Rheinische Post - Xanten and Moers

Wo es Rohmilch frisch vom Hof gibt

Familie Brammen betreibt auf ihrem Hof in Xanten eine Milchtanks­telle, die immer geöffnet ist. Sie nutzt den Automaten auch für Aufklärung­sarbeit und zeigt, woher die Milch kommt – die Kühe leben daneben im Stall.

- VON MARKUS WERNING

XANTEN Manchmal wird es morgens gerade erst hell, da war schon jemand auf dem Hof und hat frische Milch getankt. „Wir haben Stammkunde­n, die kommen auf dem Weg zur Arbeit vor 6 Uhr bei uns vorbei“, berichtet Barbara Brammen. „Die nehmen dann auch für ihre Arbeitskol­legen direkt frische Rohmilch mit.“Schließlic­h gibt es die nicht überall, sondern nur bei Landwirten, die eine Milchtanks­telle haben. Zum Beispiel Familie Brammen, die den Schrammenb­ruchshof am Grenzdyck 4 in Xanten betreiben. Ihre Milchtanks­telle ist rund um die Uhr geöffnet. Auch sonntags, auch feiertags. Jeden Tag.

Vor gut sieben Jahren hat die Familie ihre Milchtanks­telle in Betrieb genommen. Es ist ein moderner Automat mit Tank, Kühlung und Zapfstelle, der täglich gereinigt wird. Die Milch ist frisch gemolken und unbehandel­t. Sie wurde also weder homogenisi­ert, noch pasteurisi­ert, sondern nur gefiltert und dann auf vier Grad herunter gekühlt. „So bleibt der unverfälsc­hte Milchgesch­mack erhalten“, erklärt Brammen.

Um Rohmilch zu tanken, wirft der Kunde Geld in den Automaten, hält eine Flasche schräg unter den Zapfhahn und drückt einen Knopf – so lange, wie er Milch haben möchte. Das geht ganz schnell. Frisch gezapfte Rohmilch dauert keine Minute. Anschließe­nd nimmt der Kunde die Flasche heraus, schließt die Klappe des Ausgabefac­hes und drückt den Knopf fürs Wechselgel­d – dann rechnet der Automat genau ab. Ein Liter kostet einen Euro. Dieser Preis galt bei Brammen schon 2014, die Familie hat ihn seitdem nicht verändert. Wenn der Kunde weniger oder mehr nimmt, muss er entspreche­nd weniger oder mehr bezahlen. Wer kein Gefäß mitbringt, kann vor Ort eine Flasche aus PET oder Glas kaufen. Sie stehen neben dem Automaten.

In den vergangene­n Jahren hat sich die Milchtanks­telle zu einem weiteren, wichtigen Standbein für den Hof entwickelt, wie Barbara Brammen berichtet. „Es hat sich ein fester Kundenkrei­s gebildet, der sehr treu ist.“Die 70 Milchkühe des Hofs geben täglich einige Hundert Liter Milch, der Großteil gehe an eine Molkerei, aber einige Dutzend Liter verkaufe die Familie über den Automaten, sagt Brammen. Es kämen auch immer wieder neue Kunden hinzu, die die Milch direkt vom Hof ausprobier­en wollten und dafür extra bis zu ihnen führen. Manche machten auch einen Familienau­sflug zur Milchtanks­telle. Grundsätzl­ich

bietet Brammen auch Hofführung­en an, um zu zeigen, woher die Milch kommt, die der Kunde gerade getankt hat. Wegen der Corona-Pandemie ist das im Moment leider nicht möglich.

Die Milcherzeu­ger kann der Besucher trotzdem sehen. Der Stall liegt nur einige Meter weit entfernt und ist von einem offenen Laufhof umgeben – die Tiere können also jederzeit nach draußen und sich frei bewegen. Bald, wenn die Weidesaiso­n wieder beginnt, werden zusätzlich die Gitter im Zaun geöffnet. Dann können die Kühe auch wieder über die angrenzend­e große Wiese laufen. „Wir legen großen Wert auf eine natürliche Haltung der Tiere.“Die Familie muss dann morgens und abends aber erst einmal einige Meter laufen, bis alle Kühe zum Melken wieder im Stall stehen. „Das ist dann schon ein ordentlich­er Spaziergan­g.“

Auch im Stall können sich die Kühe frei bewegen. Jedes Tier habe seinen eigenen Fressplatz, erklärt Brammen. „Kühe sind Herdentier­e, und wenn einige von ihnen meinen, dass sie jetzt fressen wollen, dann gehen andere direkt mit. Also muss man für jede Kuh einen Fressplatz anbieten.“Dasselbe gilt fürs Ausruhen. Dafür sind hinter den Fressplätz­en die Liegefläch­en. „Man muss darauf achten, dass die Kühe alles gleichzeit­ig machen können, also hinlegen, ausruhen, wiederkaue­n.“Währenddes­sen rollt ein Roboter durch den Stall und schiebt den Mist nach draußen. „Der fährt selbststän­dig und macht den ganzen Tag sauber“, erklärt Brammen. Einige Kühe kommen gerade zum Gitter und fressen. Das Futter baut die Familie selbst an, es ist gentechnik­frei. „Diese Haltung ist der beste Garant für eine hochwertig­e, gesunde Milch.“

Das erklärt Brammen auch den Kunden der Milchtanks­telle, wenn sich die Gelegenhei­t dazu ergibt. Die Familie betreibt gern Öffentlich­keitsarbei­t, zumal sie notwendig sei: Zwar gibt es Milch in jedem Supermarkt – aber woher sie kommt, wie sie produziert wird, wisse nicht mehr jeder, sagt Brammen. „Die Menschen haben sich von der Natur entfernt.“Diese Erfahrung mache sie immer wieder, wenn sie zum Beispiel gefragt werde, ob die Kühe auch sonntags gemolken werden müssten. Dass es so ist, wüssten manche gar nicht mehr. Umso mehr freue sie sich, wenn sie mit den Menschen an der Milchtanks­telle darüber ins Gespräch komme. „Wir hatten schon viele hier, die froh waren, dass wir ihnen alles gezeigt und erklärt haben.“

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RP-FOTOS: ARMIN FISCHER Frische Rohmilch auf Knopfdruck: Ein Liter kostet einen Euro. Flaschen gibt es vor Ort, wie Barbara Brammen zeigt, man kann aber auch sein eigenes Gefäß mitbringen.
 ??  ?? Rund 70 Milchkühe haben Barbara, ihr Mann Heinz-Willi und ihr Sohn Tobias Brammen, die den Hof zusammen betreiben.
Rund 70 Milchkühe haben Barbara, ihr Mann Heinz-Willi und ihr Sohn Tobias Brammen, die den Hof zusammen betreiben.

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