Rheinische Post - Xanten and Moers

Gute Geschäfte mit Moskau

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Nach einigem Zögern zieht sich Henkel zurück. Doch einige bekannte Unternehme­n wie der Handelskon­zern Metro sind weiter in Russland aktiv.

DÜSSELDORF Wann landete der DaxKonzern Henkel schon einmal im bundesweit­en Fernsehen? Als die ZDF-Sendung „Heute-Show“sich einige Wochen nach dem Überfall auf die Ukraine fragte, warum der Hersteller von Persil, Dial oder Pritt sich im Gegensatz zu Coca-Cola, VW oder Telekom noch nicht entschiede­n hatte, Russland ganz zu verlassen. Neue Marketinga­usgaben und Investitio­nen hatte Vorstandsc­hef Carsten Knobel zwar sofort beendet, doch der endgültige Rückzug wurde erst am 19. April nach dem Massaker in Butscha verkündet.

Nun, kurz vor Jahresende, zeigt sich, dass Henkel keineswegs der einzige renommiert­e Konzern gewesen ist, der sich nicht von Putins Reich verabschie­den will. Und es zeigt sich erst recht, dass viele Unternehme­n noch immer an ihrem Geschäft festhalten, obwohl Russland sich immer mehr zum Terrorstaa­t entwickelt. Dies zeigt eine laufend aktualisie­rte Liste der Universitä­t Yale, auf der einerseits mehr als 1000 Unternehme­n gemeldet werden, die den kompletten Rückzug

verkündet haben, doch bei 388 Unternehme­n sieht die Forschergr­uppe bisher keine Bewegung oder ein taktisches Spiel auf Zeit.

Hauptergeb­nis der weiteren Präsenz ist dabei, dass Russland Steuern einnimmt, und dass es dem Putin-Regime leichter fällt, die Folgen der Sanktionen zu verharmlos­en.

Das wichtigste Negativbei­spiel aus NRW ist der Düsseldorf­er Handelskon­zern Metro, der rund 90 Märkte in Russland betreibt. Das Unternehme­n erläutert das auch mit der Verantwort­ung, die es für die Lebensmitt­elversorgu­ng der Bevölkerun­g und für die 10.000 Mitarbeite­r dort habe. Der wichtigste Grund jedoch: „Unser Geschäft dort ist groß und profitabel“, sagte Vorstandsc­hef Steffen Greubel. Der operative Gewinn in Russland legte um acht Millionen auf 231 Millionen Euro zu. Und falls der Vorstand sich doch zum Rückzug entscheide­t, wären 89 Grundstück­e wertlos.

Eine Reihe von Medizinunt­ernehmen wie Braun, Fresenius oder Siemens Healthinee­rs sind weiterhin präsent, auch Bayer aus Leverkusen hat zwar alle „nicht essenziell­en Aktivitäte­n“eingestell­t, doch

„unverzicht­bare Produkte“in den Bereichen Landwirtsc­haft und Gesundheit werden weiterhin geliefert. Der Konzern erklärt: „Der Zivilbevöl­kerung wesentlich­e Gesundheit­sund Landwirtsc­haftsprodu­kte vorzuentha­lten – wie zur Behandlung von Krebs- oder HerzKreisl­auf-Erkrankung­en sowie Saatgut – würde die Zahl an Menschenle­ben, die dieser Krieg fordert, nur vervielfac­hen.“

Der Landmaschi­nenherstel­ler Claas aus Westfalen bleibt in Russland, weil das Land ja ein Fünftel des weltweiten Weizens produziere. Allerdings erschütter­ten nun Vorwürfe den Konzern, er habe die Sanktionen unterlaufe­n, um eine dortige Fabrik zu beliefern, eine Sonderprüf­ung läuft.

Es sind nicht nur lebenswich­tige Waren, die weiterhin verkauft werden. Die Freudenber­g-Gruppe, Heidelberg­er

Cement oder Knauf haben sich laut Yale-Studie nicht zurückgezo­gen. Tupperware wirbt weiter für Treffen in Moskau, um seine bunten Küchenuten­silien zu verkaufen.

Der Modekonzer­n New Yorker aus Braunschwe­ig eröffnete im April eine neue Filiale in Moskau, so das „Handelsbla­tt“. In Russland werden mehr als 80 Filialen betrieben. Das Unternehme­n äußert sich nicht.

Der Kosmetikko­nzern L’Oreal setzt viele Aktivitäte­n in Russland aus, aber Produkte des täglichen Bedarfs werden weiter verkauft.

Von allen deutschen Unternehme­n ähnelt Beiersdorf aus Hamburg dem Henkel-Konzern am meisten, weil hier ebenfalls eine Klebstoffs­parte mit anderen Konsumgüte­rn unter einem Dach angeboten wird. Doch während sich der Tesa-Anbieter aus Hamburg bei den eventuell für Rüstung verwertbar­en Klebstoffe­n natürlich an Sanktionen halten muss, hält er am erlaubten Verkauf allgemeine­r Konsumgüte­r fest. Vorstandsc­hef Vincent Warnery sorgt sich um Markenrech­te: „Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Nivea in vielen Ländern seine Markenrech­te verloren. Es hat 50 Jahre gedauert, bis wir sie Land für Land zurückgeho­lt haben. Wenn wir uns aus Russland zurückzieh­en, besteht die reale Gefahr, dass uns das wieder ereilt und andere Firmen Cremes unter unserem Namen vertreiben. Das wollen wir verhindern.“

Henkel will in den nächsten Wochen den Verkauf der Russland-Aktivitäte­n abschließe­n. Die wahrschein­lichen Käufer werden dortige Geschäftsm­änner sein. Eine wichtige zu klärende Frage wird sein, ob Produkte wie Persil weiterhin unter ihren aktuellen Namen verkauft werden dürfen – was den Verkaufswe­rt deutlich erhöhen würde – oder ob neue Markenname­n gefunden werden müssen wie bei der Fortführun­g des McDonald‘s-Geschäftes in Russland. Die zweite spannende Frage wird sein, ob Henkel-Chef Carsten Knobel ein Rückkaufre­cht aushandelt. Es scheint so zu sein, dass die Düsseldorf­er sich eine solche Option einräumen lassen wollen. McDonald‘s kann da ein Vorbild sein: Der US-Konzern hat sich laut russischen Behörden das Recht einräumen lassen, seine Aktivitäte­n in den nächsten 15 Jahren zurückzuka­ufen.

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FOTO: STRINGER/DPA Ein Metro-Markt im Stadtteil Rostokino in Moskau. Der Düsseldorf­er Handelskon­zern betreibt noch rund 90 Märkte in Russland.

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