Rheinische Post - Xanten and Moers
Der Windkraft läuft die Zeit davon
Das Energieministerium in NRW lässt auf mehrere angekündigte Neuregelungen zum Ausbau der Erneuerbaren warten. Für die Genehmigung neuer Windräder sollen künftig wenige zentrale Stellen im Land zuständig sein.
DÜSSELDORF Noch vor dem Herbst wollte die schwarz-grüne Landesregierung einen Erlass veröffentlichen, der die erneuerbaren Energien im Land voranbringt. So steht es im Koalitionsvertrag. Es geht um Windräder auf Flächen im Wald, die Sturm und Borkenkäfer kahlgeschlagen haben, und um mehr große Fotovoltaikanlagen, wo Platz dafür ist. Eine Antwort dazu, wann genau es wohl so weit sein wird, liefert das Klima- und Energieministerium von Mona Neubaur (Grüne) bis heute nicht. Seit ihrer Arbeitsaufnahme kündigt die Regierung zudem „zeitnah“eine „Taskforce ,Ausbaubeschleunigung’“an, die sich darum kümmern soll, dass Windräder deutlich zügiger gebaut werden können. Die Genehmigungsverfahren sollen „vereinfacht, digitalisiert und auf wenige zentrale Stellen im Land konzentriert“werden, erklärt das Ministerium konkrete Ziele.
Letzteres könnte vielleicht in einem wichtigen Punkt für etwas mehr
Klarheit sorgen. Ziel der Landesregierung sind bekanntlich 1000 neue Windräder für NRW in den nächsten fünf Jahren. Derzeit kann sie aber gar keine Prognose dazu liefern, wie weit man bei den Erneuerbaren im kommenden Jahr oder auch nur bis zum Ende 2022 noch vorankommen wird. Informationen zum laufenden Bau neuer Windkraft- und Fotovoltaikanlagen oder zu angestoßenen Planungen würden nicht zentral erfasst, begründet das Ministerium dies.
Ans Netz gegangen sind in NRW laut fortlaufender Statistik des Branchendienstes „Windbranche“, der Zahlen der Bundesnetzagentur erfasst, in diesem Jahr bis Ende August 55 neue Windräder mit insgesamt rund 222 Megawatt Leistung. Bei den Fotovoltaikanlagen waren es rund 45.300 Anlagen mit insgesamt 576,5 Megawatt Leistung.
Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) pocht darauf, dass das lange nicht reiche: Die von Schwarz-Grün angekündigten Neuregelungen müssten jetzt zügig kommen. An Unterstützung durch private Akteure würde es womöglich nicht mangeln: „In NRW ist ein Drittel des Fichtenbestandes durch Borkenkäfer zerstört“, so der LEE-Vorsitzende Reiner Priggen. Das biete großes Potenzial für Windräder. „Viele Waldbauern warten darauf, weil die Situation für sie so bedrohlich ist.“Auch gebe es Rückmeldungen von Betrieben, die Interesse an Windkraft in Industrieund Gewerbegebieten hätten.
Genehmigungen müssten wirklich viel schneller werden: „Wenn alles wirklich gut läuft, brauchen wir heute vier bis fünf Jahre, bis die Anlagen stehen.“Und schon mit der geplanten Abschaffung der 1000-Meter-Abstandsregel zunächst mal beim „Repowering“– das meint den Ersatz älterer Windräder durch leistungsfähigere neue – wäre man „einen großen Schritt weiter, denn ein Großteil der NRW-Anlagen sind alte Anlagen“. Auch, wann aus der dazu nötigen lange angekündigten Änderung etwas wird, ist offen. Priggen drängt: „Wir brauchen jetzt jeden Standort, wir können es uns nicht leisten, wer weiß wie lange zu warten.“
Einen Kabinettsbeschluss zum neuen Landesentwicklungsplan, der mit gelockerten Regelungen deutlich mehr Flächen für erneuerbare Energien vorsehen soll, strebt das Energieministerium für März 2023 an. Bis Mai 2024 soll die Planung dann laut gegenwärtigem Zeitplan rechtswirksam werden.
Die politische Opposition wirft der Landesregierung mangelnden
Ehrgeiz vor. Es sei „nicht verständlich, wieso die neue Landesregierung von CDU und Grünen bei der Abschaffung der pauschalen Abstandsregeln der Windenergieanlagen nur scheibchenweise vorgeht“, kritisierte André Stinka, Sprecher für Energiepolitik der SPD im Landtag. Und fügte hinzu: „Die Landesregierung bleibt noch heute Klarheit schuldig, wie die Ziele des Windkraftausbaus im Rahmen der Regionalplanung rechtssicher umgesetzt werden sollen.“Die SPD fordere die schwarz-grüne Landesregierung dazu auf, das bis Ende Oktober zu ändern.
Wenn erst 2024 der Entwurf eines neuen Landesentwicklungsplans eingebracht wird, werde die Umsetzung in die jeweiligen Regionalpläne viel Zeit in Anspruch nehmen, ergänzte der energiepolitische Sprecher der FDP, Dietmar Brockes. „Neue Maßnahmen werden erst in vielen Jahren tatsächlich wirken. Das ist Zeit, die wir einfach nicht mehr haben.“