Rheinische Post - Xanten and Moers

Selenskyj braucht die Republikan­er

- VON THOMAS SPANG

Der Präsident der Ukraine hat in Washington alle Register gezogen. Mit großer Kunstferti­gkeit warb Wolodymyr Selenskyj in den USA um Unterstütz­ung für sein Land. Er hatte verstanden, wer bei seinem Überraschu­ngsbesuch vor Weihnachte­n sein eigentlich­er Adressat war. Das war nicht Präsident Joe Biden, der nicht davon überzeugt werden musste, dass in der Ukraine Demokratie und Freiheit gegen einen brutalen Aggressor verteidigt werden. Dessen öffentlich­es Verspreche­n, dem überfallen­en Land „so lange wie nötig“beizustehe­n, war wichtig, kam aber nicht unerwartet. Erfüllen kann es Biden aber nur, wenn der gemeinsame Durchhalte­willen des Westens und die überpartei­liche Unterstütz­ung in den USA erhalten bleiben.

Vor allem daheim zeigen sich erste Risse. Die Zusage über das Patriot-Luftabwehr­system und das 45-Milliarden-Dollar-Hilfspaket im Haushalt für das kommende Jahr dürfen nicht darüber hinwegtäus­chen, dass es demnächst schwierige­r wird, Geld für die Ukraine im Kongress lockerzuma­chen. Die künftige republikan­ische Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus ist so knapp, dass die rechten Isolationi­sten ein übergroßes Gewicht bekommen. Sie wollen die Militärhil­fe nicht bloß hinterfrag­en, sondern lieber komplett streichen und das Geld in den USA ausgeben.

Selenskyj appelliert deshalb geschickt an das Eigeninter­esse der Amerikaner: Die bereitgest­ellten Mittel seien keine Wohltätigk­eit für andere, sondern eine Investitio­n in die nationale Sicherheit. Er brachte in Washington auch den bei Konservati­ven beliebten Winston Churchill ins Spiel. Ob das reichen wird, die überpartei­liche Unterstütz­ung für die Ukraine zu erhalten, wird sich beim nächsten Streit um den Haushalt erweisen. Wolodymyr Selenskyj muss einstweile­n hoffen, bei genügend Republikan­ern einen guten Eindruck hinterlass­en zu haben.

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