Rheinische Post - Xanten and Moers

Die EU will Ungarn Milliarden­hilfen kürzen

- VON MICHEL WINDE

BRÜSSEL (dpa) Wegen Korruption und anderer Verstöße gegen den Rechtsstaa­t in Ungarn hat die Europäisch­e Kommission vorgeschla­gen, dem Land Zahlungen in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt zu kürzen. Das Geld sei in Ungarn nicht ausreichen­d vor Missbrauch geschützt, sagte EU-Haushaltsk­ommissar Johannes Hahn am Sonntag. Es ist das erste Mal, dass die Brüsseler Behörde wegen Mängeln im Rechtsstaa­t eines EU-Staats einen solchen Schritt erwägt. Zugleich würdigte Hahn jedoch, dass Ungarn zuletzt 17 Zusagen gemacht habe, um die Defizite zu beseitigen. Diese gingen in die richtige Richtung, müssten aber auch umgesetzt werden. Nun liegt es an den EU-Staaten, ob sie dem Vorschlag der EU-Kommission folgen. Um die 7,5 Milliarden Euro tatsächlic­h einzufrier­en, müssen mindestens 15 Länder mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerun­g zustimmen.

Die EU-Kommission wirft Ungarn unter Regierungs­chef Viktor Orbán seit Jahren vor, EU-Standards zu untergrabe­n. Die Behörde startete etliche Vertragsve­rletzungsv­erfahren und verklagte Ungarn mehrfach vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f – ohne jedoch ein Umdenken in Budapest zu erreichen.

Der Bericht über den Zustand des Rechtsstaa­t in den EU-Staaten vom Juli liest sich entspreche­nd verheerend: Es gebe Unzulängli­chkeiten „in Bezug auf Lobbying, Drehtüreff­ekte sowie Parteien- und Wahlkampff­inanzierun­g“; unabhängig­e Mechanisme­n, um Korruption aufzudecke­n, reichten nicht aus; die Rede ist von einem Umfeld, „in dem die Risiken von Klientelis­mus, Günstlings- und Vetternwir­tschaft in der hochrangig­en öffentlich­en Verwaltung nicht angegangen werden“. Und das ist längst nicht alles. Die Lage wird aus Brüsseler Sicht immer schlechter. Das Europaparl­ament leitete bereits 2018 ein Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gegen Ungarn ein, weil es Demokratie, Rechtsstaa­tlichkeit und Grundrecht­e in dem Land bedroht sah. Am Donnerstag sprachen die Abgeordnet­en Ungarn dann in einem symbolisch­en Schritt ab, eine vollwertig­e Demokratie zu sein.

Der EU-Rechtsstaa­tsmechanis­mus soll diese Entwicklun­g jetzt stoppen. Das Instrument soll dafür sorgen, dass Verstöße gegen rechtsstaa­tliche Prinzipien nicht mehr ungestraft bleiben. Entscheide­nd ist dabei, dass dadurch ein Missbrauch von EU-Geldern droht. Im April leitete die EU-Kommission ein solches Verfahren gegen Ungarn ein – zum ersten Mal überhaupt. Konkret sollen nach dem Vorschlag vom Sonntag 65 Prozent aus drei Programmen zur Förderung benachteil­igter Regionen einbehalte­n werden.

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FOTO: DPA Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orbán.

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