Rheinische Post - Xanten and Moers
Himmlische Heere jauchzen dir Ehre
Viele Weihnachtslieder erfreuen die Menschen, und jeder hat vermutlich seine Lieblingsweise. Unser Autor stellt seine drei Favoriten vor.
katholischer und protestantischer Glaubensinhalte besser als das gute alte „Es ist ein Ros entsprungen“. Knackpunkt ist die zweite Strophe, in welcher die Jungfrauengeburt Mariens zum Thema wird („und blieb doch reine Magd“). Spätere Lesarten formulierten hier um, ökumenisch mitdenkend, zu „welches uns selig macht“oder „wohl zu der halben Nacht“. Exegeten haben sich auch über das „Röslein“hergemacht, über „Jesse“, über die Kausalität von Abstammung und Fortgeburt – aber, Hand aufs Herz, wer denkt denn über Ökumene nach, wenn er dieses Lied singt? Keiner.
Er fühlt sich eher festlich erhaben, denn „Es ist ein Ros entsprungen“hat einen ganz archaischen Reiz, der auch in Michael Praetorius‘ legendärem Chorsatz begründet liegen mag. Das Festliche liegt auch in der Dominanz der Oberquinte, die dem Hörer und Sänger zu Beginn gleich fünf Mal Höhensicherheit abverlangt. Steht das Lied in F-Dur, ist das immerhin ein fünffaches C, von dem angezielten D auf „Ros“ganz zu schweigen. Ein weiterer musikalischer Moment der leisen Fremdheit ist die Wechselrhythmik mit ihren aparten Synkopen, also verschleierten Akzenten, die immer dann eintreffen, wenn das geerdete Taktgefühl sie nicht erwartet oder um einen Schlag verrücken möchte – wie im vorletzten Takt. Hier gerät der Takt sozusagen ins freudig erregte Wanken.
Übrigens gibt es von diesem wundervollen Lied eine Nazi-Variante, die den originellen Versuch darstellt, die singuläre Christgeburt in ein Massengebären umzumünzen: „viel Tausend Kinderlein sind unseres Volkes Morgen“. Dieser Schwachsinn hat sich natürlich nicht durchsetzen können.
„O du fröhliche“
Beinahe wäre dieses feierliche Weihnachtslied den Weg alles Irdischen gegangen, denn seine ursprünglichen Aufgaben waren für ein einziges Lied zu schwer. Es war mit seinen drei Strophen auf Weihnachten, Ostern und Pfingsten ausgerichtet: „Gnaden bringende Osterzeit“oder „Gnaden bringende Pfingstenzeit“.
Das war unbefriedigend für die örtliche Gemeinde, wenn sie ein Lied von Heiligabend zu Ostern erneut singen musste.
So kam es, dass dieses Lied des Weimarer „Waisenvaters“Johannes Daniel Falk (1768–1826) drei Jahre nach dessen Tod von seinem Gehilfen Heinrich Holzschuher zum exklusiven Weihnachtslied umgedichtet wurde. Entnommen hatte Falk die Melodie übrigens dem in Italien noch heute lebhaft gesungenen Marienlied „O sanctissima, o purissima, dulcis virgo Maria“.
Musikalisch ist „O du fröhliche“von jener bewundernswerten Einfachheit gekennzeichnet, die dann schon wieder etwas Erhebendes hat. 45 Töne umfasst das Lied, der Komponist