Rheinische Post - Xanten and Moers
Zeitplan für Entlastung der Städte wackelt
Schwarz-Grün in NRW hat versprochen, bis Jahresende mit dem Bund eine Lösung für die überschuldeten Städte und Gemeinden zu verabreden – oder selbst tätig zu werden. Gespräche gab es zwar, ein Weg zeichnet sich aber nicht ab.
DÜSSELDORF Die Lösung des Problems der Altschulden der nordrhein-westfälischen Kommunen, die das Land mit dem Bund anstrebt, wird bis Ende des Jahres nicht mehr zustandekommen. Das geht aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage unserer Redaktion hervor. Gleichwohl will das Land weiter Gespräche mit dem Bund führen und vorerst nicht – wie ursprünglich zugesagt – eine eigenständige Lösung auf den Weg bringen.
In ihrem Koalitionsvertrag hatten CDU und Grüne festgehalten, die vom Bund angekündigte einmalige Kraftanstrengung zur Entlastung der Kommunen von ihren Altschulden müsse unmittelbar erfolgen: „Zu diesem Zweck werden wir noch in diesem Jahr gemeinsam mit dem Bund eine Lösung vereinbaren.“Sollte der Bund seiner Verantwortung nicht nachkommen, bekenne man sich dazu, 2023 selbst eine Lösung herzustellen und dafür einen Altschuldenfonds einzurichten, der für die Kommunen substanzielle Entlastung bringe. Die Zeit drängt, denn die Kassenkredite – vereinfacht gesprochen: die Dispokredite – der Städte und Gemeinden haben keine lange Zinsbindung. Die absehbar steigenden Zinsen sind damit ein Problem.
Nach Angaben des NRW-Kommunalministeriums hat am 11. November ein erstes Gespräch von Ressortchefin Ina Scharrenbach und Finanzminister Marcus Optendrenk (beide CDU) mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stattgefunden. „Bei diesem Treffen ist die Einsetzung einer Arbeitsgruppe verabredet worden, um sich intensiver mit möglichen Handlungsoptionen zu befassen.“Die Arbeitsgruppe habe ihre Arbeit noch im November aufgenommen; sie werde im kommenden Jahr fortgesetzt. „Die Gespräche laufen konstruktiv.“
Die Opposition wirft der Ministerin nun vor, das Problem nicht ernst zu nehmen. „Wenn die Landesregierung weiter untätig bleibt, brauchen die Kommunen noch 200 Jahre, bis sie den Schuldenberg abgetragen haben“, sagte Justus Moor, kommunalpolitischer Sprecher der SPDFraktion. Die Landesregierung lasse die Kommunen sehenden Auges in die Katastrophe laufen. „Während andere Bundesländer wie das Saarland, Hessen und Rheinland-Pfalz in der Niedrigzinsphase längst eigene Altschulden-Programme aufgelegt haben, gibt es in NRW rein gar nichts – außer einem Arbeitskreis in Berlin“, so Moor.
Zugleich kritisierte er, dass das Land quasi die Aufnahme „neuer Altschulden“in unbegrenzter Höhe durch die Isolierung der Coronaund Energiekrisenkosten in kommunalen Haushalten gestatte. „Das ist das Gegenteil von solider Finanzpolitik. Auch im Landesetat für das kommende Jahr hat Schwarz-Grün wieder keinen einzigen Cent für die Altschuldenlösung eingestellt.“
Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“bezeichnete die Lage als angespannt: „Die Situation in den finanzschwachen Kommunen verschlechtert sich dramatisch“, sagte Sprecher Johannes Slawig. Städte und Gemeinden hätten mit großen Kraftanstrengungen ihre Haushaltssituation verbessert; diese Erfolge würden nun zunichte gemacht. „Die Inflation, die steigenden Bau- und Energiepreise, höhere Zinsen, wachsende Sozialausgaben, die Folgen der Pandemie und des Ukraine-Kriegs – all das bringt die Kommunen in eine Situation, in der zu den Altschulden nun auch Neuschulden kommen. Die Altschuldenlösung
muss deshalb mit einer auskömmlichen Finanzausstattung der Kommunen verbunden sein.“
Nach Slawigs Angaben kommt aufgrund der steigenden Zinslast allein auf die Kommunen des Aktionsbündnisses im Ruhrgebiet und im Bergischen Land bis 2026 eine Mehrbelastung von mehr als 100 Millionen Euro zu. Er fügte hinzu: „Um Fortschritte in den kommunalen Haushalten zu erzielen, haben viele Städte Investitionen aufgeschoben. Das ist an vielen Stellen nicht länger möglich, weil sonst öffentliches Eigentum erheblichen Schaden nimmt oder verloren geht.“
Zugleich zeigte sich der frühere Stadtdirektor von Wuppertal allerdings optimistischer als die Opposition: „Wir hoffen auf eine Lösung mit dem Bund – und im Falle eines Scheiterns der Gespräche erwarten wir eine umfassende und nachhaltige Lösung auf Landesebene. Wir haben aktuell keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass eine Landeslösung wie angekündigt am 1. Januar 2024 in Kraft tritt.“