Rheinische Post - Xanten and Moers
Südkoreas Trump
Medienbefragungen ist nur ein Beispiel von vielen. Seinen Hintergrund hat es in einer Peinlichkeit, die Yoon Ende September unterlief, als er am Rande eines Treffens mit US-Präsident Joe Biden die Abgeordneten der USA Idioten nannte. Yoon wusste nicht, dass die Mikrofone noch eingeschaltet waren. Als der koreanische TV-Sender MBC die Mitschnitte als Erster veröffentlichte, wurde Yoon nicht etwa kleinlaut, sondern attackierte den TV-Sender. Dies ist das „unappetitliche Ereignis“, was Yoons Sprecher künftig vermeiden wollen.
Dabei scheint der Präsident auch sonst nicht sonderlich viel Appetit auf das zu haben, was in einer Demokratie zu den Grundzutaten gehört: Opposition, Kritik, Debatte. Im Wahlkampf hatte Yoon, der zuvor als Generalstaatsanwalt gearbeitet hatte, seinen politischen Gegnern von der liberalen Demokratischen Partei (DP) noch rechtliche Schritte angedroht. Seit Wochen ist dies Wirklichkeit: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen diverse Oppositionspolitiker wegen Korruptionsverdachts. Das Vorgehen ist höchst umstritten. Nicht nur aus der betroffenen DP besteht der Vorwurf einer „politisch motivierten Ermittlung.“Über die letzten Wochen hat es wiederholt Demonstrationen vor dem Sitz des Präsidenten gegeben, bei denen um die 20.000 Menschen forderten, dass etwa auch gegen die Gattin des Präsidenten Ermittlungen aufgenommen werden. „Die Ermittlungen sind politisch motiviert, weil sie selektiv sind“, urteilt der für seine kritische Berichterstattung bekannte Sender Newstapa.
Wenngleich die Hinweise auf Korruption bei diversen Oppositionspolitikern spärlich seien, sei es zwar möglich, dass hier Korruptionsvergehen entdeckt werden. „Aber es gibt auch gegen diejenigen, die Yoon nahestehen, solche Hinweise. Und dagegen wird nicht vorgegangen“, so der Reporter Shim Inbo, der sich mit Yoon schon auseinandersetzte, als dieser noch kein Politiker war. Und Shim sagt: „Ich sehe ihn bis heute nicht als einen Politiker.“Eher handle es sich um eine Person, die alle Register ziehe, die ihr selbst nützen könnten.
Tatsächlich wirkt Yoons Verhalten der vergangenen Woche so, als wollte er von seinem bisher bescheidenen Abschneiden als Präsident ablenken. Nach seinem knappen Wahlsieg im März sanken seine Zustimmungswerte relativ schnell. Zur sich inmitten der Pandemie noch weiter verstärkten sozialen Ungleichheit kommt die Unruhe nördlich der koreanischen Grenze – obwohl Yoon eine harte Gangart gegenüber Nordkorea angekündigt hatte und hiermit eben für mehr Ruhe sorgen wollte.
Hinzu kam Ende Oktober die vermeidbare Katastrophe im Seouler Stadtteil Itaewon. Am seit der Pandemie ersten Halloweenwochenende, das nicht mehr strengen Beschränkungen unterlag, stürmten derart viele Menschen ins Partyviertel, dass es zu einer Massenpanik kam. Die Polizei fiel vor allem durch Abwesenheit auf, sowohl in der Vorbereitung des Ereignisses, als auch in der Beantwortung von diversen Notrufen am Abend selbst.
An den Tagen danach machte Yoon die Aufklärung der Katastrophe zwar zur Chefsache. Allerdings drang auch bald durch, dass der Präsident selbst eine indirekte Rolle im Unglück gespielt haben könnte. Kurz nach seinem Wahlsieg hatte Yoon öffentlichkeitswirksam angekündigt, vom traditionellen Präsidentenpalast in ein weniger opulentes Gebäude umzuziehen. Da der Präsident damit nicht mehr wie vorher zugleich an seinem Amtssitz wohnt, bindet er durch das tägliche Pendeln nun Hunderte Polizisten.
Am Abend der Massenpanik war zudem ein großes Polizeiaufgebot vor dem neuen Präsidentengebäude positioniert, wo es eine Demonstration gegen Yoon absichern sollte. Aus der Polizei wurde kurz darauf berichtet, dass viele Polizisten überarbeitet seien. Am Abend der Katastrophe jedenfalls fehlten sie dort, wo sie gebraucht worden wären. Dabei ist Yoon bei der Aufarbeitung der Katastrophe bisher vor allem dadurch aufgefallen, dass er in andere Richtungen ausgeteilt hat, sich selbst und sein direktes Umfeld weniger in der Verantwortung zu sehen scheint.
Ähnlich sieht es bei Yoons erklärtem Kampf gegen Korruption und dem Umgang mit Medien aus. Der Journalistenverband sieht die Pressefreiheit unter dem aktuellen Präsidenten bereits akut bedroht. Das Präsidentenbüro möge „unmittelbar aufhören, Journalisten gegeneinander aufzubringen zu versuchen und weitere Konflikte zu provozieren.“Südkoreas Präsident wolle sich offenbar an kritischen Journalisten rächen, führe nun eine Fehde gegen eine gesamte Branche. Laut Umfragen sind derzeit nur rund drei von zehn Personen in Südkorea mit Yoons Arbeit als Präsident zufrieden.