Rheinische Post - Xanten and Moers
Dreierbündnis will weitermachen
Nach dem Ausscheiden von Grafschaftern und Die Partei aus der Kooperation demonstrieren SPD, Grüne und Linke Einigkeit. Gespräche mit anderen Fraktionen seien dennoch nicht ausgeschlossen, heißt es.
MOERS Es war eine Nachricht, die das politische Moers, vor allem aber SPD und Grüne, am Dienstag offenbar völlig unvorbereitet traf. Über zwei Pressemitteilungen ließen die Fraktionen Die Grafschafter und Die Partei fast zeitgleich verkünden, dass sie das Mehrheitsbündnis im Stadtrat mit SPD, Grünen und Linker Liste verlassen. In zwei Jahren „5er-Koop“habe sich in Moers zu wenig bewegt, kritisieren die Fraktionschefs Claus Peter Küster (Grafschafter) und Carsten Born (Die Partei). Mit dem Schritt in die Opposition erhoffe man sich neuen Schwung bei wichtigen Themen.
Für die tonangebenden Bündnispartner SPD und Grüne, aber auch für die Linken, ergibt sich daraus die Frage, wie es in Bezug auf die Zusammenarbeit im Rat in Zukunft weitergehen soll. Geht es nach den Fraktionsspitzen, wird die bestehende Kooperation künftig als Dreierbündnis fortgesetzt, das von Entscheidung zu Entscheidung nach Mehrheiten sucht. Das haben Atilla Cikoglu (SPD), Gudrun Tersteegen
und Christopher Schmidtke (Grüne), Karin Pohl und Friedhelm Fischer (Linke Liste) bei einem gemeinsamen Pressegespräch am Donnerstag mehrfach betont. „Das heißt, dass wir jetzt intensiv für unsere Interessen und Ideen werben müssen“, sagt Schmidtke. Mit 27 Stimmen im Stadtrat gebe es aber auch kein gegen das Dreierbündnis, nur ein mit dem Dreierbündnis, so Cikoglu.
Weder der Kooperationsvertrag, noch die -partner würden infrage gestellt, betont auch SPD-Parteichef Frank Lehmann. Nichtsdestotrotz wolle man in den kommenden Wochen auch die Meinung der Mitglieder in der Fraktion und der Partei abfragen, heißt es. Anschließende Gespräche mit weiteren Fraktionen seien nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
„Wenn es so eine Zäsur gibt, dann schaut automatisch jeder, wo er steht und wo gegebenenfalls programmatisch nachgeschärft werden muss“, sagt Gudrun Tersteegen. Wichtiger denn je seien jetzt aber Verlässlichkeit und Stabilität.
Die FDP sieht derweil im Ende des Fünferbündnisses Chancen, vor allem für ein Gewerbegebiet Kohlenhuck. Die Verbandsversammlung des Regionalverbands Ruhr (RVR) hatte im vergangenen Jahr „Regionalen Kooperationsstandorten“zugestimmt. Das sind mögliche neue Gewerbe- und Industriestandorte im RVR-Gebiet, darunter auch Kohlenhuck in Moers. Das insgesamt rund 141 Hektar große Areal liegt stadtübergreifend auf KampLintforter (103 Hektar) und Moerser (38 Hektar) Gebiet. Die Kooperationsstandorte sind als Angebot für die Kommunen zu verstehen und haben einen Planungshorizont von etwa 20 Jahren. Ob und wann tatsächlich entsprechendes Baurecht geschaffen wird, entscheiden die Städte im Rahmen der Bauleitplanung als Selbstverwaltungsaufgabe.
Die Grünen lehnen eine gewerbliche beziehungsweise industrielle Entwicklung der ländlich geprägten Fläche strikt ab und plädieren stattdessen für regenerative Energieprojekte
und einen Fokus auf die gewerbliche Entwicklung anderer Flächen wie Schacht III in Kapellen, für die die Stadt gerade die notwendigen Grundstücke erwirbt.
Diesen Weg geht die Moerser SPD in der Partnerschaft mit den Grünen mit, obwohl der Kurs auf Stadt- und Kreisebene in der Vergangenheit immer ein anderer, also in Richtung Gewerbegebiet und Schaffung neuer Arbeitsplätze, war. Die Moerser CDU, die bei der Kommunalwahl 2020 die meisten Stimmen holte, die Grünen aber nicht von einer schwarz-grünen Kooperation im Rat überzeugen konnte, will den Standort Kohlenhuck in einem Modellprojekt zu einem klimaneutralen Gewerbegebiet entwickeln.
„Wir möchten Kohlenhuck als Gewerbegebiet entwickeln, Arbeitsplätze ansiedeln und Steuereinnahmen generieren. Moers hat einen vergleichsweise geringen Anteil an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – ein klarer Indikator dafür, dass es hier dringenden Handlungsbedarf gibt“, sagt FDPChef
Dietmar Meier. „Die Grafschafter“, so Meier weiter, „haben in ihrer Pressemitteilung klargestellt, dass die Entwicklung von Kohlenhuck auch für sie wichtig ist. Wir nehmen Herrn Küster beim Wort.“
Martin Borges, FDP-Ratsmitglied und Fraktionsvize der nach der CDU zweitgrößten Oppositionsfraktion, der Liberalen Union, unterstützt Meier: „Viele Vorhaben, wie beispielsweise die Entwicklung des Gewerbegebiets in Kohlenhuck, wurden bisher konsequent von den Wortführern des Mehrheitsbündnisses blockiert. Nun könnten endlich wieder Argumente zählen!“
Das sehen auch die verbliebenen Mitglieder des ehemaligen Fünferbündnisses so. 2023 werde erneut ein herausforderndes Jahr für Politik und Verwaltung, sagt Cikoglu. „Im Februar müssen wir einen schwierigen Haushalt verabschieden – mit Ausgliederung der durch die Corona-Pandemie verursachten finanziellen Belastungen von 35 Millionen Euro.“
Wichtige Themen seien unter anderem aber auch die Planung der Laufflächen für den Einzelhandel in der Innenstadt, die dringend notwendige Neustrukturierung der Wirtschaftsförderung im Zusammenspiel mit Moers Marketing, die Digitalisierung der Verwaltung und das Vorantreiben des sozialen Wohnungsbaus, heißt es. „Zur Demokratie gehört es im Zweifel dann auch, Mehrheiten zu akzeptieren“, sagt Grünen-Fraktionschef Christopher Schmidtke. Und: „Gezänk kann sich im Moment wirklich keiner leisten.“