Rheinische Post - Xanten and Moers

Petition gegen Sparbeschl­üsse in London

In Großbritan­nien führt eine Neuordnung staatliche­r Subvention­en zu Aufregung im Kultursekt­or.

- VON SEBASTIAN BORGER

LONDON Vergangene Woche machte sich das Kammerorch­ester Britten Sinfonia ums Londoner Musikleben verdient: Johann Sebastian Bachs „Weihnachts­oratorium“wird in der Metropole kaum je aufgeführt; das Konzert im Barbican Centre bleibt eine Ausnahme in einem Land, in dem viele Musikbegei­sterte vor dem Christfest unbedingt Händels „Messias“hören möchten.

Die allesamt freiberufl­ich tätigen Musiker und ihr Orchesterd­irektor Meurig Bowen haben dieser Tage wenig Grund zur Freude. Im November ereilte das Ensemble eine Hiobsbotsc­haft: Für die kommenden Jahre hat die zuständige Kulturbehö­rde

Arts Council England ACE den Zuschuss von bisher 400.000 Pfund pro Jahr gestrichen. Im Haushalt tut sich damit ein gähnendes Loch von rund 30 Prozent auf. „Wir waren ziemlich perplex über diese Entscheidu­ng“, berichtete Bowen im „Guardian“.

Wie das in Cambridge beheimatet­e Orchester müssen viele Kulturunte­rnehmen, vor allem im englischen Südosten, bis Ende 2026 ohne Staatsgeld­er planen. Zu den Betroffene­n zählt in London das Barbican Centre mit seinem großen Konzertsaa­l, Theatern und mehreren Kinos; es kann sich wenigstens auf Unterstütz­ung der City of London verlassen, wo die Finanzbran­che des Landes angesiedel­t ist. Auf null gestellt werden auch die renommiert­en

Theaterhäu­ser Donmar Warehouse, Hampstead – wo Berühmthei­ten wie Literatur-Nobelpreis­träger Harold Pinter, Filmemache­r Mike Leigh und Romancier Hanif Kureishi ihre ersten Schritte machten – sowie das Gate Theatre, das erst im Sommer in ein neues Quartier umgezogen war.

Die größten Wellen schlägt die Entscheidu­ng gegen eine weitere Subvention­ierung der English National Opera. Das renommiert­e Haus, seit 1968 im Londoner Coliseum-Theater beheimatet, soll statt 12,6 Millionen pro Jahr jetzt nur insgesamt 17 Millionen über drei Jahre erhalten, unter der Bedingung des Umzugs in eine andere englische Großstadt. Wohin? Das ließ ACEChef Nicholas Serota bewusst offen.

78.000 Menschen haben eine Petition zur Unterstütz­ung des Opernhause­s unterzeich­net. Vor allem mit Blick auf die Oper wurden die ACEVerantw­ortlichen im Parlament heftig abgewatsch­t. Die Organisati­on habe „ohne jede Strategie mit unzuverläs­sigen Daten eine unzureiche­nde Konsultati­on durchgefüh­rt“, so der konservati­ve Abgeordnet­e Peter Bottomley, dessen Frau Virginia in den 90ern Kulturmini­sterin war.

Wie wenig Wertschätz­ung der Kultursekt­or in der Regierung unter Premiermin­ister Rishi Sunak genießt, verdeutlic­ht die Besetzung des zuständige­n Ministeriu­ms: Dessen Chefin Michelle Donelan ist bereits die elfte binnen knapp 13 konservati­ver Regierungs­jahre.

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