Rheinische Post - Xanten and Moers
Arbeiten in der Sonne
Immer mehr Deutsche ziehen im Winter für längere Zeit in wärmere Regionen. Workation heißt das.
BERLIN Großzügige Homeoffice-Regelungen, hohe Energiepreise und das trübe Wetter im deutschen Winter haben einen Reisetrend verstärkt: Immer mehr Deutsche entscheiden sich in diesen kalten Wintermonaten für einen längeren Aufenthalt in wärmeren und oft auch günstigeren Regionen. Langzeiturlaube und „Workation“-Aufenthalte – eine Mischung aus Urlaub und Arbeit – etwa auf den Kanarischen Inseln, in Nordafrika oder der Türkei werden nicht mehr nur von Rentnerinnen und Rentnern, sondern zunehmend auch von jüngeren Menschen im Erwerbsalter nachgefragt.
„Da die Buchungen in den letzten zwei Jahren tendenziell kurzfristiger getätigt wurden, stehen für den Winter 2022/23 sicher noch einige Buchungen aus. Aber wir sehen jetzt schon den Trend, dass immer mehr unserer Gäste eine längere Zeit im Ausland verbringen“, sagt Sven Schikarsky, Chief Product Officer bei DER Touristik. Das Rewe-Tochterunternehmen gehört neben Tui und Alltours zu den größten deutschen Reiseveranstaltern.
„Die beliebtesten Longstay-Ziele unserer Gäste sind im Winter die Kanaren, die Türkei, Tunesien, Ägypten, Thailand, Mallorca und Portugal.
Für die Türkei verzeichnen wir beispielsweise einen Umsatzzuwachs von 55 Prozent gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019. Auch in Tunesien ist der Anteil an Langzeiturlauben im Vergleich zu regulären Urlauben um knapp 20 Prozent gestiegen“, sagt Schikarsky.
Bis zur Corona-Pandemie hätten fast nur Rentnerinnen und Rentner in wärmeren Gefilden überwintert. „Hinzugekommen ist in den vergangenen Jahren eine Gruppe jüngerer Menschen, die ihren Arbeitsplatz zeitweise ins Ausland verlegen können“, sagt der DER-Manager. „Die längste Aufenthaltsdauer wurde bisher in diesem Winter mit 175 Tagen in Tunesien und mit 150 Tagen auf den Kanaren gebucht. Im Schnitt bleiben unsere Langzeiturlauber 29 Tage“, berichtet Schikarsky. Ob man im Süden günstiger überwintere, hänge zwar von der jeweiligen Lebenssituation ab: „Fakt ist aber, dass sich der nasskalte deutsche Winter unter Palmen sehr angenehm verbringen lässt.“
Immer mehr Arbeitgeber bieten flexible Arbeitsplatz-Lösungen an, um Mitarbeiter zu halten. Sie werden von jüngeren Beschäftigten heute auch wie selbstverständlich als Voraussetzung bei der Einstellung nachgefragt. „Die Hotels in den entsprechenden Destinationen stellen sich daher immer mehr auf die speziellen Bedürfnisse der Workation-Gäste ein und bieten Zimmer mit größeren Schreibtischen, ergonomischen Stühlen, Druckern, Monitoren und so weiter. HighspeedW-Lan
und Coworking-Bereiche gehören dazu“, berichtet Schikarsky.
Von einer ähnlichen Entwicklung berichtet die Tui, der weltgrößte Reisekonzern: Zielgruppe vieler Hotels seien von November bis April zunehmend Menschen, die „dem deutschen Winter und steigenden Energiekosten entfliehen“wollen.
Wer zu Hause in der kalten Jahreszeit die Heizung abdrehen kann, kann zudem angesichts der Energiepreiskrise stattliche Summen sparen – für einen Zwei-Personen-Haushalt etwa können es monatlich 200 bis 400 Euro sein. „Mit den neuen Möglichkeiten des Homeoffice und flexiblen Arbeitszeitmodellen hat der Trend eine neue Klientel geschaffen“, sagte unlängst Tui-Deutschland-Chef Stefan Baumert.
Der Deutsche Reiseverband (DRV) erwartet nach den CoronaUmsatzeinbrüchen ein wieder anziehendes Geschäft. „Der bevorstehende Reisewinter wird im Vergleich zur Wintersaison vor einem Jahr aller Voraussicht nach deutlich besser werden“, sagte DRV-Chef Norbert Fiebig im Herbst. Die meisten Reiseländer hätten keine CoronaEinreisebeschränkungen oder nur noch geringe Auflagen. Im Vergleich zum Winterhalbjahr 2018/19 lag der Buchungsumsatz Ende August allerdings um ein Drittel im Rückstand.