Rheinische Post - Xanten and Moers
EU schärft Regeln für Onlinekredite
Jetzt kaufen, später zahlen – im Internet wird das beliebter, etwa bei Paypal und Klarna. Doch es droht die Schuldenfalle.
DÜSSELDORF Es mutet zunächst so bequem an: im Dezember die Weihnachtsgeschenke kaufen, aber erst in einigen Monaten dafür zahlen. Und das ohne Bonitätsprüfung und horrende Kosten. Im Onlinehandel ist das Prinzip „Buy now, pay later“(BNPL) weit verbreitet, die bekanntesten Anbieter des Onlinebezahlens sind Paypal und Klarna. Dass es sich bei den Ratenzahlungen um Kredite handelt, ist vielen jedoch nicht bewusst. Daher schärft die Europäische Union nun die Verbraucherschutzregeln.
Denn die Nachfrage nach Konsumgütern auf Pump wächst. Nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Schufa haben BNPL-Finanzierungen in Deutschland zuletzt deutlich zugenommen. Und eine Umfrage im Auftrag des Kreditvergleichsportals Smava hat ergeben, dass fast 20 Millionen Deutsche es für möglich hielten, ihre Ausgaben für Weihnachtsgeschenke, Adventsdeko und Tannenbaum in diesem Jahr per Kredit, Ratenkauf oder Zahlungsaufschub zu bezahlen. Ein Riesenmarkt also.
Was viele übersehen: Die Kunden müssen für den Aufschub zahlen. Wer die Zahlung um einen Monat verzögert, muss meist noch keine Zinsen berappen. In der Folge aber wird etwa die Paypal-Ratenzahlung zu einem effektiven Jahreszins in Höhe von 9,99 Prozent angeboten, bei Klarna sind es bis zu 14,99 Prozent. Damit Verbraucher da nicht in eine Schuldenfalle tappen, haben sich das Europaparlament und die EU-Staaten nun auf die sogenannte Verbraucherkreditrichtlinie geeinigt. Die Einigung muss noch vom Rat und vom Europäischen Parlament gebilligt werden.
So müssen Informationen über Kredite bis 100.000 Euro künftig verständlicher auf den Internetseiten ausgewiesen werden. Es soll unmissverständlich klar werden, dass und wie viel es kostet, sich Geld zu leihen. Zudem sollen die Anbieter verpflichtet werden, besser zu überprüfen, ob sich der Kunde den Kredit überhaupt leisten kann. Werbung soll darüber hinaus nicht mehr so gestaltet werden, als würden Kredite die finanzielle Situation der Schuldner verbessern. Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass Verbraucher einen BNPL-Vertrag ohne Angabe von Gründen innerhalb von 14 Tagen widerrufen können. Kunden haben außerdem das Recht auf eine vorzeitige Rückzahlung und die Reduzierung der Gesamtkosten ihres Kredits.
„Rapide angestiegene Strom- und Gasrechnungen, gestiegene Mieten und erhöhte Lebensmittelpreise setzen Verbraucher unter immensen Druck“, sagt der Europaabgeordnete Malte Gallée (Grüne), der an den Verhandlungen in Brüssel teilnahm. Es sei wichtig, dass BNPL-Anbieter künftig auch Bonitätsprüfungen durchführen müssten. „In der Vergangenheit wurde das Schwert des finanziellen Verbraucherschutzes, die Kreditwürdigkeitsprüfung, oft nur stumpf verwendet.“Teilweise reichten mündliche Aussagen – oder es seien Kredite auch bei negativer Kreditwürdigkeitsprüfung vergeben worden. „Damit ist jetzt Schluss“, sagt Gallée.
BNPL-Modelle werden häufig direkt beim Einkauf angeboten. Binnen weniger Klicks ist der Kreditvertrag abgeschlossen. „Das verleitet zu Impulskäufen. Oft sind sich die Verbraucher in diesen Momenten der tatsächlichen Kosten des Kredits nicht bewusst, da einige Informationen nicht ordnungsgemäß angezeigt werden.“Hinzu komme, dass eine Kreditwürdigkeitsprüfung fehle – so könnten BNPL-Angebote bei Kunden den Eindruck erwecken, „dass sie sich den Artikel leisten können – obwohl das möglicherweise gar nicht der Fall ist“, so der Grüne.
Und auch Johannes Müller vom Team Finanzmarkt beim Bundesverband der Verbraucherzentralen ( VZBV ) warnt vor den Gefahren von BNPL: „Vor allem junge Menschen werden beim Onlineshopping von BNPL-Angeboten angesprochen.
Sie haben weniger finanzielle Erfahrung, und die Ratenzahlungen sind derzeit nicht eindeutig als Kredit erkennbar. Geht der Überblick über offene Rechnungen verloren, und die eigentlich kleinen Beträge summieren sich, können BNPL-Angebote zur Schuldenfalle werden“, sagt Müller. „Die Vorgaben aus Brüssel müssen jetzt ehrgeizig und wirksam umgesetzt werden, um den Schutz für Verbraucher hier wesentlich zu verbessern.“
Vollends zufrieden ist Malte Gallée allerdings nicht. Der EU-Parlamentarier ärgert sich, dass die Mitgliedstaaten sich geweigert haben, die Sanktionen für Verstöße gegen die Verbraucherkreditrichtlinie zu harmonisieren. Die Grünen hätten Geldbußen von mindestens vier Prozent des Umsatzes des Gläubigers gefordert, so der Mann aus Bayern. „Der Kompromiss besagt lediglich, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass angemessene Verwaltungsmaßnahmen oder Sanktionen angewandt werden“, sagt Gallée. Hinzu kommt, dass man sich nicht auf verbindliche Kostenobergrenzen für die gesamte Europäische Union festlegen konnte. Das hatte die Kommission ursprünglich vorgeschlagen. „Stattdessen lässt der Kompromiss den Mitgliedstaaten genügend Spielraum, sodass sie sich auf Wuchergesetze statt auf eine tatsächliche Obergrenze stützen können – wie es zum Beispiel in Deutschland der Fall ist“, sagt Malte Gallée.