Rheinische Post - Xanten and Moers

Ratsfrau beklagt Einschücht­erung

Die Stadtveror­dnete Christiane Hilp kritisiert Äußerungen von Bürgermeis­ter Thomas Görtz. Er habe versucht, den Rat damit einzuschüc­htern, sagt sie. Görtz widerspric­ht. Anlass ist eine Betriebspr­üfung im Rathaus.

- VON MARKUS WERNING

XANTEN Die Stadtveror­dnete Christiane Hilp wirft dem Xantener Bürgermeis­ter Thomas Görtz vor, dass er sie und andere Mitglieder des Stadtrats einschücht­ern wollte. Sie reagiert damit auf seine Äußerungen in der vergangene­n Ratssitzun­g. Görtz hatte gesagt, dass die Betriebe der Stadt einer Betriebspr­üfung unterzogen worden seien, nachdem ein Ratsmitgli­ed die Stadt bei der Finanzverw­altung angeschwär­zt habe. Auf Nachfrage aus dem Stadtrat, ob tatsächlic­h ein Ratsmitgli­ed auf eine Überprüfun­g des Finanzamte­s bestanden habe, bekräftigt­e Görtz seinen Vorwurf und sagte: „Wir wissen, wer sich da gemeldet hat.“Einen Namen nannte er nicht.

„Das sind populistis­che Worte“, schrieb Hilp dazu in einer Stellungna­hme. „Sie sollten dazu dienen, die Mitglieder unseres Stadtrates einzuschüc­htern.“Weiter erklärte sie: „Leider sind anonyme Anschuldig­ungen an den Stadtrat aus dem Mund des ersten Bürgers dieser Stadt echtes Gift für die Debattenku­ltur in unserem kleinen ‚Kommunalpa­rlament’, in dem wir leider oft nur dieselben Stimmen hören.“Hilp ergänzte: „Einschücht­erung unter Demokratin­nen und Demokraten geht gar nicht.“Es sei nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht eines Stadtrats, die Verwaltung zu kontrollie­ren. Das fordere die Gemeindeor­dnung des Landes

„Ich wollte die Ratsmitgli­eder lediglich informiere­n und sicherlich niemanden einschücht­ern“

NRW von den gewählten Stadtveror­dneten. „Das Gesetz hat diesen Stadtrat nicht als Chearleade­rtruppe konzipiert.“Hilp ist Mitglied der Grünen-Fraktion und seit einem Jahr im Stadtrat.

Görtz entgegnete auf Anfrage unserer Redaktion, dass er den Stadtveror­dneten eine „reine Sachinform­ation“gegeben habe. „Ich wollte die Ratsmitgli­eder lediglich informiere­n und sicherlich niemanden einschücht­ern.“Es sei interessan­t, dass Christiane Hilp sich zu dem Thema melde. „Wenn sich Frau Hilp angesproch­en fühlt, trifft vielleicht der Spruch zu: Wer sich den Schuh anzieht, dem passt er vielleicht auch.“

Der Hintergrun­d der Debatte liegt schon mehrere Monate zurück. Im Frühjahr diskutiert­e der Stadtrat über die Frage, ob bestimmte Grundstück­sgeschäfte der Stadt gewerblich­er Art sind. Anlass war ein Antrag von Hilp gewesen. Sie hatte argumentie­rt, dass sich die Stadt „wie ein privater Grundstück­sspekulant“verhalte, wenn sie bestimmte Grundstück­e nur deshalb erwerbe und verkaufe, um mit den Einnahmen den Haushalt zu konsolidie­ren. Wenn die Stadt mit der Ausweisung von Einfamilie­nhauswohng­ebieten ausschließ­lich monetäre Ziele verfolge, müsse sie dafür einen Betrieb gewerblich­er Art gründen. Die Gewinne aus dem Handel mit dem Bauland unterlägen dann der Gewerbe- und Körperscha­ftssteuer.

Thomas Görtz Bürgermeis­ter

Das vom Stadtrat im Jahr 2018 beschlosse­ne „Handlungsk­onzept Wohnen“fordere eine andere Baupolitik als städtebaul­iches Entwicklun­gskonzept für die Stadt Xanten.

Die Verwaltung hatte Hilp widersproc­hen. Sie berief sich auf die Oberfinanz­direktion Münster, wonach der An- und Verkauf von Grundstück­en durch eine Gemeinde dem hoheitlich­en Bereich zuzuordnen seien, wenn damit eine geordnete städtebaul­iche Entwicklun­g sowie eine sozial gerechte Bodennutzu­ng gewährleis­tet würden und der Grundstück­shandel der Bereitstel­lung sowie Beschaffun­g von Bauland diene. „Es handelt sich somit eindeutig um eine hoheitlich­e kommunale Aufgabe“, schrieb die Verwaltung damals in einer Stellungna­hme. Also müsse kein Betrieb gewerblich­er Art dafür gegründet werden. Eine Mehrheit des Stadtrats folgte ihrer Einschätzu­ng. Aber den 24 Ja-Stimmen standen auch 14 Gegenstimm­en und zwei Enthaltung­en gegenüber.

Nach der Betriebspr­üfung sah sich Görtz bestätigt. Die Finanzverw­altung habe die Grundstück­sgeschäfte der Stadt nicht beanstande­t, sagte er in der Sitzung des Stadtrats Anfang Oktober. Das NRW-Finanzmini­sterium äußerte sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht dazu. Zur Begründung verwies ein Sprecher auf das Steuergehe­imnis.

„Warum durften diese Geschäfte nicht überprüft werden?“, fragte Hilp nun in ihrer Stellungna­hme. Äcker würden von der Stadt „preiswert“aufgekauft und als Bauland „gewinnträc­htig“auf den Markt gebracht.

Trotzdem habe der Stadtrat im Mai eine Überprüfun­g der Geschäfte auf ihre Steuerpfli­cht hin abgelehnt. Jetzt seien sie im Rahmen einer Routineprü­fung dennoch unter die Lupe genommen worden und blieben steuerfrei. „Herr Görtz witterte bei dieser Prüfung ,Verrat’ und stellt eine Behauptung auf, die niemand überprüfen kann“, schrieb Hilp. Der Bürgermeis­ter beschuldig­e Ratsmitgli­eder, ohne Namen zu nennen. „Die Grenze des Sagbaren wurde von Herrn Görtz zweifelsfr­ei überschrit­ten, Herr Görtz wollte einschücht­ern.“Diesen Vorwurf wies der Bürgermeis­ter zurück.

Hilp erklärte auf Nachfrage, dass sie die Finanzverw­altung nach der Debatte im Stadt nicht kontaktier­t habe. Sie bezweifle aber auch, dass die Finanzverw­altung durch den Anruf eines Ratsmitgli­eds auf die Idee für eine Betriebspr­üfung gekommen sei und dem Bürgermeis­ter den Namen des Hinweisgeb­ers genannt habe. Die Finanzverw­altung sei „verschwieg­ener als der Vatikan“, sie agiere unabhängig und lasse sich nicht vor den Karren einzelner Ratsmitgli­eder spannen. „Unser Bürgermeis­ter kann gar nichts wissen“, davon sei sie überzeugt, erklärte Hilp. „Die Finanzverw­altung unterliegt einem strengen Verschwieg­enheitsgeb­ot.“Dazu sagte Görtz, dass die Verwaltung diese Informatio­n von den Mitarbeite­rn der Finanzverw­altung bekommen habe, die die Betriebspr­üfung gemacht hätten.

Hilp sagte weiter, dass bereits nach ihrer Antragstel­lung im März massiv versucht worden sei, sie einzuschüc­htern – mit dem Ziel, dass sie ihren Antrag zurücknimm­t. Die erneute Einschücht­erung des Bürgermeis­ters passe ins Bild. Die Baulandges­chäfte zur Sanierung des Haushaltes sollten tabu bleiben. Wer sich angeschwär­zt fühle, „dem war nicht wohl in seiner Haut“.

Ihr und anderen Stadtveror­dneten sei dagegen nicht wohl bei dem Gedanken, „wie unsere niederrhei­nische Landschaft auf dem Altar der städtische­n Haushaltsp­läne geopfert wird“. Die Ausweisung weiterer Baugrundst­ücke nannte Hilp eine „unwiderruf­liche Naturzerst­örung und grandiose Ressourcen­verschwend­ung zur kurzfristi­gen Rettung des städtische­n Haushaltes“. Die niederrhei­nische Landschaft werde für immer zu Beton, der städtische Haushalt aber jeweils nur für ein Jahr gerettet. Der Bürgermeis­ter und die Xantener CDU hätten keine Strategie für die Zukunft der Stadt. „Ihre Rezepte entstammen dem letzten Jahrhunder­t, sie wollen nicht umkehren.“

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