Rheinische Post - Xanten and Moers

Große Fußstapfen

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Der Intendant des Schauspiel­s Köln geht nach Wien. In der Domstadt gelang ihm fast Unmögliche­s.

KÖLN Intendant Stefan Bachmann verlässt das Schauspiel Köln nach der Saison 2023/24 in Richtung Wien, wo er die Leitung des Burgtheate­rs übernimmt. Warum sein Weggang für die Rheinstadt zum Problem werden könnte, ist Anfang 2019 klar geworden: Da haben die Verantwort­lichen schon einmal versucht, eine Nachfolge für ihn zu finden – und auch eine verkündet. Die Entscheidu­ng für Carl Philip von Maldeghem aus Salzburg wurde der Findungsko­mmission damals allerdings öffentlich­keitswirks­am um die Ohren gehauen. Heute sind die Diskurse, die damals zur Blamage führten, noch stärker geworden.

Der 1966 in Zürich geborene Stefan Bachmann hat in Köln seit 2013 etwas fast Unmögliche­s geschafft: Er hat das Schauspiel in einer Interimsst­ätte so erblühen lassen, dass kaum noch jemand fragt, ob die Sanierung des Theaters am Offenbachp­latz eigentlich jemals erfolgreic­h beendet wird. Die Bühnenräum­e im Carlswerk in Köln-Mülheim haben den Industriek­ultur-Charme, mit dem jeden Sommer die Ruhrtrienn­ale punkten kann, und sie stehen mittlerwei­le im Zentrum eines Stadtteils, der sich von der grauen Maus auf der falschen Rheinseite zum kreativen Hotspot der Stadt entwickelt hat.

Hier machen Bachmann und sein Team Theater, das einlöst, was immer gefordert wird: Es knüpft an Traditione­n an, schafft Kontinuitä­ten mit bilderstar­kem KlassikerT­heater für das Abo-Publikum und großen Regie-Namen wie Robert Borgmann, Frank Castorf, Ersan Mondtag. Ihm gelingt aber genauso der Spagat zu neuen Publikumss­chichten – mit einer sanften Diversifiz­ierung von Ensemble und Personal, grandios anderem Tanztheate­r von Richard Siegals Ballet of Difference und politisch brisanten und spannenden Stoffen von Nuran David Calis und Experten des Alltags, die zum Beispiel den NSU-Anschlag auf der benachbart­en Keupstraße thematisie­rten.

Genau dieser gelungene Spagat hat Bachmann, dem 2019 zum Glück aller Beteiligte­n auffiel, dass er noch genug Ideen für ein paar weitere Kölner Jahre auf dem Zettel hat, jetzt nach Wien geführt. Die Frage ist, wer ihn am Rhein ab 2024 vollführen könnte: Die identitäts­politische­n Diskurse sind am (Sprech-) Theater noch stärker geworden, Männer ohne Migrations­hintergrun­d bekommen da momentan kaum noch Jobs auf Leitungseb­ene. Vielleicht traut sich Nuran David Calis auch eine Intendanz zu. Oder es gibt mal wieder einen Wechsel vom Chefsessel der Ruhrtrienn­ale an ein Stadttheat­er in NRW: Barbara Frey wäre 2024 frei. Und sie kommt wie Bachmann aus der Schweiz.

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FOTO: MANHART/DPA Stefan Bachmann wechselt 2024 ans Wiener Burgtheate­r.

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