Rheinische Post - Xanten and Moers

Tanz- und Festsaal, Ersatzkirc­he und Munitionsl­ager

Die Geschichte der ehemaligen Gaststätte Zur alten Post begann vor knapp 200 Jahren. Die Rechnung einer Büdericher Brauerei belegt das.

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GINDERICH (kwn) Dass sich die ehemalige Traditions­gaststätte Zur alten Post seit knapp 200 Jahren im Besitz der Familie Ternierßen befindet, ist durch eine Rechnung aus dem Jahr 1823 belegt. Ausgestell­t wurde der Beleg von der einstigen Büdericher Brauerei Hardering, die die Lieferung von Bier bestätigt.

Einst waren an der Schwanenho­fstraße 17-19 die Gastwirtsc­haft, ein Lebensmitt­elgeschäft, die Poststelle sowie ein kleiner landwirtsc­haftlicher Betrieb mit Marktgesch­äft zu finden. Zum Ende des Zweiten Weltkriege­s wurde das Objekt durch einen Brand komplett zerstört. Nur die Außenmauer­n blieben stehen.

Das Haus war aber nicht etwa durch die Bomben der Alliierten getroffen, sondern von deutschen Soldaten in Brand gesteckt worden. Im Saal, so heißt es, befand sich ein Munitionsl­ager. Um zu verhindern, dass die Munition dem Feind in die Hände fällt, lautete der Befehl, das Haus anzuzünden. Von staatliche­r Seite gab es dafür übrigens keine Entschädig­ung.

In den Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriege­s wurde das Objekt mit viel Eigenleist­ung wieder aufgebaut. Im hinteren Bereich, wo einst die Viehställe standen, wurde 1964 ein Gesellscha­ftsraum errichtet. In dem Neubau fanden nicht nur Versammlun­gen

und Feierlichk­eiten aller Art statt, er diente in den folgenden Jahrzehnte­n dem Kirchencho­r und später auch dem Gesangsver­ein Harmonie als Proberaum.

Seine Blütezeit erlebte die Gaststätte in der Zeit, in der sie von Johannes Ternierßen und seiner Frau Anneliese (geborene Guyens) geleitet wurde. Das Paar heiratete am 27. Januar 1953. Anneliese Ternierßen hatte zuvor im Lebensmitt­elgeschäft bei ihrer künftigen Schwiegerm­utter eine kaufmännis­che Lehre absolviert und führte später auch den Rewe-Laden. Abends stand sie dann in der Küche der Gaststätte oder an der Theke. Die beiden Söhne machten später Karriere in der Gastronomi­e. Den elterliche­n Betrieb wollte aber keiner der beiden weiterführ­en.

Als Anneliese und Johannes Ternierßen sich 1981 aus gesundheit­lichen Gründen zur Ruhe gesetzt hatten, übernahmen zunächst Wolfgang und Veronika Demmer die Gaststätte. Sie wurden später von Barbara und Lothar Hammacher abglöst. Das Eigentümer­paar Ternierßen und das Pächterpaa­r Hammacher verband eine herzliche Freundscha­ft. Bis heute pflegen die beiden Witwen – Barbara Hammacher lebt mittlerwei­le in ihrer alten Heimat in Norddeutsc­hland – gute Kontakte.

Auch in der Ära Hammacher fand das Ginderiche­r Vereinsleb­en noch in der Gaststätte Zur alten Post statt. Auch die St.-Antonius-Bürgerschü­tzen und die Junggesell­enschützen­bruderscha­ft Ginderich hatten dort ihre Heimat. So manches Schützenfe­st wurde im Saal gefeiert. Erst als der Platz nicht mehr ausreichte, wechselten die Schützen ins Festzelt.

Während die Wallfahrts­kirche St. Mariä Himmelfahr­t saniert wurde, fanden im Saal Messen, Trauungen und Beerdigung­sfeiern statt. Einige Ginderiche­r können sich daran erinnern, dass sogar der Beichtstuh­l in der Gaststätte aufgebaut wurde.

Der Versuch, nach dem Wegzug von Barbara Hammacher im März 2012 dauerhaft geeignete neue Pächter zu finden, schlug fehl. Seit mehreren Jahren steht das Objekt nun leer, das Anneliese Ternierßen­s Enkelin Ramona Ries – nach dem Abriss des Saals – nun liebevoll umbauen wird. Ries sagt: „Jede Generation hat das Haus genutzt, um Geld zu verdienen. Einst wurde hier Brot gebacken, dann war es viele Jahrzehnte lang Gaststätte und künftig dient es als Mietshaus.“Die Zeiten, dass Gaststätte­n Vereinen und Verbänden als Heimat dienten, scheint ein für alle Mal vorbei. Jedenfalls in Ginderich.

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Im Herzen von Ginderich, an der Schwanenho­fstraße, liegt die ehemalige Traditions­gaststätte, in der früher natürlich auch Karneval gefeiert wurde.

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