Rheinische Post - Xanten and Moers
Trump gibt noch immer den Ton an
Liz Cheney, Nummer drei in der Hierarchie der US-Republikaner, steht vor ihrer Abwahl.
WASHINGTON Die betrügerische Wahl des Jahres 2020 werde als große Lüge in die Geschichte eingehen, schimpfte Donald Trump zu Beginn dieser Woche auf der Website seines politischen Aktionskomitees Save America. Prompt setzte seine Parteifreundin Liz Cheney zum Konter an. „Das Votum des Jahres 2020 wurde nicht gestohlen“, erwiderte sie via Twitter. Wer behaupte, Trump sei durch Betrug um den Sieg gebracht worden, verbreite eine große Lüge, wende sich von der Rechtsstaatlichkeit ab und vergifte die Demokratie.
Das war, aus Trumps Sicht, zu viel. Seither bereiten seine Verbündeten im Parlament eine parteiinterne Abstimmung vor, um die Tochter von Ex-Vizepräsident Dick Cheney aufs Abstellgleis zu schieben. Schon nächste Woche dürften die Republikaner entscheiden, die Abgeordnete aus Wyoming in der Hierarchie herabzustufen. Seit zweieinhalb Jahren ist Cheney die Nummer drei der Fraktion im Repräsentantenhaus. Lange galt sie – stramm konservativ – als verlässliche Verfechterin der Trump’schen Agenda, voller Elan für ihr Kernstück, ein Steuersenkungspaket, werbend. Seit dem 6. Januar, dem Tag, an dem aufgeputschte Trumpisten das Kapitol stürmten, zählt sie zu den den schärfsten Kritikern. Unter den zehn republikanischen Abgeordneten, die im Bunde mit den Demokraten für die Amtsenthebung Trumps votierten, war Cheney die prominenteste.
Damals hatte es den Anschein, als wäre es das Signal für eine Art Absetzbewegung auf Raten. Als würde der 74-Jährige in Palm Beach, seinem Domizil in Florida, bildlich gesprochen ins Abendrot reiten. Die Annahme hat sich als falsch erwiesen.
Nach wie vor ist es Trump, der in der Republikanischen Partei unangefochten den Ton angibt. Das Tauziehen um Liz Cheney ist denn auch nichts anderes als eine Kraftprobe,
mit der er seinen ungebrochenen Einfluss nachweisen will. Um Ideologisches geht es dabei nicht. Es geht allein um die Frage, wie loyal man sich ihm gegenüber verhält.
Mitt Romney, einer von sieben republikanischen Senatoren, die im Februar wegen Anstiftung zum Aufruhr für ein Impeachment Trumps stimmten, bekam vor wenigen Tagen die Quittung für seine Courage. Auf einem Parteikongress in Utah wurde er ausgebuht. Der Versuch seiner Gegner, ihn in aller Form abzumahnen, scheiterte nur knapp. Und das im Mormonenstaat Utah, wo Romney, in Amerika der bekannteste Politiker mormonischen Glaubens, normalerweise Heimspiele bestreitet. In Arizona, wo Biden mit hauchdünnem Vorsprung gewann, bestehen die örtlichen Republikaner darauf, das Ergebnis nochmals zu prüfen – ein halbes Jahr nach dem Urnengang. Elise Stefanik, eine Senkrechtstarterin aus dem Bundesstaat New York, gibt ihnen lautstark Rückendeckung. Auch deshalb soll sie Liz Cheney in der Fraktionsführung ablösen.
Allein schon an Stefaniks Biografie lässt sich ablesen, wie gründlich der Tycoon die „Grand Old Party“auf seinen Kurs gebracht hat. Im Herbst 2014 wurde die Harvard-Absolventin, damals 30 Jahre alt, im ländlichen Norden New Yorks ins Repräsentantenhaus gewählt. 2016 unterstützte sie zunächst John Kasich, den Moderatesten des republikanischen Bewerberfelds. Als Trump im Weißen Haus auf eine restriktive Einwanderungspolitik umschaltete, sprach sie von übereilten Entscheidungen. Die 2017 beschlossenen Steuersenkungen lehnte sie ab. Was danach folgte, war ein bedingungsloses Einschwenken auf die Trump-Linie.
Bei den Wortgefechten des ersten Impeachment-Verfahrens im Zuge der Ukraine-Affäre legte sie sich mit imponierender Eloquenz für den Angeklagten ins Zeug. Nach Bidens Sieg gehörte sie zu denen, die die Fabel vom Wahlschwindel besonders krass ausschmückten. Allein in Fulton County in Georgia, schrieb Stefanik noch im Januar in einer Lokalzeitung, sei rund ein Viertel aller Stimmen von „Minderjährigen, Verstorbenen oder sonstigen nicht Berechtigten“abgegeben worden. Dabei hatte auch die konservative Regierung des hart umkämpften Staates Manipulationsvorwürfe nach zweimaliger Nachzählung ins Reich der Legenden verwiesen.