Rheinische Post - Xanten and Moers
Und wieder ist alles ungewiss
Eigentlich sollten die Schule ab Montag wieder öffnen, doch die Inzidenz in Duisburg liegt nun jenseits der 200. Die Stadt will die Notbremse ziehen – falls das Land mitspielt. Lehrer und Eltern sind mit den Nerven am Ende.
Jennifer Poschen hat in den vergangenen Wochen und Monaten ganz schön viele E-Mails verschickt. Manche tippte sie abends weit nach 22 Uhr, andere sonntagmorgens in der Badewanne. Die Schreiben gingen raus an besorgte Mütter und Väter und immer hatte die Schulleiterin der Grundschule Hochfelder Markt etwas Neues zu vermelden. Die Schulen werden geschlossen. Ihre Kinder müssen Maske tragen. Wir lassen die Fenster auf. Wechselunterricht. Jetzt testen wird. Alles wird gut. „13 Monate Hickhack“, nennt Poschen das. „Mit jeder E-Mail, die wir den Eltern schicken, verspielen wir etwas Vertrauen.“
Lehrer, Eltern und Schüler in Duisburg waren es bislang gewohnt, sich nahezu jede Woche auf neue Corona-Beschlüsse in der Schulpolitik einzustellen. Nun aber kommen die Ankündigungen schon täglich. Noch am Mittwoch hatte das Schulministerium in einer E-Mail angekündigt, ab kommender Woche wieder auf Wechselunterricht zu setzen, nachdem die erste Woche nach den Osterferien auf Distanz stattfand, weil für die Schulen nicht genügend Tests da waren. Jetzt droht allerdings erneut die Kehrtwende.
Die Sieben-Tage-Inzidenz in Duisburg ist am Donnerstag auf 205,1 gestiegen und liegt damit über einer kritischen Marke. Das neue Infektionsschutzgesetz, das die Bundesregierung auf den Weg bringen will, aber bislang noch nicht in Kraft ist, sieht vor, dass ab einer regionalen Inzidenz von 200 alle Schulen wieder in den Distanzunterricht wechseln. Bleiben ab Montag die Schüler in Duisburg also doch wieder zu Hause? Nun, die Lage ist ungewiss.
„Aktuell wissen wir noch nicht, wie es am Montag an den Schulen weitergeht“, sagt ein Stadtsprecher auf Anfrage am Donnerstagabend. Man habe in Düsseldorf die sogenannte „Schul-Notbremse“beantragt, aber bislang keine Antwort erhalten. Es komme nun darauf an, wie die Landesregierung entscheide. Bislang ist es nicht möglich, sich auf die bundesweite Notbremse zu beziehen, weil das Infektionsschutzgesetz noch nicht vom Parlament in Berlin verabschiedet wurde. „Wir brauchen an den Schulen jetzt Verlässlichkeit und Planungssicherheit“, sagt Michael Fuchs, Vorsitzender des Verband Bildung und Erziehung in Duisburg (VBE).
Gerade an den Grundschulen fürchten die Eltern den Distanzunterricht. Das Modell ist dort mit erheblichen
Problemen verbunden. Erstklässler kann man nicht einfach den halben Tag alleine lassen. Und ein 13-Jähriger hat vielleicht schon ein Handy und einen eigenen Laptop, ein Siebenjähriger wahrscheinlich eher nicht. „Meine Frau und ich müssen jeden Tag schauen, wie wir die Betreuung organisieren. Wir haben Glück, dass unsere Arbeitgeber da viel Verständnis haben“, sagt Mehmet Parmak, dessen Sohn Ares in die vierte Klasse der Grundschule Hochfelder Markt geht.
Nach den Sommerferien wechselt Ares aufs Gymnasium, vorher sollte er eigentlich mit seinen Mitschülern den Abschluss feiern. Gemeinsam wollten sie zum Reitercamp Hötzenhof nach Uedem fahren. Das
fällt nun aus. „Wir haben unserem Sohn allerdings versprochen: Wir holen die Fahrt irgendwann nach der Pandemie privat nach“, sagt Mutter Aysegül Parmak. Die Corona-Krise belaste die Kinder sehr, sind sich die Eltern aus Duisburg sicher. Einmal habe Ares zu Hause vergessen, sich die Hände zu waschen. „Er fragte dann: Mama, bekomme ich jetzt Corona?“
Die Kinder, die auf die Grundschule in Hochfeld gehen, vermissen einander. Auch dem Kollegium ist klar, dass jeder Tag, den die Kinder zu Hause vor dem Bildschirm büffeln, einer zu viel ist. „Wir sind am Ende unserer Kräfte“, sagt Schulleiterin Poschen. Im Unterricht beobachten die Lehrer bereits Schwächen.
„Wir haben derzeit ein halbes Jahr Rückstand beim Stoff“, sagt Vanessa Stockhorst.
Immer wieder passierte es, dass die Schule völlig spontan auf Entscheidungen der Politik reagieren musste. Zuletzt habe man etwa tagelang auf die Corona-Schnelltests gewartet. „Sie sind dann am Montag um neun Uhr gekommen, aber da waren die Kinder aus der Notbetreuung schon da. Die mussten dann vorab einen Termin im Testzentrum machen“, sagt Poschen.
Das Thema Tests ist ohnehin schwer belastet. Vielen Eltern halten wenig davon, dass sich die Kinder im Klassenraum selbst testen, nachdem manche von ihnen mehrere Minuten im vollen Schulbus saßen. „In der Gruppe haben die doch total Angst, dass einer positiv ist und alle mit dem Finger drauf zeigen“, sagt Mehmet Parmak.
Die Tests zu Hause vor dem Unterricht zu machen erlaubt das Ministerium bislang nicht. Trotz Aufsicht durch die Lehrer ist man in Hochfeld nicht davon überzeugt, dass es eine gute Idee ist, wenn sich Sechsjährige ohne medizinisches Fachpersonal Stäbchen in die Nase stecken. „Wir können nicht garantieren, dass jedes Kind den Schnelltest richtig machen wird“, sagt Jennifer Poschen.
Neuinfektionen 145
aktuell infiziert 1537
insgesamt infiziert 23.946
Genesene 21.841
Tote 568
Tests 323.260
Sieben-Tage-Inzidenz 205,1
Quelle: Stadt Duisburg, Stand: 14. April, 20 Uhr