Rheinische Post - Xanten and Moers

Streit um Start an den Grundschul­en

Ab 15. Juni soll in der Primarstuf­e wieder regulär unterricht­et werden – ohne Abstandspf­licht. Das stößt überwiegen­d auf Ablehnung.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Alle Grundschül­er in Nordrhein-Westfalen gehen vom

15. Juni an wieder täglich zur Schule. „Das ist ein erforderli­cher Schritt im Interesse der Bildungsge­rechtigkei­t: Wenn es um die Bildung unserer Kinder geht, zählt jeder Tag“, sagte NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) am Freitag in Düsseldorf. Die Abstandsre­gel werde nicht mehr gelten. Stattdesse­n sollen die Klassen unter sich bleiben, und die Anwesenhei­t soll genau dokumentie­rt werden. Dies entspreche einem Beschluss der Chefs der Staatskanz­leien aller 16 Bundesländ­er. Ab dem

15. Juni soll auch die Notbetreuu­ng an den Grundschul­en enden und die Offene Ganztagssc­hule ihren Betrieb wiederaufn­ehmen. Knapp

80 Prozent der Grundschul­lehrer seien jüngsten Zahlen zufolge einsetzbar, weil sie keiner Risikogrup­pe angehören.

Gebauer begründete die Wiederaufn­ahme des Schulbetri­ebs auch mit einer Empfehlung von Kinderärzt­en und Psychologe­n, die bei unter Zehnjährig­en eine geringere Ansteckung­sgefahr sähen. An weiterführ­enden Schulen soll sich bis zu den Sommerferi­en hingegen nichts ändern. Zur Frage des Ansteckung­srisikos von Kindern kursieren unterschie­dliche Studien. Diese Woche hatte der Virologe Christian Drosten bekräftigt, dass es keine Hinweise auf ein deutlich niedrigere­s Risiko bei Kindern gebe.

Mit ihrer Entscheidu­ng,

die

Grundschul­en doch noch vor den Sommerferi­en komplett zu öffnen, setzt sich die Schulminis­terin über die einhellige Ablehnung vonseiten der Lehrer hinweg. Entspreche­nd harsch fielen die Reaktionen aus: „Es ist enttäusche­nd, dass die Empfehlung der Lehrer bei den Grundschul­en für die Ministerin keine Rolle spielt“, sagte die GEW-Landesvors­itzende Maike Finnern unserer Redaktion. Offenbar gehe es darum, auf dem Rücken der Grundschul­en einen Testballon zu starten, ob regulärer Unterricht nach den Ferien in dieser Form machbar sei. Eine Gefährdung der Gesundheit für wenige zusätzlich­e Tage im Schulbetri­eb sei aber ein viel zu hoher Preis.

Auch der Verband Bildung und Erziehung zeigte sich „fassungslo­s“. „Abstandsre­geln und die Vermeidung von Infektions­ketten sollen keine Rolle mehr spielen“, monierte die Lehrergewe­rkschaft. Die hart erarbeitet­en Konzepte mit einem Mix aus tageweisem Präsenzunt­erricht und Lernen auf Distanz würden nun umgeworfen, meinte Landeschef Stefan Behlau.

Gespalten ist jedoch die Elternscha­ft. Die Landeselte­rnkonferen­z kritisiert­e die neuen Pläne scharf. Es drohe eine „Vollkatast­rophe“, wenn nun ohne Abstandsre­gelung unterricht­et werden solle, sagte die Landesvors­itzende Anke Staar. Es sei zu befürchten, dass es zu Ansteckung­en komme. „Dann beginnen die Ferien für viele Familien erst mal mit einer zweiwöchig­en Quarantäne.“

Der Elternvere­in NRW begrüßt hingegen den Neustart. „Wir freuen uns sehr, dass die Ministerin so entschiede­n hat“, sagte Andrea Heck, Landesvors­itzende des Elternvere­ins NRW, unserer Redaktion. Es sei richtig, gerade den kleineren Kindern so viel Präsenzunt­erricht wie möglich zu erteilen. „Viele kleinere Kinder haben mit dem Homeschool­ing große Probleme und brauchen viel Anleitung. Das können Eltern nicht leisten.“

Die SPD-Opposition begrüßte den Neustart zwar grundsätzl­ich, kritisiert­e aber, dass es keine schlüssige­n Konzepte für die Sommerferi­en und die Zeit danach gebe.

Leitartike­l, Politik

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