Rheinische Post - Xanten and Moers
Die Zukunft der Arbeitswelt
Künstliche Intelligenz erfüllt bereits heute viele Aufgaben – nicht nur im produzierenden Gewerbe. Wird die eigene Arbeit also bald überflüssig? Eine berechtigte Frage vieler Arbeitnehmer. Was Experten voraussagen.
Ein Generator, der komplette Berichte schreibt oder anhand kurzer Beschreibungen beeindruckende Illustrationen erschafft: Die Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz (KI) mittlerweile bietet, sind verblüffend. Und zum Teil beängstigend. Schließlich stellt sich schnell die Frage: Wird meine Arbeit schon bald überflüssig, wenn KI meinen Job schneller und günstiger erledigen kann?
„Letztendlich ist die Frage nach der Automatisierung eine Sache, die uns als Produktionsstandort seit Dekaden beschäftigt“, sagt Frank Riemensperger, Präsidiumsmitglied bei der Akademie der Technikwissenschaften (acatech). Betroffen davon seien seit jeher vor allem Tätigkeiten, die repetitiv und wiederholbar sind. Künstliche Intelligenz kommt laut Riemensperger da ins Spiel, wo sich Aufgaben datenbasiert modellieren lassen. Ein Beispiel sind etwa Tätigkeiten in der Kundenberatung, die zunehmend Chatbots übernehmen können.
Laut Sascha Stowasser, Leiter des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa), lassen sich insbesondere solche Tätigkeiten durch KI substituieren, die wirtschaftlich abgebildet werden können. Dafür spielt es etwa eine Rolle, ob eine Tätigkeit in Unternehmen nur selten verfügbar ist oder sich massenweise ersetzen lässt. Manche Branchen würden dabei verstärkt beeinflusst, so Stowasser.
Der Arbeitswissenschaftler zählt zum Beispiel den Finanzsektor und die Versicherungsbranche auf, wo viele Datenmengen vorliegen. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz werde dabei vor Berufen mit hohen Qualifikationsanforderungen nicht haltmachen. Ärzte zum Beispiel können
Bilddaten kaum besser analysieren als eine Maschine. Ein Algorithmus kann Gerichtsgutachten deutlich schneller erstellen als ein Jurist, der dafür Tage bräuchte.
Ob Komposition von Filmmusik oder die Sportkolumne im Netz: „Es wird im Prinzip jegliches Berufsbildungsprofil treffen. Überall da, wo viele Daten vorhanden sind, kann die KI kommen und die Tätigkeit ersetzen“, sagt Stowasser. Grund zur Panik müsse das ihm zufolge aber nicht sein. „Der Arzt ist dann zum Beispiel wieder das, was er mal war“, sagt er. „Er wirkt als Schnittstelle zu den Menschen und hat idealerweise wieder mehr Zeit, zu erklären.“
Ängste, dass eine Technologie Arbeitsplätze wegnimmt, habe es genauso schon bei der Einführung der Dampfmaschine oder des Computers
gegeben. „Das Szenario, dass Menschen reihenweise Arbeitsplätze verloren haben, ist nie eingetreten. Ein ähnliches Bild erwarte ich auch bei der KI“, sagt Stowasser.
Vera Starker, Co-Founderin des Thinktanks Next Work Innovation (NWI), schätzt die Lage etwas weniger optimistisch ein. „Würden alle Jobs ersetzt, bei denen das rein theoretisch möglich ist, würden wir viele Tätigkeiten in den kommenden Jahrzehnten nicht mehr brauchen“, sagt sie. Dieses Szenario würde sich auch durch Jobs, die durch den Fachkräftemangel unbesetzt bleiben, nicht ausgleichen lassen, weil es kompetenzseitig nicht passen würde. „Aus meiner Sicht sind wir letztendlich erst am Anfang dessen, was kommen wird.“
Angst hält die Wirtschaftspsychologin aber dennoch nicht für einen guten Ratgeber. Sie rät Berufstätigen, für sich selbst eine Einschätzung zu treffen und herauszufinden, wie sich das Substituierungspotenzial des eigenen Jobprofils bewerten lässt. Anfangs kann dabei zum Beispiel der Job-Futuromat des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) helfen. Das Online-Tool soll bei der Beantwortung der Frage helfen, ob digitale Technologien einen Job verändern werden.
Die sich durch KI auftuende Weggabelung sollten Beschäftigte
Sascha Stowasser Arbeitswissenschaftler
als Chance auffassen. Auf Basis ihrer Recherche können sie demnach für sich abwägen: Welche Möglichkeiten liegen für mich in der aktuellen Entwicklung? Was würde ich vielleicht beruflich gerne tun?
Nach Sascha Stowassers Erfahrung planen Unternehmen bislang selten, ganze Prozesse oder Tätigkeiten mittels künstlicher Intelligenz zu ersetzen. „Wir müssen Ängste der Menschen wahrnehmen, dürfen diese aber nicht überbewerten. Faktisch können keine Massenentlassungen aufgrund KI-Systemen belegt werden. Es gibt auch keinerlei Intentionen in den Unternehmen, die KI für großflächige Rationalisierungsmaßnahmen zu nutzen“, sagt er.
In einem idealen Szenario sollten starke Algorithmen hoch beschäftigte Menschen dabei unterstützen, ihre Arbeit zu bewältigen, so Stowasser. Damit dieser Ausblick erfüllt wird, müssen Beschäftigte dem Experten zufolge künftig vor allem Neugierde und Offenheit gegenüber neuen Technologien zeigen. Nicht jeder müsse deswegen zum Programmierer oder KI-Experten werden. Beschäftigte sollten aber den richtigen Umgang lernen und zum Beispiel erkennen können, wann die KI „Datenmüll“produziere.
Das Thema Weiterbildung liegt laut Frank Riemensperger etwa zu gleichen Teilen bei den Unternehmen und bei den Mitarbeitern selbst. „Was uns allen guttut, ist uns fortzubilden, wie eine neue Technologie funktioniert“, sagt er. Der Umgang mit KI werde aber nicht in einer einmaligen großen Transformation ablaufen, sondern sich kontinuierlich in unseren Alltag einschleichen.
„Überall da, wo viele Daten vorhanden sind, kann die KI die Tätigkeit ersetzen“