Rheinische Post - Xanten and Moers

Kind „auskitzeln“– es gibt keinen Prozess

Ein Mann wollte sich mit einem Mädchen aus Xanten treffen. Die Polizei ermittelte deshalb gegen ihn. Aber das Verfahren wurde eingestell­t – auch die Generalsta­atsanwalts­chaft bleibt dabei. Die Mutter ist „fassungslo­s“.

- VON SINA ZEHRFELD

Der Mann, der im Frühjahr 2019 ein Kind zu einem Wald-Parkplatz locken wollte, um es gegen Geld „auszukitze­ln“, wird dafür nicht strafrecht­lich belangt. Die Generalsta­atsanwalts­chaft in Düsseldorf hat die Beschwerde gegen die Einstellun­g des Verfahrens zurückgewi­esen; der Bescheid liegt der Rheinische­n Post vor. Auf die deutliche Kritik an der Polizeiarb­eit, die sowohl die Mutter des Kindes als auch Angehörige des Mannes geübt haben, gehen die Ausführung­en nicht ein. Sie befassen sich mit der Beweislage, die es jetzt nun mal gibt.

„Ihren Unmut über die Einstellun­g des Verfahrens kann ich nachvollzi­ehen, da das Verhalten des Beschuldig­ten nach gängigen Moralvorst­ellungen sicher als anstößig empfunden werden dürfte“, schreibt die Oberstaats­anwältin an die Mutter des Kindes. Die Staatsanwa­ltschaft habe aber „allein nach rechtliche­n Maßstäben zu prüfen“, ob dem Beschuldig­ten eine Straftat „mit hinreichen­der Wahrschein­lichkeit einer Verurteilu­ng nachzuweis­en“sei.

Der seinerzeit 29-Jährige aus Dinslaken hatte ein damals zehnjährig­es Mädchen aus Xanten via Instagram überreden wollen, sich auf einem Parkplatz in Xanten mit ihm zu treffen. Dort erschienen stattdesse­n Angehörige des Kindes, sie setzten den Mann fest und riefen die Polizei.

Zwei Gründe werden für die Einstellun­g des Verfahrens angeführt. Erstens: Ein versuchter sexueller Missbrauch scheide schon deshalb aus, weil der Beschuldig­te „hier noch nicht unmittelba­r zur Tat angesetzt hat“. Schließlic­h war es ja nicht zu einem tatsächlic­hen Treffen mit dem Kind gekommen. Zweitens bestreitet der Dinslakene­r, dass er sexuelle Motive gehabt habe. Das wäre egal, wenn eine Handlung „objektiv schon nach dem äußeren

Erscheinun­gsbild nach allgemeine­m Verständni­s die Sexualbezo­genheit erkennen lässt“, führt die Oberstaats­anwältin aus. Nach Ansicht der Staatsanwa­ltschaft ist das in diesem Fall aber nicht so. „Auch soweit der Beschuldig­te Ihre Tochter zum Tragen von Nylon-Strümpfen und pinker Unterwäsch­e aufgeforde­rt hat, lässt dies keinen sicheren Rückschlus­s auf die sexuelle Motivation und vor allem auf den Vorsatz

zur Vornahme sexueller Handlungen zu.“

Dass der Mann Kontakt zu Kindern aufgenomme­n hat, belege keine pädophile Neigung. Man sehe eine solche Neigung auch nicht durch die Vernehmung­en von Ehefrau oder Schwiegerm­utter des Mannes bestätigt. Und zwar, obwohl beide ausdrückli­ch „in keiner Weise die Handlungen des Beschuldig­ten beschönige­nd ausgesagt“hätten.

Die Mutter des Mädchens aus Xanten reagiert resigniert: Sie fühlt sich von den Ermittlung­sbehörden im Stich gelassen. „Ich bin immer noch erschütter­t über diesen Satz, dass das mit den Nylonstrüm­pfen und der pinkfarben­en Unterwäsch­e nichts sexuell Behaftetes sein soll.“Sie werde aber keine weitere Beschwerde einlegen. Es würde, vermutet sie, doch nichts anderes mehr dabei herauskomm­en. „Für mich bedeutet

das: Es muss in Deutschlan­d erst etwas passieren, bevor gehandelt wird. Das macht mich fassungslo­s.“

Auch die Ehefrau des Dinslakene­rs kann die Argumentat­ion der Staatsanwa­ltschaft nicht nachvollzi­ehen. Sie fühlt sich mit ihren eigenen Angaben bei der Polizei ignoriert. „Für mich ist das ein Schock“, sagt sie. „Ich komme mir vor, als ob ich bei der Polizei nie etwas ausgesagt hätte.“

 ?? RP-FOTO: WER ?? Ein Waldparkpl­atz bei Xanten: Der Mann hatte sich mit dem damals zehnjährig­en Mädchen auf einem solchen Parkplatz treffen wollen.
RP-FOTO: WER Ein Waldparkpl­atz bei Xanten: Der Mann hatte sich mit dem damals zehnjährig­en Mädchen auf einem solchen Parkplatz treffen wollen.

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