Rheinische Post - Xanten and Moers
Bundestagswahl nur alle fünf Jahre?
Eine Legislaturperiode im Bund dauert vier Jahre. In den meisten Bundesländern ist sie inzwischen auf fünf Jahre verlängert worden. Wäre das auch ein Modell für das wichtigste deutsche Parlament?
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat recht: Eine Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre täte dem Bundestag gut – aber auch dem Regierungshandeln und damit mittelbar der Demokratie. Eine solche Verlängerung dürfte es für die Abgeordneten jedoch nicht zum Nulltarif geben. Sie müsste an bestimmte Voraussetzungen und Reformen geknüpft sein, um die Macht des Volkes nicht einzuschränken. Zunächst ist festzuhalten, dass eine Verlängerung der Wahlperiode rechtlich zulässig und verfassungskonform wäre, da sind sich Experten einig. Die im Grundgesetz festgehaltene Ewigkeitsgarantie würde berührt, aber nicht verletzt, wenn nicht eine laufende Legislaturperiode verlängert würde, sondern die fünfjährige Legislatur erst nach einer Bundestagswahl einsetzen würde. Das Demokratieprinzip bliebe gewahrt.
Zudem würde eine fünfjährige Legislatur des Bundestags den Gewohnheiten in fast allen Bundesländern entsprechen. Eine um ein Jahr verlängerte Wahlperiode hätte den Vorteil, dass der vom Bundestag gewählte Regierungschef mit dem Kabinett mehr Zeit für Reformen bekäme. Häufig reichte in der Vergangenheit die Zeit bis zum nächsten Wahlkampf kaum aus, um komplexe Gesetzgebungsprozesse mit der gebotenen Ruhe und Sorgfalt abzuhandeln. Sicher, viele der genutzten Eilverfahren waren den Krisen der vergangenen Jahre
geschuldet: Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Corona-Krise, Energiekrise nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Doch immer wieder waren es auch schlicht Wahlkampftaktiken, die ausgeruhter Regierungs- und Parlamentsarbeit im Wege standen. Insgesamt täte es dem Land gut, wenn die Leitlinien einer Regierung etwas länger gezogen werden könnten – es würde den politischen Kurs ruhiger, planbarer machen und Sprunghaftigkeit vorbeugen.
Aber klar ist auch: Eine längere Wahlperiode würde dem Volk zunächst Einflussmöglichkeiten nehmen. Daher wäre es zwingend nötig, mit einer Verlängerung der Legislatur plebiszitäre Elemente wie Volksbegehren oder Volksentscheide zu stärken. Zudem wäre die längst überfällige Verkleinerung des Bundestags eine Voraussetzung, um die Effizienz des Parlaments zu verbessern und ein weiteres Aufblähen zu verhindern. Darüber hinaus sollten Parteien dafür sorgen, dass mehr Frauen in den Bundestag kommen. Auch über eine Begrenzung der Amtszeit des Kanzlers auf zwei Legislaturen ließe sich diskutieren, um bei einer fünfjährigen Wahlperiode einem Dauerregieren entgegenzuwirken. Die nötigen Mehrheiten könnte es bereits in diesem Bundestag für das Vorhaben geben.
Die Klage der Politik ist bekannt. Im ersten Jahr muss sich jede Koalition zunächst finden. Dann kann sie bestenfalls zwei Jahre arbeiten, ehe das letzte Jahr ganz im Zeichen des kommenden Wahlkampfs steht. Viel zu kurz, um eine nachhaltige Gesetzgebung zu organisieren, meinen viele im Politikbetrieb. Bundesratspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat sich jetzt für eine Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre starkgemacht und damit den Nerv vieler Parlamentarier getroffen.
Doch überzeugen kann ihr Argument nicht. Politiker und Politikerinnen sind oft für eine längere Wahlperiode, weil sie so länger im Amt sind, Diäten kassieren und weniger Wahlkämpfe bestreiten müssen. Das mag ihren Interessen dienen, aber das Wahlvolk ist so länger von der politischen Willensbildung ausgeschlossen. Demokratie bedeutet Herrschaft auf Zeit. Die darf nicht zu lange dauern, bis der Wähler oder die Wählerin wieder das entscheidende Wort hat. Dass dann Politiker Rechenschaft geben und ihre künftigen Pläne erklären müssen, ist nicht lästiger Wahlkampf, sondern gelebte Demokratie.
Auch eine größere Kontinuität und sorgfältigere Beratung ist von einer längeren Legislaturperiode eher nicht zu erwarten. Wenn der Wille zur Einigung da ist, kann es in der Regel sehr schnell und auch gründlich gehen. Die Lösung der Finanzkrise 2008/09 und die Antworten auf den großen Flüchtlingsstrom 2015 erfolgten in wenigen Wochen. Auch auf die erste Corona-Welle reagierte der Bundestag mit hoher Geschwindigkeit durchaus erfolgreich.
Umgekehrt sehen viele Regierungen ihren Leistungsnachweis in der Zahl der verabschiedeten Gesetze. Die meisten Gesetze wurden von der großen Koalition 2005 bis 2009 beschlossen. Danach blieb die Zahl hoch. Die Ampelkoalition hat bereits 94 Gesetze im ersten Jahr verabschiedet, so viele wie noch nie. Nimmt man die vorhandene Regelungsdichte als Maßstab, so scheint es sogar, dass weniger Gesetze eher mehr Freiheit für die Bürger bedeuten. Eine Einschränkung der Gesetzgebung lässt sich jedenfalls nicht daraus ableiten. Und viel hängt von der Kooperationsbereitschaft des Bundesrats ab, der keine Wahlperiode kennt.
Hinzu kommt, dass die Deutschen die Regierung selten abwählen. Merkel und Kohl regierten je 16 Jahre, Adenauer 14 und selbst Schröder immerhin sieben. Das ist Kontinuität pur – und die hat nicht immer dazu geführt, dass weit über das Ende der jeweiligen Legislaturperiode hinaus gedacht wurde. Fazit: Vier Jahre sind genug, danach sollte der Wähler entscheiden.