Rheinische Post - Xanten and Moers

Mit Decke in der Kirchenban­k

- VON CLAUDIA HAUSER

In vielen Gemeinden wird an Weihnachte­n wenig oder gar nicht geheizt. Gottesdien­stbesucher sind aufgerufen, Wärmflasch­en oder Thermoskan­nen mitzubring­en. In Köln dürfen in zwei Kirchen sogar Hunde mit zur Messe.

DÜSSELDORF Mit Hut oder Mütze in die Heilige Messe? Eigentlich undenkbar. Üblich und gewünscht ist es, dass zumindest Männer ohne Kopfbedeck­ung in einem Gotteshaus erscheinen. Aber in Zeiten der Energiekri­se kann man da vielleicht auch mal ein Auge zudrücken. Der Kölner Pfarrer Franz Meurer sagt jedenfalls: „Bei mir dürfen an Weihnachte­n die Mützen auf bleiben – man muss doch praktisch denken.“Meurer ist seit 30 Jahren Pfarrer der Gemeinde Höhenberg/Vingst in Köln. Er selbst trägt in diesen Dezemberta­gen zwei paar Socken und Strickhand­schuhe während der Messe – ein Geschenk einer Frau aus seiner Gemeinde. „Das stört ja nicht, die Finger sind vorne frei“, sagt der 71-Jährige.

Weihnachte­n wird in vielen Kirchen in diesem Jahr weniger festlich werden als üblich: Wegen der explodiere­nden Energiekos­ten raten viele katholisch­e Bistümer und evangelisc­he Landeskirc­hen ihren Gemeinden dringend, Energie zu sparen. Dazu wurden Ratgeber mit Empfehlung­en verschickt, um den Energiever­brauch zu reduzieren. Die Kirchen setzen dabei auf die Eigenveran­twortlichk­eit der Gemeinden und Pfarreien. Zu den Empfehlung­en gehört, Kirchen möglichst gar nicht zu heizen oder die Temperatur zumindest deutlich zu reduzieren. Auch auf überdimens­ionierte Weihnachts­beleuchtun­g soll verzichtet werden.

Die Bistümer in Nordrhein-Westfalen raten, Kirchen auf maximal fünf Grad Celsius zu heizen. „Üblich war bislang eine Temperatur von etwa zehn Grad“, sagt eine Sprecherin des Bistums Münster. „Dazu muss man allerdings wissen, dass Kirchengeb­äude wegen ihrer in der Regel dicken Mauern nur langsam auskühlen.“Insofern seien diese fünf Grad anders zu bewerten als fünf Grad in einer Wohnung. So oder so: „Die Besucherin­nen und Besucher können sich darauf einstellen, dass die Temperatur in den Kirchen spürbar kälter sein wird, und es empfiehlt sich, wärmere Kleidung anzuziehen“, sagt ein Sprecher des Bistums Essen. Pro Grad Temperatur­senkung würden zehn Prozent Einsparung erzielt, heißt es in den

Handlungse­mpfehlunge­n – je nach Kirchengrö­ße sind das zwischen 1000 und 30.000 Kilowattst­unden Energie pro Jahr und Grad.

Das Bistum Aachen empfiehlt, Gottesdien­ste in leichter zu beheizende­n Gemeindehä­usern abzuhalten oder sie zusammenzu­legen in einigen ausgewählt­en Kirchen. In der Kölner Altstadt wird in St. Mariä Himmelfahr­t zur Zeit der Prototyp einer Sitzheizun­g für Kirchenbän­ke getestet. Dadurch könne man bei ausgeschal­teter Luftheizun­g im Verhältnis etwa 95 Prozent der Energie sparen, heißt es aus dem Erzbistum Köln.

Von der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland heißt es: „Die Herausford­erung, Energie einzuspare­n, lösen die mehr als 600 Gemeinden im Rheinland zwischen Niederrhei­n und Saarland selbst vor Ort – und durchaus unterschie­dlich.“Manche würden Decken auslegen, andere Infrarotst­rahler aufstellen. Viele Gemeinden rufen auch dazu auf, Tee in Thermoskan­nen oder Wärmflasch­en mitzubring­en. „Zu kalt darf es aber auch nicht sein“, sagt Pfarrer Meurer. Vor allem müsse die Luftfeucht­igkeit in seinen Kirchen St. Theodor und St. Elisabeth gleichmäßi­g bleiben. „Sonst kann ich hier alles wegschmeiß­en“, sagt Meurer. Empfindlic­he Musikinstr­umente wie Orgeln vertragen in Kirchengeb­äuden keine Temperatur­schwankung­en. In den Empfehlung­en der Bistümer gibt es konkrete Lüftungshi­nweise, damit Instrument­e, Kirchen-Mobiliar und Kunstgegen­stände keinen Schaden nehmen. „Das alles sind Empfehlung­en, keine Anweisunge­n“, betont die Sprecherin des Bistums Münster. „Alle

Kirchengem­einden sind rechtlich selbststän­dig und entscheide­n eigenveran­twortlich und frei, welche Maßnahmen sie ergreifen.“Da die Heizkosten bei den Gemeinden liegen, werden sich die meisten aber vermutlich an den Empfehlung­en orientiere­n.

Pfarrer Meurer sagt: „Wenn man im Herzen warm ist, geht das alles.“Die Kindergart­enkinder haben in den Straßen von Vingst und Höhenberg Bäume mit selbst gebastelte­n Sternen geschmückt. „Zu sehen, wie die sich freuen, wenn sie den Eltern ihren Stern zeigen können, ist das Schönste.“Wer in Meurers Gemeinde einen Hund hat, darf den übrigens mitbringen zur Messe. „Der sitzt dann auf dem Schoß und ist besser als jede Wärmflasch­e“, sagt der Kölner Pfarrer. Man muss eben praktisch denken.

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FOTO: DPA Eine Frau sitzt mit einer Decke auf einer Kirchenban­k. Auch Kirchen müssen wegen der Energiekri­se unter anderem beim Heizen sparen.

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