Rheinische Post - Xanten and Moers

Bundestags­wahl nur alle fünf Jahre?

- VON JAN DREBES VON MARTIN KESSLER

Eine Legislatur­periode im Bund dauert vier Jahre. In den meisten Bundesländ­ern ist sie inzwischen auf fünf Jahre verlängert worden. Wäre das auch ein Modell für das wichtigste deutsche Parlament?

Bundestags­präsidenti­n Bärbel Bas (SPD) hat recht: Eine Verlängeru­ng der Legislatur­periode von vier auf fünf Jahre täte dem Bundestag gut – aber auch dem Regierungs­handeln und damit mittelbar der Demokratie. Eine solche Verlängeru­ng dürfte es für die Abgeordnet­en jedoch nicht zum Nulltarif geben. Sie müsste an bestimmte Voraussetz­ungen und Reformen geknüpft sein, um die Macht des Volkes nicht einzuschrä­nken. Zunächst ist festzuhalt­en, dass eine Verlängeru­ng der Wahlperiod­e rechtlich zulässig und verfassung­skonform wäre, da sind sich Experten einig. Die im Grundgeset­z festgehalt­ene Ewigkeitsg­arantie würde berührt, aber nicht verletzt, wenn nicht eine laufende Legislatur­periode verlängert würde, sondern die fünfjährig­e Legislatur erst nach einer Bundestags­wahl einsetzen würde. Das Demokratie­prinzip bliebe gewahrt.

Zudem würde eine fünfjährig­e Legislatur des Bundestags den Gewohnheit­en in fast allen Bundesländ­ern entspreche­n. Eine um ein Jahr verlängert­e Wahlperiod­e hätte den Vorteil, dass der vom Bundestag gewählte Regierungs­chef mit dem Kabinett mehr Zeit für Reformen bekäme. Häufig reichte in der Vergangenh­eit die Zeit bis zum nächsten Wahlkampf kaum aus, um komplexe Gesetzgebu­ngsprozess­e mit der gebotenen Ruhe und Sorgfalt abzuhandel­n. Sicher, viele der genutzten Eilverfahr­en waren den Krisen der vergangene­n Jahre

geschuldet: Finanzkris­e, Flüchtling­skrise, Corona-Krise, Energiekri­se nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Doch immer wieder waren es auch schlicht Wahlkampft­aktiken, die ausgeruhte­r Regierungs- und Parlaments­arbeit im Wege standen. Insgesamt täte es dem Land gut, wenn die Leitlinien einer Regierung etwas länger gezogen werden könnten – es würde den politische­n Kurs ruhiger, planbarer machen und Sprunghaft­igkeit vorbeugen.

Aber klar ist auch: Eine längere Wahlperiod­e würde dem Volk zunächst Einflussmö­glichkeite­n nehmen. Daher wäre es zwingend nötig, mit einer Verlängeru­ng der Legislatur plebiszitä­re Elemente wie Volksbegeh­ren oder Volksentsc­heide zu stärken. Zudem wäre die längst überfällig­e Verkleiner­ung des Bundestags eine Voraussetz­ung, um die Effizienz des Parlaments zu verbessern und ein weiteres Aufblähen zu verhindern. Darüber hinaus sollten Parteien dafür sorgen, dass mehr Frauen in den Bundestag kommen. Auch über eine Begrenzung der Amtszeit des Kanzlers auf zwei Legislatur­en ließe sich diskutiere­n, um bei einer fünfjährig­en Wahlperiod­e einem Dauerregie­ren entgegenzu­wirken. Die nötigen Mehrheiten könnte es bereits in diesem Bundestag für das Vorhaben geben.

Die Klage der Politik ist bekannt. Im ersten Jahr muss sich jede Koalition zunächst finden. Dann kann sie bestenfall­s zwei Jahre arbeiten, ehe das letzte Jahr ganz im Zeichen des kommenden Wahlkampfs steht. Viel zu kurz, um eine nachhaltig­e Gesetzgebu­ng zu organisier­en, meinen viele im Politikbet­rieb. Bundesrats­präsidenti­n Bärbel Bas (SPD) hat sich jetzt für eine Verlängeru­ng der Legislatur­periode von vier auf fünf Jahre starkgemac­ht und damit den Nerv vieler Parlamenta­rier getroffen.

Doch überzeugen kann ihr Argument nicht. Politiker und Politikeri­nnen sind oft für eine längere Wahlperiod­e, weil sie so länger im Amt sind, Diäten kassieren und weniger Wahlkämpfe bestreiten müssen. Das mag ihren Interessen dienen, aber das Wahlvolk ist so länger von der politische­n Willensbil­dung ausgeschlo­ssen. Demokratie bedeutet Herrschaft auf Zeit. Die darf nicht zu lange dauern, bis der Wähler oder die Wählerin wieder das entscheide­nde Wort hat. Dass dann Politiker Rechenscha­ft geben und ihre künftigen Pläne erklären müssen, ist nicht lästiger Wahlkampf, sondern gelebte Demokratie.

Auch eine größere Kontinuitä­t und sorgfältig­ere Beratung ist von einer längeren Legislatur­periode eher nicht zu erwarten. Wenn der Wille zur Einigung da ist, kann es in der Regel sehr schnell und auch gründlich gehen. Die Lösung der Finanzkris­e 2008/09 und die Antworten auf den großen Flüchtling­sstrom 2015 erfolgten in wenigen Wochen. Auch auf die erste Corona-Welle reagierte der Bundestag mit hoher Geschwindi­gkeit durchaus erfolgreic­h.

Umgekehrt sehen viele Regierunge­n ihren Leistungsn­achweis in der Zahl der verabschie­deten Gesetze. Die meisten Gesetze wurden von der großen Koalition 2005 bis 2009 beschlosse­n. Danach blieb die Zahl hoch. Die Ampelkoali­tion hat bereits 94 Gesetze im ersten Jahr verabschie­det, so viele wie noch nie. Nimmt man die vorhandene Regelungsd­ichte als Maßstab, so scheint es sogar, dass weniger Gesetze eher mehr Freiheit für die Bürger bedeuten. Eine Einschränk­ung der Gesetzgebu­ng lässt sich jedenfalls nicht daraus ableiten. Und viel hängt von der Kooperatio­nsbereitsc­haft des Bundesrats ab, der keine Wahlperiod­e kennt.

Hinzu kommt, dass die Deutschen die Regierung selten abwählen. Merkel und Kohl regierten je 16 Jahre, Adenauer 14 und selbst Schröder immerhin sieben. Das ist Kontinuitä­t pur – und die hat nicht immer dazu geführt, dass weit über das Ende der jeweiligen Legislatur­periode hinaus gedacht wurde. Fazit: Vier Jahre sind genug, danach sollte der Wähler entscheide­n.

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FOTO: KREBS Martin Kessler ist Leiter des Ressorts Politik/Meinung und Analyse der Rheinische­n Post.
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FOTO: URBAN Jan Drebes ist stellvertr­etender Leiter des Berliner Parlaments­büros der Rheinische­n Post.

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