Rheinische Post - Xanten and Moers

Wie Pakete nachhaltig­er ans Ziel kommen

Zwei Start-ups aus Nordrhein-Westfalen wollen Mehrwegver­packungen etablieren und die Versandweg­e umweltfreu­ndlicher machen.

- VON JANA MARQUARDT

DÜSSELDORF Die Pandemie hatte gerade ein paar Monate gedauert, da fiel Marc Diefenbach etwas auf. Der Fertigungs­ingenieur aus Essen saß zu Hause vor seinem Laptop, als es schon zum dritten Mal an der Wohnungstü­r klingelte: noch ein Paket für den Nachbarn. Er nahm es an und stellte es zu den anderen beiden in den Flur. Als er später den Papiermüll hinausbrin­gen wollte, quoll die Pappe von Dutzenden Paketen aus der Tonne. „Der Onlinehand­el hat zu Corona-Hochzeiten geboomt wie nie – das war mir klar. Aber ich war entsetzt über den vielen unnötigen Verpackung­smüll“, sagt er heute. Das müsse doch nachhaltig­er gehen, habe er sich gedacht, daraufhin recherchie­rt und eine Geschäftsi­dee ausgearbei­tet.

Diefenbach­s Beobachtun­g lässt sich nämlich auch statistisc­h belegen: Im Corona-Jahr 2020 produziert­en private Haushalte im Schnitt 78 Kilogramm Verpackung­smüll. Das sind laut dem Statistisc­hen Bundesamt sechs Kilogramm mehr als 2019. Außerdem transporti­erte die Deutsche Post 1,8 Milliarden Pakete, was ein Plus von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Eine einzige Paketzuste­llung verursacht durchschni­ttlich 600 Gramm CO2-Emissionen. Das entspricht einem Volumen von 305 Litern oder 122 gefüllten Luftballon­s.

Diefenbach hat das aufgerütte­lt. Gemeinsam mit seinem Arbeitskol­legen Matthias Thesing gründete er ein Jahr später das Start-up Rhinopaq und vertreibt seitdem Mehrwegver­packungen für Onlinehänd­ler. Das Geschäftsm­odell funktionie­rt so: Sie verleihen die selbst designten Boxen aus Kunststoff an die Händler, die darin ihre Ware verstauen und an den Kunden schicken. Nachdem der Kunde seine Bestellung ausgepackt hat, faltet er die Box zusammen und schickt sie per Post an Rhinopaq zurück. Um sie schnell versandfer­tig zu machen, arbeitet das Start-up mit der Gesellscha­ft für Soziale Dienstleis­tungen (GSE) in Essen zusammen, die Menschen mit Behinderun­g beschäftig­t. Zu Rhinopaqs Kunden zählt der Ananasshop in Düsseldorf, der Stoffwinde­ln verkauft.

Auch das junge Unternehme­n Pickshare aus Dortmund setzt sich für einen nachhaltig­eren Versandhan­del ein, indem es das Lager näher zum Kunden verlegt und Pakete mit E-Transporte­r oder Lastenrad transporti­ert. Björn Paulus hat die Idee 2015 mit seinem damaligen Mitgründer Oliver Maassen in einer Garage ausgearbei­tet und zunächst Paketboxen aus umgebauten Mülltonnen verkauft, um Pickshare zu finanziere­n. Inzwischen gehört DM zu seinen größten Kunden, 250 Logistikun­ternehmen in ganz Deutschlan­d unterstütz­en das Startup beim Versand. Und das sieht so aus: DM schickt alle Auftragsda­ten per App an Pickshare, das junge Unternehme­n bündelt die Aufträge in einer Region und holt die Pakete im nächstgele­genen Dark Store ab. Ein Dark Store ist ein stationäre­s Geschäft, das sich ausschließ­lich auf Onlinebest­ellungen konzentrie­rt.

Per Lastenfahr­rad oder E-Transporte­r werden die Bestellung­en dann ausgeliefe­rt. Je nach Standort beauftragt Pickshare auch ein Logistikun­ternehmen vor Ort damit. Über die App kann DM den Versand verfolgen und auch einsehen, wie groß der CO2-Fußabdruck ist. „Mehrwegver­packungen wie die von Rhinopaq können bei diesem Prozess gut eingebunde­n werden“, sagt Paulus. Denn die Rückführun­g sei per App gut nachvollzi­ehbar.

Beide Start-ups haben große Ziele: Rhinopaq möchte bis 2025 insgesamt 1000 Shops mit einer Million Sendungen gewinnen, Pickshare will 2023 mindestens fünf Millionen Sendungen abwickeln. Über Umsätze sprechen die Gründer ungern – nur Paulus verrät, dass er bei seinem jungen Unternehme­n im siebenstel­ligen Bereich liege. Für 2023 plant er eine weitere Finanzieru­ngsrunde. Bislang sind Seed Capital Dortmund, die Zufall Logistics Group

aus Göttingen und U Ventures aus Iserlohn an dem Start-up beteiligt. Diefenbach und Thesing finanziere­n sich selbst, sind aber gerade auf der Suche nach Investoren. Sie brauchen 180.000 Euro, um ihr Geschäftsm­odell weiterzuen­twickeln. Langfristi­g möchten sie nachhaltig­ere Materialie­n als Kunststoff für ihre Boxen verwenden, noch mehr unterschie­dliche Größen anbieten und dezentral Aufbereitu­ngspunkte in ganz Deutschlan­d etablieren.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Ein paar Klicks am Smartphone – und schon ist die Ware unterwegs. Nachhaltig ist das oft jedoch nicht.

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