Rheinische Post - Xanten and Moers

Als Sonsbeck in Trümmern lag

Mit Corona-Verspätung: Der Verein für Denkmalpfl­ege erinnert jetzt mit einer Ausstellun­g an das Ende des Krieges vor „75+1 Jahren“. Eröffnet wird sie am Mittwoch mit einer Filmpremie­re im Kastell. Zeitzeugen erzählen ihre Erinnerung­en.

- VON ERWIN KOHL

SONSBECK Eigentlich wollte der Sonsbecker Verein für Denkmalpfl­ege bereits im vorigen Jahr mit einer Ausstellun­g ans Kriegsende vor 75 Jahren erinnern. Doch Corona machte den Planern einen Strich durch die Rechnung. Aufgeben wollten sie ihr Vorhaben aber auf keinen Fall. So lautet der Titel der Ausstellun­g, die am Mittwoch, 27. Oktober, um 19.30 Uhr im Kastell mit einer Filmpremie­re offiziell eröffnet wird, „75+1 Jahre Freiheit“. Zu besichtige­n sind Exponate und Fotos aus dem Zweiten Weltkrieg von Freitag, 29. Oktober, an bis zum 21. November im Haus Schiffer an der Hochstraße.

„Es ist vielleicht die letzte Chance, Erinnerung­en von Zeitzeugen

zu konservier­en“

Christina Grütters Verein für Denkmalpfl­ege

Das hat die Gemeinde dem Verein für diese Zeit der Ausstellun­g kostenlos zur Verfügung gestellt. Lebendig wird dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte durch zahlreiche Interviews mit örtlichen Zeitzeugen, die im Sonsbecker Tonstudio von Veit Scheuerman­n bearbeitet worden und in einem kleinen Kinoraum zu sehen sind.

„Es ist vielleicht die letzte Chance, die Erinnerung­en der Zeitzeugen zu konservier­en. Wir haben die Chance ergriffen und Menschen zu Wort kommen lassen, die etwas berichten konnten und wollten“, erklärt Christiane Grütters. Wie nah auch Sonsbeck am Abgrund gestanden hat, wird anhand von Luftaufnah­men deutlich, die von britischen Bomberpilo­ten aus sieben Kilometern Höhe gemacht worden sind.

Eine dieser Aufnahmen ist stark vergrößert auf dem Boden ausgelegt. Deutlich zu erkennen sind die langgezoge­nen Gräben rund um den Ort, die Panzer abhalten sollten. Doch gerade diese Verteidigu­ngsanlage dürfte am Ende der Grund für die Bombardier­ung Sonsbecks gewesen sein, vermutet David Riedel: „Aus der Luft sah der Ort wie eine große Festungsan­lage aus.“

Neben den Luftaufnah­men ist die sehenswert­e Ausstellun­g in die Themenbere­iche „Alltag im Krieg“sowie „vorher, während, nachher“unterglied­ert. Aus rund 1000 alten Postkarten haben die Denkmalpfl­eger Gebäude herausgesu­cht, die bei den Bombenangr­iffen zerstört worden sind, die Trümmerbil­der darunter gehängt und darunter wiederum Aufnahmen der Häuser, die sich heute dort befinden.

Panzerkart­uschen, Stahlhelme und andere Ausstellun­gsstücke helfen dabei, sich in diese Zeit zurückzuve­rsetzen. Feldpostbr­iefe, Karten und Telegramme von Soldaten, die ihre Heimat nie mehr sehen sollten, sorgen für ein hohes Maß an Authentizi­tät

und für ein Gefühl der Beklemmung. „Werde heute versetzt, Nachricht folgt. Reinhard“, lautet die möglicherw­eise letzte Mitteilung eines Mannes an seine Familie. Einen Eindruck davon, welche Ängste die Menschen durchstehe­n mussten, erhalten die Besucher an der Treppe zum Keller. Eine diffuse Beleuchtun­g und die Geräuschku­lisse eines Bombenhage­ls sorgen für Gänsehaut.

Im Wintergart­en hat Dietrich von Quistor eine Sammlung von 188 Totenzette­ln ausgestell­t. „Es handelt sich bei den Verstorben­en überwiegen­d um Soldaten aus Sonsbeck, die im Krieg gefallen sind“, erläutert

von Quistor. „Wir haben die Tafeln bewusst im Halbrund aufgestell­t, um den Leuten das Gefühl zu geben, mittendrin zu sein.“Weil vermutlich viele Sonsbecker Großväter oder Onkel verloren haben, liegt für die eine Namenslist­e aus, mit deren Hilfe sich der entspreche­nde Totenzette­l leicht finden lässt.

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RP-FOTOS: FISCHER Die Ausstellun­gsmacher: Christiane Grütters (Mitte), Michael Hubbel (v.l.), David Riedel, Thomas Grütters, Heinz-Peter Kamps und Viktor Ingendae.
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Unter dem Soldaten-Bild ist der Turmhahn von St. Maria Magdalena.

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