Rheinische Post - Xanten and Moers
Amtsärzte warnen vor Impfengpass
Die Chefin des Bundesverbands der Amtsärzte, Ute Teichert, befürchtet Probleme ab dem Sommer. Wenn eine dritte Auffrischungsimpfung erforderlich wird, wetteiferten Geimpfte mit Kindern und Jugendlichen um die Dosen.
DÜSSELDORF Auch wenn für die kommenden Wochen deutlich mehr Impfstoff erwartet wird, könnte es ab Sommer wieder eng werden. Davor warnt die Chefin des Bundesverbands der Amtsärzte, Ute Teichert: „Mich beschäftigt sehr stark die Frage, ob das Gesundheitssystem ausreichend auf die Herausforderungen vorbereitet ist, die uns ab Sommer ins Haus stehen“, sagte Teichert unserer Redaktion. Das System könnte deutlich unter Druck geraten, wenn – wie erste Studien es jetzt nahelegen – die Geimpften eine dritte Auffrischungsimpfung benötigten. „Einige Studien gehen davon aus, dass diese schon nach sechs Monaten fällig würde.“Das bedeutet für Deutschland, dass man ab Ende Juni oder Anfang Juli nachimpfen müsste. „Vonseiten der Politik höre ich diesbezüglich aber keinerlei Vorschläge, wie das organisiert werden sollte. Es scheint vielmehr, als liefe sie planlos in eine solche Situation hinein. Andere Länder wie etwa England bereiten sich schon vor“, kritisiert die Verbands-Chefin.
Auch bei der Opposition im Düsseldorfer Landtag herrscht Alarmstimmung: „Meine Befürchtung ist, dass der Gesundheitsminister dieses Thema überhaupt nicht auf dem Schirm hat“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Josef Neumann. „Die meisten setzen zurzeit nur auf den Sommer, und kaum jemand denkt strategisch an den Winter und die weitere Zeit danach. Die Impfungen müssen regelmäßig aufgefrischt werden. Vermutlich sogar in relativ kurzen Zeitabständen.“Neumann fragt, wie die Ressourcen dafür eingeplant würden, die Organisation ausgestaltet werde. „Wir dürfen in der Krise nicht weiter von der Hand in den Mund leben. Was wir schon jetzt brauchen, ist ein präventives Handlungskonzept unter Beteiligung aller betroffenen Ebenen“, sagt der SPD-Politiker.
Die Situation sei deshalb auch so besorgniserregend, weil es parallel eine weitere Herausforderung geben werde, prophezeit Teichert: die
Kinderimpfungen. „Die sollen im Sommer kommen. Zwar erst einmal nur mit einer Impfstoffzulassung für die Zwölf- bis 15-Jährigen. Wenn es danach möglicherweise ab dem Herbst auch noch Impfungen von noch deutlich Jüngeren geben sollte, wird der Druck aus der Bevölkerung deutlich zunehmen, dass wir mit den Kindern und Jugendlichen endlich beginnen“, warnt Teichert.
Doch genau wie bei den Auffrischungsimpfungen vermisse sie eine entsprechende Vorbereitung oder ein Problembewusstsein: „Es reicht nicht, sich allein auf die Kinderarztpraxen zu verlassen. Die müssen sich ja noch um die Regelversorgung kümmern. Ein Weg, um dort eine Entlastung hinzubekommen, wäre es, wenn die Politik sich dazu durchringen könnte, bei Impfungen für Kinder Kitas und Schulen gezielt einzubeziehen“, sagt die Ärztin und fordert, die Impfzentren auch über den September hinaus zu betreiben. „Jetzt funktionierende Strukturen als Auslaufmodell zu deklarieren, halte ich für gefährlich. Das Impfen wird uns noch geraume Zeit weiter begleiten.“Über die Frage der Ausgestaltung und Aufgabenteilung zwischen Hausärzten, Betriebsärzten und Impfzentren sollte man durchaus diskutieren, findet Teichert: „Es wäre ja beispielsweise auch möglich, dass man Impfsprechstunden in den Gesundheitsämtern wieder einführt. Die gab es ja mal in der Vergangenheit.
Das wäre auch kein großer Aufwand. Viel mehr als einen Kühlschrank, das Impfmaterial und wenige zusätzliche Fachkräfte in den einzelnen Gesundheitsämtern benötigt man dazu nicht.“
Das NRW-Gesundheitsministerium erklärte auf Anfrage, man erwarte eine Zulassung des Impfstoffs von Biontech/Pfizer für Jugendliche ab zwölf Jahren im Juni. „Laut Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz vom 6. Mai 2021, ist das gemeinsame Ziel, allen Zwölf- bis 18-Jährigen bis Ende August ein Impfangebot einer Erstimpfung mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer gemacht zu haben“, erklärte ein Ministeriumssprecher. Ein Konzept zur Impfung von Kindern werde hierfür erarbeitet und abgestimmt.
Zum Fortbestand der Impfzentren erklärte der Sprecher, die Finanzierung durch Land und Bund laufe mindestens bis zum 30. September weiter. „Über zukünftige Konzepte kann zum jetzigen Zeitpunkt keine Auskunft gegeben werden.“
NRW, Politik