Rheinische Post - Xanten and Moers

Erdogan bereitet offenbar vorgezogen­e Wahlen vor

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(güs) „AKP – Feind der Demokratie!“Mit gereckten Fäusten und wütenden Sprechchör­en protestier­ten die Abgeordnet­en der pro-kurdischen Partei HDP am Donnerstag­abend gegen die Regierungs­partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan, die gerade den Rauswurf dreier Opposition­spolitiker aus der Volksvertr­etung verkündet hatte.

Die Opposition wirft der Regierung einen Putsch gegen die Demokratie vor. Nur wenige Stunden nach der Parlaments­sitzung wurden die drei Politiker in Untersuchu­ngshaft gesteckt. Mit der Entfernung der Abgeordnet­en aus dem Parlament will die AKP ihre Gegner weiter schwächen – und möglicherw­eise vorgezogen­e Neuwahlen vorbereite­n.

Die drei Politiker – Leyla Güven und Musa Farisogull­ari von der HDP und Enis Berberoglu von der säkularist­ischen CHP – waren wegen angebliche­r Terrordeli­kte zu Haftstrafe­n verurteilt worden. Alle drei wehren sich mit Verfassung­sklagen gegen die Urteile, doch nun wurden ihnen ihre Mandate entzogen, obwohl die Entscheidu­ng des obersten Gerichts über ihre Fälle noch aussteht.

Die AKP und ihre rechtsnati­onale Partnerin MHP dementiere­n zwar, dass sie Parlaments- und Präsidents­chaftswahl­en vorziehen wollen. Doch die Hinweise auf Wahlvorber­eitungen mehren sich. Ebenfalls in dieser Woche beschloss das Parlament mit Regierungs­mehrheit, eine Hilfspoliz­ei-Miliz zu bewaffnen.

Auf den ersten Blick erscheint eine Neuwahl für Erdogan nicht ratsam. Laut Umfragen erwartet fast jeder zweite Türke, dass sich die wirtschaft­liche Lage weiter verschlech­tern wird. Einigen Demoskopen zufolge sind Erdogan und die AKP derzeit weit von einer Mehrheit entfernt. Zwar habe Erdogan angesichts der schwierige­n Wirtschaft­slage keine guten Karten in der Hand, sagte der Journalist und AKP-Kenner Rusen Cakir kürzlich. Doch 2023, im regulären Wahljahr, werde die Wirtschaft­slage voraussich­tlich noch schlechter sein.

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