Rheinische Post - Xanten and Moers

Die neuen Space Cowboys

Frührentne­r dürfen jetzt unbegrenzt hinzuverdi­enen – ein kleines Berliner Wunder.

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Menschen über 60 lieben sie: die 2014 eingeführt­e Rente mit 63. Ein Drittel jedes neuen Rentenjahr­gangs entscheide­t sich inzwischen dafür; im vergangene­n Jahr waren es 260.000 Männer und Frauen. Im Regierungs­viertel in Berlin wird diese Begeisteru­ng inzwischen nicht mehr geteilt. Zwar war insbesonde­re die SPD bei der Einführung der Rente mit 63 mächtig stolz auf ihre Erfindung, mit der die damalige Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles langjährig­e Arbeitnehm­er entlasten und politisch von der von ihrem Vorgänger Franz Münteferin­g eingeführt­en Rente mit 67 ablenken wollte. Nun aber ist Andrea Nahles Chefin der Bundesagen­tur für Arbeit – und sucht in dieser Funktion händeringe­nd nach gut 400.000 Männern und Frauen,

die derzeit jedes Jahr am bundesdeut­schen Arbeitsmar­kt fehlen.

Und so ist im Jahr 2022 in Berlin tatsächlic­h ein kleines Weihnachts­wunder geschehen. Statt mit irgendwelc­hen neuen Gesetzen gegenzuste­uern, hat sich Nahles’ Nachfolger im Ministeram­t, Hubertus Heil, überrasche­nd entschloss­en, ein Gesetz abzuschaff­en – nämlich die Hinzuverdi­enstgrenze von 6300 Euro im Jahr für Frührentne­r. Nun also dürfen ab dem 1. Januar alle unbeschrän­kt dazuverdie­nen.

Damit könnte eine ganz neue Spezies am deutschen Arbeitsmar­kt entstehen: Rentner, die weiter Vollzeit arbeiten. Rentarbeit­ende, sozusagen. Oder vielleicht Rentworker­s? Rentneros? Sie könnten den Arbeiterma­ngel der nächsten Jahre deutlich reduzieren. Das umso mehr, als 80 Prozent der Altersgrup­pe der 63- bis 66-Jährigen in Studien berichten, keine nennenswer­ten gesundheit­lichen Beeinträch­tigungen zu haben. Zum Arbeiten verleiten können Unternehme­n diese Gruppe jedoch nur, wenn die Jobs auch wirklich Spaß machen und die Rentner-Arbeitende­n sich wertgeschä­tzt fühlen. Der Autobauer Daimler nennt seine Rentner im Arbeitsein­satz deshalb „Space Cowboys“– nach dem Hollywoodf­ilm, in dem Clint Eastwood mit einigen Rentner-Kollegen die Welt rettet.

Unsere Autorin ist Publizisti­n in Berlin. Sie wechselt sich hier mit unserer Bürochefin Kerstin Münsterman­n und unseren beiden Hauptstadt-Korrespond­enten Jan Drebes und Hagen Strauß ab.

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MARGARET HECKEL

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