Rheinische Post - Xanten and Moers
Mit Decke in der Kirchenbank
In vielen Gemeinden wird an Weihnachten wenig oder gar nicht geheizt. Gottesdienstbesucher sind aufgerufen, Wärmflaschen oder Thermoskannen mitzubringen. In Köln dürfen in zwei Kirchen sogar Hunde mit zur Messe.
DÜSSELDORF Mit Hut oder Mütze in die Heilige Messe? Eigentlich undenkbar. Üblich und gewünscht ist es, dass zumindest Männer ohne Kopfbedeckung in einem Gotteshaus erscheinen. Aber in Zeiten der Energiekrise kann man da vielleicht auch mal ein Auge zudrücken. Der Kölner Pfarrer Franz Meurer sagt jedenfalls: „Bei mir dürfen an Weihnachten die Mützen auf bleiben – man muss doch praktisch denken.“Meurer ist seit 30 Jahren Pfarrer der Gemeinde Höhenberg/Vingst in Köln. Er selbst trägt in diesen Dezembertagen zwei paar Socken und Strickhandschuhe während der Messe – ein Geschenk einer Frau aus seiner Gemeinde. „Das stört ja nicht, die Finger sind vorne frei“, sagt der 71-Jährige.
Weihnachten wird in vielen Kirchen in diesem Jahr weniger festlich werden als üblich: Wegen der explodierenden Energiekosten raten viele katholische Bistümer und evangelische Landeskirchen ihren Gemeinden dringend, Energie zu sparen. Dazu wurden Ratgeber mit Empfehlungen verschickt, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Die Kirchen setzen dabei auf die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden und Pfarreien. Zu den Empfehlungen gehört, Kirchen möglichst gar nicht zu heizen oder die Temperatur zumindest deutlich zu reduzieren. Auch auf überdimensionierte Weihnachtsbeleuchtung soll verzichtet werden.
Die Bistümer in Nordrhein-Westfalen raten, Kirchen auf maximal fünf Grad Celsius zu heizen. „Üblich war bislang eine Temperatur von etwa zehn Grad“, sagt eine Sprecherin des Bistums Münster. „Dazu muss man allerdings wissen, dass Kirchengebäude wegen ihrer in der Regel dicken Mauern nur langsam auskühlen.“Insofern seien diese fünf Grad anders zu bewerten als fünf Grad in einer Wohnung. So oder so: „Die Besucherinnen und Besucher können sich darauf einstellen, dass die Temperatur in den Kirchen spürbar kälter sein wird, und es empfiehlt sich, wärmere Kleidung anzuziehen“, sagt ein Sprecher des Bistums Essen. Pro Grad Temperatursenkung würden zehn Prozent Einsparung erzielt, heißt es in den
Handlungsempfehlungen – je nach Kirchengröße sind das zwischen 1000 und 30.000 Kilowattstunden Energie pro Jahr und Grad.
Das Bistum Aachen empfiehlt, Gottesdienste in leichter zu beheizenden Gemeindehäusern abzuhalten oder sie zusammenzulegen in einigen ausgewählten Kirchen. In der Kölner Altstadt wird in St. Mariä Himmelfahrt zur Zeit der Prototyp einer Sitzheizung für Kirchenbänke getestet. Dadurch könne man bei ausgeschalteter Luftheizung im Verhältnis etwa 95 Prozent der Energie sparen, heißt es aus dem Erzbistum Köln.
Von der Evangelischen Kirche im Rheinland heißt es: „Die Herausforderung, Energie einzusparen, lösen die mehr als 600 Gemeinden im Rheinland zwischen Niederrhein und Saarland selbst vor Ort – und durchaus unterschiedlich.“Manche würden Decken auslegen, andere Infrarotstrahler aufstellen. Viele Gemeinden rufen auch dazu auf, Tee in Thermoskannen oder Wärmflaschen mitzubringen. „Zu kalt darf es aber auch nicht sein“, sagt Pfarrer Meurer. Vor allem müsse die Luftfeuchtigkeit in seinen Kirchen St. Theodor und St. Elisabeth gleichmäßig bleiben. „Sonst kann ich hier alles wegschmeißen“, sagt Meurer. Empfindliche Musikinstrumente wie Orgeln vertragen in Kirchengebäuden keine Temperaturschwankungen. In den Empfehlungen der Bistümer gibt es konkrete Lüftungshinweise, damit Instrumente, Kirchen-Mobiliar und Kunstgegenstände keinen Schaden nehmen. „Das alles sind Empfehlungen, keine Anweisungen“, betont die Sprecherin des Bistums Münster. „Alle
Kirchengemeinden sind rechtlich selbstständig und entscheiden eigenverantwortlich und frei, welche Maßnahmen sie ergreifen.“Da die Heizkosten bei den Gemeinden liegen, werden sich die meisten aber vermutlich an den Empfehlungen orientieren.
Pfarrer Meurer sagt: „Wenn man im Herzen warm ist, geht das alles.“Die Kindergartenkinder haben in den Straßen von Vingst und Höhenberg Bäume mit selbst gebastelten Sternen geschmückt. „Zu sehen, wie die sich freuen, wenn sie den Eltern ihren Stern zeigen können, ist das Schönste.“Wer in Meurers Gemeinde einen Hund hat, darf den übrigens mitbringen zur Messe. „Der sitzt dann auf dem Schoß und ist besser als jede Wärmflasche“, sagt der Kölner Pfarrer. Man muss eben praktisch denken.