Rheinische Post - Xanten and Moers
Parteiausschlussverfahren gegen Palmer „unvermeidlich“
BERLIN Die Grünen werden sich im Bundestagswahlkampf auf eine längere Auseinandersetzung mit dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer einstellen müssen. Das Parteiausschlussverfahren, das die Grünen in Baden-Württemberg gegen Palmer anstreben, könnte sich nach Angaben aus Parteikreisen zwischen drei und sechs Monaten hinziehen.
Grünen-Chef Robert Habeck bezeichnete das Verfahren am Montag als „unvermeidlich“, nachdem sich Palmer am Freitag auf seiner Facebook-Seite über den früheren Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo geäußert hatte. Habeck nannte das Posting „beleidigend und rassistisch“und „eines Oberbürgermeisters ungehörig“. Palmer versicherte, er habe mit seinem Posting keine Aufmerksamkeit erhaschen wollen und das Ausmaß der Empörung unterschätzt.
Habeck betonte, dass es wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen der Parteiführung und Palmer gekommen sei, immer wieder hatte der Oberbürgermeister mit Äußerungen etwa über Flüchtlinge provoziert. Habeck sagte, man habe „viele Worte gewechselt und viele Hände ausgestreckt“. Jetzt, da sind sich die Grünen in Baden-Württemberg weitgehend einig, ist jedoch das Maß voll. Habeck sieht in dem Verfahren, zu dessen Länge er sich nicht äußern wollte, eine Chance, den Streit nun über ein geordnetes Verfahren zu klären.
Doch es gibt Zweifel. „Nicht wenige bei uns sehen das Ausschlussverfahren als wenig hilfreich für uns an, gerade jetzt im Bundestagswahlkampf“, sagt ein Bundestagsabgeordneter. „Man hätte seine Entgleisung verurteilen, dann aber deeskalieren müssen. Das war eine Überreaktion seines Kreisverbands in Baden-Württemberg, die nicht zu Ende gedacht ist: Boris Palmer wird das Ausschlussverfahren gewinnen, weil es keine rechtliche Handhabe gibt, ihn wirklich auszuschließen“, so der Abgeordnete vom Realo-Flügel der Grünen. „Er wird einfach sagen, sein Posting war als ironische Satire gemeint, da lässt sich ihm juristisch keine schwerwiegende Verletzung der Satzungsregeln nachweisen.“
Der Landesvorstand Baden-Württemberg muss nun die Argumentation vorbereiten. Noch ist jedoch offen, wann das Gremium sich damit befassen kann und welchen Umfang die juristischen Vorwürfe haben werden. Inwiefern der Fall den Bundestagswahlkampf beeinflussen wird, wollte Habeck am Montag nicht bewerten. Er sagte dazu nur: „Wir hatten uns das vergangene Wochenende anders vorgestellt.“Und: „Wäre super gewesen, Boris hätte einfach geschwiegen und vielleicht mal zwei Jahre oder zwei Monate Facebook-Abstinenz walten lassen.“
„Boris Palmer wird das Ausschlussverfahren
gewinnen, weil es keine rechtliche
Handhabe gibt“
Abgeordneter vom Realo-Flügel