obhut.
Bei Hülskens ist man von der modernen Art der Wildtierrettung begeistert. „Nach der Testphase sind die Abläufe einstudiert und wir haben genügend Erfahrung“, so Gesellschafter Werner Schaurte-Küppers. „Jetzt ist es wichtig, dass wir für diese Art Tierschutz werben, um die Kitze rechtzeitig vor der Mahd auf der Bönninghardt, aber auch in der Region, aufzuspüren.“
Auch die Jägerschaft in Alpen und die Landwirte begrüßen diese Aktion: „Kitzrettung ist ein wichtiges Anliegen, keiner möchte ein Tier im Mähwerk haben“, so ein Landwirt. Auch der Pilot an der Drohne, sonst Schreibtischtäter, ist zufrieden mit seinem Job: „Es ist ein sehr schönes Gefühl, die erstaunlich kleinen Kitze ihren Müttern wohlbehalten überlassen zu können.“