Rheinische Post - Xanten and Moers
„Ich weiß, dass ich liefern muss. Ich will so etwas nicht mehr erleben“
Pässe mit der unangestrengten Lässigkeit des großen Könners. Und er hat die Notwendigkeiten des Abwehrspiels begriffen, das im modernen Fußball keinen Angriffsspieler mehr ausschließt.
Damit hat er sich längst wieder die Anerkennung der eigenen Fans zurückerobert. Jubel und anerkennender Beifall sind an die Stelle der bösen Pfiffe getreten. Natürlich genießt Sané seine neue Rolle in der Gunst des Anhangs. „Ich weiß“, sagt er im Rückblick auf jenen Augusttag, „dass ich liefern muss. Ich will so etwas nicht mehr erleben.“
Einstweilen sieht es nicht danach aus – auch weil er zeitgleich mit der Entwicklung bei den Bayern in der Nationalmannschaft ebenfalls dieses andere, neue Gesicht vorstellte. Das liegt maßgeblich daran, dass ihn seine Trainer in eine neue Rolle befördert haben. Er rückte zunächst von der rechten auf die linke Seite, wo ihn seine Dribblings immer in die Mitte ziehen. Dort besetzt er, was die modernen Taktiklehrbücher „Halbräume“nennen. Nach einem mittlerweile sprichwörtlichen Satz, den der große Literaturkritiker Karl Heinz Bohrer über das Spiel von Günter Netzer schrieb („Er kam aus der Tiefe des Raumes“), kommt
Sané heute aus den für Abwehrspieler schwer zu ergründenden Untiefen des Halbraumes. Dort findet er Gelegenheit für seine ansatzlosen Sprints und für seine überraschenden Zuspiele.
Zuletzt hat er bei den Bayern eine zeitgenössische Version des Spielmachers gegeben. Dino Toppmöller, der zurzeit den erkrankten Cheftrainer Julian Nagelsmann vertritt, beschreibt sie so: „Leroy Sané spielt oft in den Halbräumen. Das macht er herausragend, weil er ein sehr guter Fußballer ist und auch sehr gut zwischen den Linien spielen kann.“Anders ausgedrückt: Sané entfaltet sein Spiel genau dort, wo die geometrische Planbarkeit für gegnerische Trainer und Abwehrspieler endet. So viele Linien können sie gar nicht aufzeichnen, dass sich Sané in der besten Form davon einfangen ließe.
Damit scheint der Sohn des ehemaligen Bundesligaspielers Souleymane Sané da angekommen zu sein, wo ihn die Verheißungen der Experten vor fünf Jahren bereits sahen. Das Versprechen auf eine große Zukunft war Manchester City eine Ablösesumme von 50 Millionen Euro an Schalke 04 wert. Zunächst gaben Sanés Leistungen dieser Einschätzung recht, zwischenzeitlich stieg sein Wert auf der Fußball-Börse derart, dass sich Interessenten auf eine Ablösesumme von 100 Millionen Euro einstellen mussten.
Dann riss er sich das Kreuzband, und seine Vorstellungen nach der Genesung passten Manchesters Trainer Pep Guardiola so wenig, dass er sich nicht großartig dagegen sträubte, Sané für 50 Millionen an den FC Bayern abzutreten. Nach einem eher enttäuschenden Jahr war die Geduld der Münchner fast schon aufgebraucht, als der Spieler dann doch in die Spur fand.
Irgendwann bald nach dem 22. August.
Leroy Sané über die Pfiffe gegen ihn