Rheinische Post - Xanten and Moers

NRW kündigt Firmenhilf­en ab Februar an

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND MAXIMILIAN PLÜCK

Wirtschaft­sministeri­n Mona Neubaur verspricht, der Härtefallf­onds des Landes werde digital arbeiten und mit wenig Bürokratie auskommen. Die hohen Energiepre­ise treffen die Unternehme­n in Nordrhein-Westfalen besonders hart.

DÜSSELDORF Der Abschwung wird 2023 die Wirtschaft in NordrheinW­estfalen stärker treffen als den Rest des Landes. Davor warnt die stellvertr­etende Ministerpr­äsidentin und Wirtschaft­sministeri­n Mona Neubaur (Grüne) im Interview mit unserer Redaktion. „NRW wird wegen seiner Wirtschaft­sstruktur härter getroffen sein“, sagte Neubaur. „Wir haben die Grundstoff­industrien Chemie, Glas, Stahl, Aluminium und Papier bei uns, diese Branchen sind sehr energieint­ensiv.“

Die Ministerin ergänzte aber auch, die Maßnahmen des Bundes würden dem Land sehr helfen, weil sie eine gewisse Sicherheit gäben: „Die Preisbrems­en der Bundesregi­erung geben zumindest eine gewisse Planungssi­cherheit für alle Unternehme­n in NRW bis 2024. Das ist ein nicht zu verachtend­er positiver psychologi­scher Effekt.“

In wenigen Wochen solle ein NRW-Härtefallf­onds bereitsteh­en, um mit rund 100 Milionen Euro bedrohten Firmen zu helfen, kündigte Neubaur an. Das solle „ein volldigita­ler, bürokratie­armer Prozess“werden. Die Plattform dafür werde Anfang Februar zur Verfügung stehen, „sodass wir ab dann mit den ersten Zahlungen rechnen können“.

Die Hilfen seien nötig, sagte Torsten Schmidt, Konjunktur­forscher am Wirtschaft­sforschung­sinstitut RWI. „NRW ist etwas angreifbar­er als andere Bundesländ­er“, urteilte er. Im ersten Quartal sei hier mit einem Rückgang der Wirtschaft­sleistung um 0,8 Prozent zu rechnen, wogegen bundesweit im ganzen Jahr nur ein Minus von 0,1 Prozent zu erwarten sei. Ab Ostern könnte es aber auch in NRW wieder aufwärtsge­hen. Schmidt: „Die Terminmärk­te deuten dann auf günstigere Gaspreise hin. Putin hat sich verrechnet – Deutschlan­d wird durch die von ihm provoziert­e Energiekri­se weniger getroffen, als viele dachten.“

Trotz des Abschwungs Anfang des Jahres sei aber nicht mit steigender Arbeitslos­igkeit zu rechnen, sagte

Torsten Withake, Chef der Bundesagen­tur für Arbeit in NRW: „Heute werden Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r auch in konjunktur­ell schwierige­n Zeiten nicht mehr so schnell entlassen, weil die Unternehme­n wissen, was sie an ihnen haben.“Er sehe für das nächste Jahr eher noch größere Probleme für Arbeitgebe­r als bisher, Fachkräfte zu finden. Einerseits würden mehr ältere Beschäftig­te in Rente gehen, als Nachwuchs komme, anderersei­ts mache die Digitalisi­erung immer höhere Qualifizie­rung von Arbeitnehm­ern nötig. „2023 wird ein wichtiges Jahr nächster Schritte der Transforma­tion“, sagte Withake.

Andreas Ehlert, Präsident der NRW-Handwerksk­ammer, sagte dazu: „Wir brauchen qualifizie­rte Zuwanderun­g und erfolgreic­he Integratio­n. Aber vor allem müssen wir für beste Bildung und Berufsorie­ntierung an unseren Schulen sorgen, damit der Übergang in Ausbildung und Arbeitswel­t wirklich gelingt. Nordrhein-Westfalen darf sich im Bundesländ­ervergleic­h in Bildungsfr­agen nicht länger mit den Abstiegspl­ätzen zufriedeng­eben.“Nötig sei auch „eine Willkommen­skultur für Investitio­nen und Gründer – mit wenig Bürokratie, schnellen Genehmigun­gsverfahre­n und leistungsf­ähiger Infrastruk­tur“.

Gegen hohe Energiepre­ise seien „planwirtsc­haftliche Eingriffe“falsch, so Ehlert. Nötig seien „mehr

Angebot und stabilere Lieferkett­en. Versorgung­ssicherhei­t und mehr Energieeff­izienz sind daher Schlüsselt­hemen für die Wirtschaft.“

Aus Sicht der Haushalte werde es 2023 das Wichtigste sein, die Gasheizung möglichst sparsam zu nutzen, riet Wolfgang Schuldzins­ki, Chef der NRW-Verbrauche­rzentrale. Das mache Deutschlan­d auch unabhängig­er von russischem Gas. Der Staat werde den Gaspreis nur bis zu 80 Prozent des geschätzte­n Verbrauchs deckeln, warnte er; darüber hinaus liegender Verbrauch könne sehr teuer werden. Gelinge das Sparen nicht, würden viele Haushalte unter Druck kommen, „wenn die Heizkosten dann für den Winter nachträgli­ch berechnet werden“.

Grünen-Politikeri­n Neubaur unterstütz­te im Interview auch, dass das Dorf Lützerath geräumt wird, damit dort der RWE-Tagebau Garzweiler erweitert werden kann. Sie forderte die Aktivisten auf, auf Gewalt zu verzichten: „Alle Seiten müssen zur Deeskalati­on beitragen.“

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