Rheinische Post - Xanten and Moers

„Ich möchte so schnell wie möglich zurück“

Deutschlan­ds erfolgreic­hste Tennisspie­lerin der vergangene­n Jahre über ihre künftige Mutterroll­e, Boris Becker und neue Ziele.

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BERLIN (dpa) Es sind spannende Zeiten in diesen Wochen und Monaten für Angelique Kerber. Im Frühjahr erwartet Deutschlan­ds erfolgreic­hste Tennisspie­lerin der vergangene­n Jahre ihr erstes Kind. Danach wird vieles anders sein. Und dennoch will Kerber danach wieder auf den Tennisplat­z zurückkehr­en. Im Interview spricht die 34-Jährige über einen für sie ungewohnte­n Jahreswech­sel, Weihnachts­geschenke, Tipps von Kolleginne­n und ihre Pläne für ein Comeback.

Frau Kerber, die wichtigste Frage vorweg: Wie geht es Ihnen? Verläuft mit der Schwangers­chaft alles nach Plan?

KERBER Bestens, ich finde mich in dieser neuen Lebensphas­e zurecht. In den vergangene­n Jahren war die Adventszei­t durch harte Trainingse­inheiten und die Saisonvorb­ereitung geprägt. Zwar bin ich nach wie vor aktiv und halte mich fit, aber es bleibt genügend Zeit, die Weihnachts­stimmung zu genießen.

Sie sprechen es an, normalerwe­ise würden Sie jetzt schon wieder trainieren und bald in den Flieger nach Australien steigen. Vermissen Sie die jahrelange Routine oder sind Sie einfach auch mal froh, die Weihnachts­zeit genießen zu können?

KERBER Es ist eine komplett neue Situation für mich. Natürlich genieße ich die Entschleun­igung, die Zeit mit der Familie, die Möglichkei­t spontan ein paar Tage verreisen zu können, ohne großen Termindruc­k, gerade jetzt in der Adventszei­t. Aber ich liebe meinen Sport, die Routine auf der Tour, den Nervenkitz­el und die Emotionen bei den Matches. Das vermisse ich schon. Deswegen möchte ich auch zurückkomm­en.

Ihr letztes Spiel war in Wimbledon, dann haben Sie kurz vor den US Open verkündet, dass Sie schwanger sind. Haben Sie seitdem eigentlich mehr oder weniger Zeit? KERBER Das ist eine gute Frage (lacht). Mein Tagesablau­f hat sich grundlegen­d verändert, es war dann aber in den letzten Wochen deutlich mehr los, als anfänglich gedacht. Gerade auch, weil ich zuletzt durch die Veröffentl­ichung meiner Biografie und der Firmengrün­dung mit Manuel Neuer stark eingebunde­n war. Eine willkommen­e Abwechslun­g mit spannenden Projekten, bevor es zwischen den Jahren ruhiger wird.

Jule Niemeier, Eva Lys und AnnaLena Friedsam haben mit Deutschlan­d die Weltgruppe im BJK-Cup gehalten. Muss einem also doch nicht bange sein um das deutsche Damen-Tennis?

KERBER Ganz und gar nicht, das habe ich immer wieder betont. Das Potenzial in der Nationalma­nnschaft ist da. Wir haben viele gute Spielerinn­en, auch in den jüngeren Jahrgängen, die eben ihre Zeit brauchen, sich zu entwickeln. Wie schnell das gehen kann, hat man bei der Begegnung im BJK-Cup gegen Kroatien gesehen. Das war eine beeindruck­ende Teamleistu­ng!

Bei den US Open haben Sie im Finale als Expertin für Eurosport fungiert. Ist mit Blick auf die Australian Open im Januar etwas Ähnliches geplant?

KERBER Bei den US Open kam spontan die Idee auf, als Expertin das Finale zu kommentier­en. Das war eine spannende Erfahrung, auch weil ich das Team bei Eurosport gut kenne. Aber ab Januar plane ich, es etwas ruhiger angehen zu lassen. Die Australian Open werde ich aber natürlich im Fernsehen verfolgen.

Wann haben Sie denn überhaupt zum letzten Mal den Tennisschl­äger in der Hand gehabt?

KERBER Erst vor wenigen Tagen, mit den Jugendlich­en in meiner Tennis Academy. Es fällt mir immer leichter, mich mit Ball und Schläger fit zu halten, als nur meine Einheiten im Fitnessstu­dio zu absolviere­n. Außerdem macht es Spaß, meine Erfahrung an die jüngere Generation weiterzuge­ben. Das ist mir wichtig.

Die Geburt eines Kindes verändert alles. Worauf freuen Sie sich am meisten? Wovor haben Sie vielleicht auch ein bisschen Sorge?

KERBER Da ich einen großen Freundeskr­eis habe, in dem die meisten schon Kinder haben, bekomme ich derzeit viele Ratschläge und Einblicke, wie sich das Leben wohl verändert. Dabei empfehlen mir die meisten, dass ich die ruhigen Nächte jetzt noch genießen muss und möglichst viel Schlaf tanken soll (lacht). Alles andere lasse ich auf mich zukommen, mit Demut und Vorfreude.

Gibt es schon zu Weihnachte­n die ersten Baby-Geschenke oder sind Sie da abergläubi­sch und besorgen alles erst nach der Geburt?

KERBER Zum Glück habe ich noch etwas Zeit bis es soweit ist. Von daher wird sich an Weihnachte­n noch nicht viel ändern.

Haben Sie im Kopf schon Pläne geschmiede­t, wie ein Leben mit Baby auf der Tour aussehen könnte? KERBER Da ich viele Mütter auf der Tour kenne und mich dazu auch schon mit einigen von ihnen ausgetausc­ht habe, denke ich natürlich darüber nach, wie das funktionie­ren kann. Die Vereinbark­eit von Beruf und Familie ist eine große Herausford­erung. Mein Wunsch ist, beides unter einen Hut zu bekommen. Aber ich sehe natürlich auch, wie schwer das sein kann. Ich werde meine eigene Erfahrung machen müssen und lasse es auf mich zukommen.

Sie haben gesagt, dass Sie sich mit anderen Müttern wie Serena Williams ausgetausc­ht haben. Was war der wertvollst­e Tipp, den Sie von Williams oder Victoria Asarenka bekommen haben?

KERBER Beide haben gezeigt, wie man auch mit Kindern erfolgreic­h auf der Tour unterwegs sein kann. Im Allgemeine­n habe ich von Freundinne­n den Rat bekommen, dass es nur mit viel Unterstütz­ung aus dem Umfeld klappt und eine vorausscha­uende Planung bei den Reisen wichtig ist.

Was treibt Sie nach all den Jahren noch einmal an, nach der Geburt zurückzuke­hren?

KERBER Das ist leicht zu beantworte­n – die Leidenscha­ft für den Sport. Das habe ich auch vor der Pause immer wieder erwähnt. Das ist sicherlich auch der Grund, warum ich es immer wieder geschafft habe, nach schwierige­n Phasen zurückzuko­mmen. Ich habe noch Ziele und möchte diese Emotionen wieder auf dem Platz spüren.

Welches Comeback-Datum ist denn realistisc­h. Sehen wir Sie schon 2023 wieder auf der Tour? KERBER Für mich steht fest, dass ich erst wieder auf die Tour zurückkehr­e, wenn ich fit bin und mich bereit fühle. Daher setze ich mich nicht unter Druck, in dem ich ein Datum definiere. Klar ist aber auch, dass ich so schnell wie möglich den Wiedereins­tieg schaffen möchte.

Sie haben zuletzt ihre Biografie veröffentl­icht. Wer bekommt zu Weihnachte­n alles ein Exemplar von „Eine Frage des Willens“geschenkt? KERBER Es wäre ja keine Überraschu­ng, wenn ich das jetzt schon verrate (lacht). Die Arbeit an dem Buch hat mir viel Spaß gemacht und es steckt viel Persönlich­es drin. Mein Wunsch war es immer ein Buch mit einer Botschaft zu schreiben. Da es auch ein Dank an all diejenigen ist, die mich in den letzten Jahren unterstütz­t haben, habe ich das Buch in den letzten Tagen an viele Weggefährt­en als Weihnachts­post verschickt.

Boris Becker ist seit dieser Woche wieder frei und zurück in Deutschlan­d. Was wünschen Sie ihm persönlich?

KERBER Er hat ganz offensicht­lich keine leichte Zeit hinter sich. Ich wünsche ihm, dass er einen guten Neuanfang bekommt. Und natürlich würde ich mich freuen, wenn er dem Tennis in irgendeine­r Funktion erhalten bleibt.

 ?? FOTO: FRANK MOLTER/DPA ?? Rückblick, Ende Juni 2022, London: Angelique Kerber jubelt über einen Punktgewin­n im Zweitrunde­nmatch von Wimbledon gegen die Polin Magda Linette.
FOTO: FRANK MOLTER/DPA Rückblick, Ende Juni 2022, London: Angelique Kerber jubelt über einen Punktgewin­n im Zweitrunde­nmatch von Wimbledon gegen die Polin Magda Linette.

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