Rheinische Post - Xanten and Moers
Selenskyj braucht die Republikaner
Der Präsident der Ukraine hat in Washington alle Register gezogen. Mit großer Kunstfertigkeit warb Wolodymyr Selenskyj in den USA um Unterstützung für sein Land. Er hatte verstanden, wer bei seinem Überraschungsbesuch vor Weihnachten sein eigentlicher Adressat war. Das war nicht Präsident Joe Biden, der nicht davon überzeugt werden musste, dass in der Ukraine Demokratie und Freiheit gegen einen brutalen Aggressor verteidigt werden. Dessen öffentliches Versprechen, dem überfallenen Land „so lange wie nötig“beizustehen, war wichtig, kam aber nicht unerwartet. Erfüllen kann es Biden aber nur, wenn der gemeinsame Durchhaltewillen des Westens und die überparteiliche Unterstützung in den USA erhalten bleiben.
Vor allem daheim zeigen sich erste Risse. Die Zusage über das Patriot-Luftabwehrsystem und das 45-Milliarden-Dollar-Hilfspaket im Haushalt für das kommende Jahr dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es demnächst schwieriger wird, Geld für die Ukraine im Kongress lockerzumachen. Die künftige republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus ist so knapp, dass die rechten Isolationisten ein übergroßes Gewicht bekommen. Sie wollen die Militärhilfe nicht bloß hinterfragen, sondern lieber komplett streichen und das Geld in den USA ausgeben.
Selenskyj appelliert deshalb geschickt an das Eigeninteresse der Amerikaner: Die bereitgestellten Mittel seien keine Wohltätigkeit für andere, sondern eine Investition in die nationale Sicherheit. Er brachte in Washington auch den bei Konservativen beliebten Winston Churchill ins Spiel. Ob das reichen wird, die überparteiliche Unterstützung für die Ukraine zu erhalten, wird sich beim nächsten Streit um den Haushalt erweisen. Wolodymyr Selenskyj muss einstweilen hoffen, bei genügend Republikanern einen guten Eindruck hinterlassen zu haben.