Rheinische Post - Xanten and Moers
Ratsfrau beklagt Einschüchterung
Die Stadtverordnete Christiane Hilp kritisiert Äußerungen von Bürgermeister Thomas Görtz. Er habe versucht, den Rat damit einzuschüchtern, sagt sie. Görtz widerspricht. Anlass ist eine Betriebsprüfung im Rathaus.
XANTEN Die Stadtverordnete Christiane Hilp wirft dem Xantener Bürgermeister Thomas Görtz vor, dass er sie und andere Mitglieder des Stadtrats einschüchtern wollte. Sie reagiert damit auf seine Äußerungen in der vergangenen Ratssitzung. Görtz hatte gesagt, dass die Betriebe der Stadt einer Betriebsprüfung unterzogen worden seien, nachdem ein Ratsmitglied die Stadt bei der Finanzverwaltung angeschwärzt habe. Auf Nachfrage aus dem Stadtrat, ob tatsächlich ein Ratsmitglied auf eine Überprüfung des Finanzamtes bestanden habe, bekräftigte Görtz seinen Vorwurf und sagte: „Wir wissen, wer sich da gemeldet hat.“Einen Namen nannte er nicht.
„Das sind populistische Worte“, schrieb Hilp dazu in einer Stellungnahme. „Sie sollten dazu dienen, die Mitglieder unseres Stadtrates einzuschüchtern.“Weiter erklärte sie: „Leider sind anonyme Anschuldigungen an den Stadtrat aus dem Mund des ersten Bürgers dieser Stadt echtes Gift für die Debattenkultur in unserem kleinen ‚Kommunalparlament’, in dem wir leider oft nur dieselben Stimmen hören.“Hilp ergänzte: „Einschüchterung unter Demokratinnen und Demokraten geht gar nicht.“Es sei nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht eines Stadtrats, die Verwaltung zu kontrollieren. Das fordere die Gemeindeordnung des Landes
„Ich wollte die Ratsmitglieder lediglich informieren und sicherlich niemanden einschüchtern“
NRW von den gewählten Stadtverordneten. „Das Gesetz hat diesen Stadtrat nicht als Chearleadertruppe konzipiert.“Hilp ist Mitglied der Grünen-Fraktion und seit einem Jahr im Stadtrat.
Görtz entgegnete auf Anfrage unserer Redaktion, dass er den Stadtverordneten eine „reine Sachinformation“gegeben habe. „Ich wollte die Ratsmitglieder lediglich informieren und sicherlich niemanden einschüchtern.“Es sei interessant, dass Christiane Hilp sich zu dem Thema melde. „Wenn sich Frau Hilp angesprochen fühlt, trifft vielleicht der Spruch zu: Wer sich den Schuh anzieht, dem passt er vielleicht auch.“
Der Hintergrund der Debatte liegt schon mehrere Monate zurück. Im Frühjahr diskutierte der Stadtrat über die Frage, ob bestimmte Grundstücksgeschäfte der Stadt gewerblicher Art sind. Anlass war ein Antrag von Hilp gewesen. Sie hatte argumentiert, dass sich die Stadt „wie ein privater Grundstücksspekulant“verhalte, wenn sie bestimmte Grundstücke nur deshalb erwerbe und verkaufe, um mit den Einnahmen den Haushalt zu konsolidieren. Wenn die Stadt mit der Ausweisung von Einfamilienhauswohngebieten ausschließlich monetäre Ziele verfolge, müsse sie dafür einen Betrieb gewerblicher Art gründen. Die Gewinne aus dem Handel mit dem Bauland unterlägen dann der Gewerbe- und Körperschaftssteuer.
Thomas Görtz Bürgermeister
Das vom Stadtrat im Jahr 2018 beschlossene „Handlungskonzept Wohnen“fordere eine andere Baupolitik als städtebauliches Entwicklungskonzept für die Stadt Xanten.
Die Verwaltung hatte Hilp widersprochen. Sie berief sich auf die Oberfinanzdirektion Münster, wonach der An- und Verkauf von Grundstücken durch eine Gemeinde dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen seien, wenn damit eine geordnete städtebauliche Entwicklung sowie eine sozial gerechte Bodennutzung gewährleistet würden und der Grundstückshandel der Bereitstellung sowie Beschaffung von Bauland diene. „Es handelt sich somit eindeutig um eine hoheitliche kommunale Aufgabe“, schrieb die Verwaltung damals in einer Stellungnahme. Also müsse kein Betrieb gewerblicher Art dafür gegründet werden. Eine Mehrheit des Stadtrats folgte ihrer Einschätzung. Aber den 24 Ja-Stimmen standen auch 14 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen gegenüber.
Nach der Betriebsprüfung sah sich Görtz bestätigt. Die Finanzverwaltung habe die Grundstücksgeschäfte der Stadt nicht beanstandet, sagte er in der Sitzung des Stadtrats Anfang Oktober. Das NRW-Finanzministerium äußerte sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht dazu. Zur Begründung verwies ein Sprecher auf das Steuergeheimnis.
„Warum durften diese Geschäfte nicht überprüft werden?“, fragte Hilp nun in ihrer Stellungnahme. Äcker würden von der Stadt „preiswert“aufgekauft und als Bauland „gewinnträchtig“auf den Markt gebracht.
Trotzdem habe der Stadtrat im Mai eine Überprüfung der Geschäfte auf ihre Steuerpflicht hin abgelehnt. Jetzt seien sie im Rahmen einer Routineprüfung dennoch unter die Lupe genommen worden und blieben steuerfrei. „Herr Görtz witterte bei dieser Prüfung ,Verrat’ und stellt eine Behauptung auf, die niemand überprüfen kann“, schrieb Hilp. Der Bürgermeister beschuldige Ratsmitglieder, ohne Namen zu nennen. „Die Grenze des Sagbaren wurde von Herrn Görtz zweifelsfrei überschritten, Herr Görtz wollte einschüchtern.“Diesen Vorwurf wies der Bürgermeister zurück.
Hilp erklärte auf Nachfrage, dass sie die Finanzverwaltung nach der Debatte im Stadt nicht kontaktiert habe. Sie bezweifle aber auch, dass die Finanzverwaltung durch den Anruf eines Ratsmitglieds auf die Idee für eine Betriebsprüfung gekommen sei und dem Bürgermeister den Namen des Hinweisgebers genannt habe. Die Finanzverwaltung sei „verschwiegener als der Vatikan“, sie agiere unabhängig und lasse sich nicht vor den Karren einzelner Ratsmitglieder spannen. „Unser Bürgermeister kann gar nichts wissen“, davon sei sie überzeugt, erklärte Hilp. „Die Finanzverwaltung unterliegt einem strengen Verschwiegenheitsgebot.“Dazu sagte Görtz, dass die Verwaltung diese Information von den Mitarbeitern der Finanzverwaltung bekommen habe, die die Betriebsprüfung gemacht hätten.
Hilp sagte weiter, dass bereits nach ihrer Antragstellung im März massiv versucht worden sei, sie einzuschüchtern – mit dem Ziel, dass sie ihren Antrag zurücknimmt. Die erneute Einschüchterung des Bürgermeisters passe ins Bild. Die Baulandgeschäfte zur Sanierung des Haushaltes sollten tabu bleiben. Wer sich angeschwärzt fühle, „dem war nicht wohl in seiner Haut“.
Ihr und anderen Stadtverordneten sei dagegen nicht wohl bei dem Gedanken, „wie unsere niederrheinische Landschaft auf dem Altar der städtischen Haushaltspläne geopfert wird“. Die Ausweisung weiterer Baugrundstücke nannte Hilp eine „unwiderrufliche Naturzerstörung und grandiose Ressourcenverschwendung zur kurzfristigen Rettung des städtischen Haushaltes“. Die niederrheinische Landschaft werde für immer zu Beton, der städtische Haushalt aber jeweils nur für ein Jahr gerettet. Der Bürgermeister und die Xantener CDU hätten keine Strategie für die Zukunft der Stadt. „Ihre Rezepte entstammen dem letzten Jahrhundert, sie wollen nicht umkehren.“