Rheinische Post - Xanten and Moers
Die Artisten kommen ins Wohnzimmer
Dem in Rheinberg vom „Ferienalarm“her bekannten „Rondel Circus for Kids“steht das Wasser finanziell bis zum Hals. Mit einer Internet-Show hoffen die Familien Ortmann und ihre Partner vom Zirkus Jonny Casselly auf Unterstützung.
RHEINBERG René Ortmann denkt gerne an 2019 zurück. Meistens, wenn er mit seinen Eltern, Geschwistern, Nichten und Neffen, mit Tante und Onkel, Cousins und Cousinen zusammensitzt. Damals gab es ein Jubiläum zu feiern: Die Ortmanns blickten auf die 250-jährige Geschichte ihres Familienzirkusses zurück. „Wir sind in der achten Generation“, sagt der 36-jährige Betriebsleiter des „Rondel Circus for Kids“, der in Rheinberg bestens bekannt ist: Seit rund zehn Jahren steht das Zelt Jahr für Jahr in den Sommerferien für drei oder vier Wochen für den „Ferienalarm“am Annaberg. Jeweils 300 bis 400 Kinder werden dann zu kleinen Artisten.
Doch dann kam Corona und der Zirkus stürzte in die vielleicht schwerste Krise seines Bestehens. „Wir haben seit mehr als einem Jahr keine Aufführung mehr gegeben“, sagt Ortsmann. „Wir bekommen keine Unterstützung, wir sind manchmal verzweifelt, weil wir nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll. Es gab Phasen, da wussten wir nicht mehr, wo oben und unten ist. Aber wir halten zusammen und lassen uns nicht unterkriegen.“
Wenn Ortsmann „wir“sagt, meint er zwei Zirkusse: Rondel und Jonny Casselly – nicht zu verwechseln mit dem Xantener Ableger. „Wir haben uns mit 36 Familienmitgliedern zusammengetan, haben bei Gießen eine große Wagenburg gebildet und versuchen, die Zeit zu überstehen“,
schildert René Ortmann. Um Spenden bitten – das kommt für die Ortmanns und die Cassellys nicht in Frage. „Wir machen seit 1994 Schul- und Ferienzirkusprojekte, damit ging es uns wirtschaftlich ganz gut“, so Ortmann. In Rheinberg habe Rondel 2020 dank eines ambitionierten Hygienekonzepts sogar noch den Ferienalarm-Zirkus durchführen dürfen, wenn auch die Aufführungen ohne Publikum und damit ohne Applaus für die Kinder stattfinden mussten. Ansonsten war allerdings Hängen im Schacht.
Ortmann: „Zum Glück haben wir Freunde. Unsere Tiere sind an verschiedenen Stellen untergebracht und werden versorgt, das ist toll. Darüber hinaus gibt es Städte, in denen Aktionen für uns durchgeführt worden sind.“Der Zirkus selbst hat auch eigene Aktionen gemacht, zum Beispiel Akrobatik für einen guten Zweck, hat beim ersten deutschen Autozirkus und bei einem Strandkorbzirkus mitgemacht.
Jetzt haben die Zirkusleute zusammen mit einem Filmteam eine komplette Dokumentation über das Zirkusleben produziert, die man sich bald im Internet anschauen kann. René Ortmann: „Wir nennen das Projekt Home-Circus. Es gibt Clownerie, Akrobatik, Artisten, Feuerschlucker und vieles mehr. Aber wir zeigen in den 90 Minuten auch, wie wir leben, wie wir trainieren und uns um unsere Tiere kümmern.“
13 Drehtage liegen hinter den Akteuren. Zu sehen sein werden Stars wie Karola Casselly, die schon Preise
in Monte Carlo und Las Vegas gewonnen hat. Sie wird hoch oben unter der Zirkuskuppel Höchstleistungen vollbringen. Auch die „Alten Kameraden“sind mit Kaskaden zu sehen: Antonio, Marco, Alfons, René, Jonny und der starke Luis. René Ortmann: „Wir haben auch Kinder aus Städten eingeladen, wo wir regelmäßig zu Gast sind, auch aus Rheinberg.“15 Jungen und Mädchen aus dem Ferienalarm-Projekt sind nach Hessen gefahren und haben sich als Artisten bestätigt.
Nun hoffen die Ortmanns und die Cassellys, dass sich viele Fans den Home-Circus anschauen und den Zirkussen damit finanziell unter die Arme greifen. René Ortmann: „Bei uns geht es um die nackte Existenz. Nicht mehr und nicht weniger.“