Rheinische Post - Xanten and Moers

Student baut Schule fast im Alleingang

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Der Haaner Tim Nießner hat Geld für Kinder in Malawi gesammelt, denen er einen besseren Zugang zu Bildung ermögliche­n wollte. Vor ein paar Wochen eröffnete er die erste von ihm mitfinanzi­erte Schule.

HAAN Eine Schule gründen zu wollen, ist wohl eine gleicherma­ßen lobenswert­e wie vermessene Idee. Zumindest für einen Abiturient­en. Gleichwohl hatte sich der Haaner Tim Nießner den Plan vor mehr als einem Jahr in den Kopf gesetzt. „Mich ließ der Gedanke nicht los, dass viele Kinder in der Welt kaum Möglichkei­ten haben, ihr Leben zu verbessern“, sagt der 20-Jährige.

Chancen zu erkennen und zu nutzen, treibt den Studenten um. Während seiner Schulzeit hat er schon zwei erfolgreic­he Bücher darüber geschriebe­n, mit welchen Tricks ein 1,0er-Abitur zu erreichen ist. Nun wollte er den Fokus weiten auf diejenigen, denen solche Tipps nichts nützen, weil es keine Schule gibt, in die sie gehen könnten. Vor Kurzem durfte er nun eine durch ihn mitfinanzi­erte Schule in Malawi eröffnen. „Das war ein schöner Moment“, erzählt Nießner, „ich habe die ganze Zeit nur gestrahlt.“

Bis dahin aber war es ein mühsamer Weg. Nießner gründete mit Verwandten und Freunden den Verein „Let’s build a school“und suchte Partnerorg­anisatione­n mit dem nötigen Know-how. Seine Bedingung: Das von ihm gesammelte Geld sollte komplett für den Schulbau verwendet werden. Er fand die renommiert­e, schon mit dem Bundesverd­ienstkreuz ausgezeich­nete Christian-Liebig-Stiftung, die seit 2003 Schulen in Malawi baut – 28 wurden bislang realisiert. Bei der Stiftung war man zwar bereit, Nießner zu unterstütz­en, nur fehlte ihm da noch das Geld.

Das wollte er in Kooperatio­n mit Influencer­n sammeln, die mit ihrer Social-Media-Reichweite bei ihren Anhängern für sein Projekt werben sollten. „Ich habe rund 70 bekannte Influencer angeschrie­ben“, erzählt Nießner, „und einer wollte die erforderli­che Summe aus dem Erlös eines Plüschtier-Verkaufs gleich alleine spenden.“

Der Haaner blieb zunächst skeptisch, wollte sicherstel­len, dass alles mit rechten Dingen zuging. Darüber verging einige Zeit, irgendwann meldeten sich die Influencer Arazhul und Lars Oder So mit ihrem Angebot zurück und überwiesen 75.000 Euro. Die Stiftung legte noch einmal 40.000 Euro drauf, der Bau konnte beginnen. Vor einigen Wochen reisten Nießner und die beiden Influencer auf eigene Kosten nach Malawi, um die Schule zu eröffnen.

Ein eindrückli­cher Moment für alle sei das gewesen, erzählt der Student: „Das ist schon bewegend, wenn man eine Idee hatte und sieht, dass sie Realität geworden ist.“Die

Schule dockt an einen schon vorhandene­n, eher provisoris­chen Bau an und bietet nun Platz für 830 Kinder. Sie wurde an den Staat übergeben, der die Lehrer stellt. „Bisher wurde keine einzige der von der Stiftung gebauten Schulen geschlosse­n“, sagt Nießner: „Das war auch ein Kriterium für mich.“

Nach diesem Erfolg will Nießner auf jeden Fall weiter Geld sammeln.

Auch wenn er beim ersten Mal nicht die Masse der Follower erreichen konnte, sondern nur die Influencer selbst. Dennoch hält er seinen Weg für den richtigen. „Ich will mich mit meinem Verein auf junge Menschen fokussiere­n, weil die gerne spenden würden und schon ein kleiner Betrag reicht“, sagte er: „Die Masse macht es dann aus.“

Sein Ziel ist es diesmal, ein Mädchenwoh­nheim

an einer Schule zu finanziere­n, weil es für die Kinder zum Beispiel in Malawi oft gefährlich ist, wenn sie einen weiten Weg zum Unterricht zurücklege­n müssen. Der nun absolviert­e Schulbau sei eine perfekte Referenz, um mögliche Spender von der Ernsthafti­gkeit seines Anliegens zu überzeugen, sagt Nießner. Er könne belegen, dass das Geld ankomme, habe einen guten Partner und ein erstes Projekt erfolgreic­h gestemmt.

Natürlich hofft er, dass auch ein Influencer wie Arazhul mit seinen rund 2,6 Millionen Followern wieder mit im Boot ist. Das Interesse sei da, aber er wolle auch andere Influencer davon überzeugen, ihm zu helfen. „Ich weiß, dass viele von ihnen über karitative Projekte nachdenken – vielleicht nutzen sie die Chance, das gemeinsam mit mir zu machen“, sagt Nießner, der nach eigenen Angaben schon vom Erlös seines ersten Buches 25 Prozent an die UN-Flüchtling­shilfe gespendet hat.

Momentan arbeitet er an einer Präsentati­on seines neuen Vorhabens, mit dem er an Influencer herantrete­n will. Nebenbei, muss man fast sagen, studiert er Internatio­nal Business Administra­tion in Rotterdam. Sein berufliche­s Ziel: sich mit einem eigenen Unternehme­n selbststän­dig zu machen – möglicherw­eise im sozialen Bereich. Was für eine Überraschu­ng.

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FOTO: NIESSNER Der Student Tim Nießner in Malawi, wo er eine Schule gebaut hat.

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