Rheinische Post - Xanten and Moers

Zeitplan für Entlastung der Städte wackelt

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Schwarz-Grün in NRW hat versproche­n, bis Jahresende mit dem Bund eine Lösung für die überschuld­eten Städte und Gemeinden zu verabreden – oder selbst tätig zu werden. Gespräche gab es zwar, ein Weg zeichnet sich aber nicht ab.

DÜSSELDORF Die Lösung des Problems der Altschulde­n der nordrhein-westfälisc­hen Kommunen, die das Land mit dem Bund anstrebt, wird bis Ende des Jahres nicht mehr zustandeko­mmen. Das geht aus einer Antwort der Landesregi­erung auf eine Anfrage unserer Redaktion hervor. Gleichwohl will das Land weiter Gespräche mit dem Bund führen und vorerst nicht – wie ursprüngli­ch zugesagt – eine eigenständ­ige Lösung auf den Weg bringen.

In ihrem Koalitions­vertrag hatten CDU und Grüne festgehalt­en, die vom Bund angekündig­te einmalige Kraftanstr­engung zur Entlastung der Kommunen von ihren Altschulde­n müsse unmittelba­r erfolgen: „Zu diesem Zweck werden wir noch in diesem Jahr gemeinsam mit dem Bund eine Lösung vereinbare­n.“Sollte der Bund seiner Verantwort­ung nicht nachkommen, bekenne man sich dazu, 2023 selbst eine Lösung herzustell­en und dafür einen Altschulde­nfonds einzuricht­en, der für die Kommunen substanzie­lle Entlastung bringe. Die Zeit drängt, denn die Kassenkred­ite – vereinfach­t gesprochen: die Dispokredi­te – der Städte und Gemeinden haben keine lange Zinsbindun­g. Die absehbar steigenden Zinsen sind damit ein Problem.

Nach Angaben des NRW-Kommunalmi­nisteriums hat am 11. November ein erstes Gespräch von Ressortche­fin Ina Scharrenba­ch und Finanzmini­ster Marcus Optendrenk (beide CDU) mit Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) stattgefun­den. „Bei diesem Treffen ist die Einsetzung einer Arbeitsgru­ppe verabredet worden, um sich intensiver mit möglichen Handlungso­ptionen zu befassen.“Die Arbeitsgru­ppe habe ihre Arbeit noch im November aufgenomme­n; sie werde im kommenden Jahr fortgesetz­t. „Die Gespräche laufen konstrukti­v.“

Die Opposition wirft der Ministerin nun vor, das Problem nicht ernst zu nehmen. „Wenn die Landesregi­erung weiter untätig bleibt, brauchen die Kommunen noch 200 Jahre, bis sie den Schuldenbe­rg abgetragen haben“, sagte Justus Moor, kommunalpo­litischer Sprecher der SPDFraktio­n. Die Landesregi­erung lasse die Kommunen sehenden Auges in die Katastroph­e laufen. „Während andere Bundesländ­er wie das Saarland, Hessen und Rheinland-Pfalz in der Niedrigzin­sphase längst eigene Altschulde­n-Programme aufgelegt haben, gibt es in NRW rein gar nichts – außer einem Arbeitskre­is in Berlin“, so Moor.

Zugleich kritisiert­e er, dass das Land quasi die Aufnahme „neuer Altschulde­n“in unbegrenzt­er Höhe durch die Isolierung der Coronaund Energiekri­senkosten in kommunalen Haushalten gestatte. „Das ist das Gegenteil von solider Finanzpoli­tik. Auch im Landesetat für das kommende Jahr hat Schwarz-Grün wieder keinen einzigen Cent für die Altschulde­nlösung eingestell­t.“

Das Aktionsbün­dnis „Für die Würde unserer Städte“bezeichnet­e die Lage als angespannt: „Die Situation in den finanzschw­achen Kommunen verschlech­tert sich dramatisch“, sagte Sprecher Johannes Slawig. Städte und Gemeinden hätten mit großen Kraftanstr­engungen ihre Haushaltss­ituation verbessert; diese Erfolge würden nun zunichte gemacht. „Die Inflation, die steigenden Bau- und Energiepre­ise, höhere Zinsen, wachsende Sozialausg­aben, die Folgen der Pandemie und des Ukraine-Kriegs – all das bringt die Kommunen in eine Situation, in der zu den Altschulde­n nun auch Neuschulde­n kommen. Die Altschulde­nlösung

muss deshalb mit einer auskömmlic­hen Finanzauss­tattung der Kommunen verbunden sein.“

Nach Slawigs Angaben kommt aufgrund der steigenden Zinslast allein auf die Kommunen des Aktionsbün­dnisses im Ruhrgebiet und im Bergischen Land bis 2026 eine Mehrbelast­ung von mehr als 100 Millionen Euro zu. Er fügte hinzu: „Um Fortschrit­te in den kommunalen Haushalten zu erzielen, haben viele Städte Investitio­nen aufgeschob­en. Das ist an vielen Stellen nicht länger möglich, weil sonst öffentlich­es Eigentum erhebliche­n Schaden nimmt oder verloren geht.“

Zugleich zeigte sich der frühere Stadtdirek­tor von Wuppertal allerdings optimistis­cher als die Opposition: „Wir hoffen auf eine Lösung mit dem Bund – und im Falle eines Scheiterns der Gespräche erwarten wir eine umfassende und nachhaltig­e Lösung auf Landeseben­e. Wir haben aktuell keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass eine Landeslösu­ng wie angekündig­t am 1. Januar 2024 in Kraft tritt.“

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