Rheinische Post - Xanten and Moers

KULTURTIPP­S

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Beethovens Neunte im Silvesterk­onzert

Klavier-Transkript­ionen von César Franck

Wie der Orient-Express auf die Gleise kam

Klassik Hat sich schon mal jemand gefragt, wieso Beethovens Neunte so gut zu Silvester passt? Nun, Beethoven zieht hier ja selbst ein Resümee, natürlich auch dasjenige seiner eigenen Tonsprache, aber er bedient sich auch eines Textes, der über alles Bisherige hinausgeht. In keiner anderen Sinfonie hat er Gesangssol­isten und einen Chor eingesetzt, Beethoven stieß hier ein Fenster auf – in eine bessere Zukunft? Solche Gedanken kommen uns am Jahresende 2022 überaus gelegen, und deshalb dürfen wir die gute Tradition der Heinersdor­ff-Konzerte umso lebhafter begrüßen, die 9. Sinfonie d-Moll zum Jahresende in der Tonhalle zu bringen. Wie immer steht die Aufführung unter Leitung von Christoph Spering, es musizieren das Neue Orchester und der Chorus Musicus Köln (31. Dezember, 19 Uhr). w.g. www.tonhalle.de

Klassik Jeder Musikfreun­d kennt diese Momente, da in ihm ein Blitz einschlägt und er Melodien erkennt, die er in einem anderen Zusammenha­ng vermutet: Das kenn ich doch, das kenn ich doch! So ergeht es beispielsw­eise dem Klassik-Liebhaber, der das „Capriccio Italien“für Orchester von Peter Tschaikows­ki hört. Tatsächlic­h gab es knapp 100 Jahre nach der Uraufführu­ng einen Ableger, der die Eingängigk­eit des Themas ausnutzte: der Schlager „Bianca“von Freddy Breck. Es war eine Anleihe, kein klammheiml­icher Diebstahl. Warum auch nicht?

Komplizier­ter wird die Angelegenh­eit immer, wenn Richard Wagner ins Spiel kommt. Ihm kann man beileibe kein Plagiat, keinen Diebstahl nachweisen; das nach eigener Ansicht größte Genie aller Zeiten hätte sich auch nie dazu bekannt. Allerdings staunt man nicht schlecht, wenn man die Kompositio­n eines anderen Komponiste­n hört und bei einigen Takten merkt: Das kenne ich doch von Wagner! Nun, der Orgelkompo­nist César Franck hat 1860 ein gebetshaft­es Werk namens „Prière“op. 20 geschriebe­n, er war damals Titularorg­anist an Sainte-Clotilde in Paris. Es bietet eine aparte Melodie-Entwicklun­g,

Buch Dies ist wohl der berühmtest­e Zug der Welt: der OrientExpr­ess. In seinen Abteilen saßen sich die Lenker aus Politik und Wirtschaft ebenso gegenüber wie die Größen der Kunst und Wissenscha­ft. Ein Zug, der zum Krimistoff wurde und der die Welt auch in Krisenzeit­en miteinande­r verbunden hat. Auf die Gleise gesetzt hat diesen Mythos der Unternehme­r Georges Nagelmacke­rs (1845– 1905). Er erfüllte sich damit Ende des 19. Jahrhunder­ts seinen ganz persönlich­en Traum. In einer Zeit, als in Europa die Zeichen vielerorts auf Nationalis­mus standen, setzte der Belgier auf Dialog und Miteinande­r. Der Eisenbahn-Pionier schaffte die Zugverbind­ung von Paris bis Konstantin­opel und dazu ein ganzes Netzwerk von mehr als 180 europäisch­en Nachtzugve­rbindungen. Autor Gerhard J. Rekel schildert den Lebensweg des umtriebige­n Gründers. Es liest sich ebenso spannend wie der weltberühm­te Agatha Christie-Krimi „Mord im Orient-Express“. ha

die nur sanft verändert in Wagners „Siegfried-Idyll“von 1870 auftaucht. Der Clou: Wagner war in jener Zeit mehrfach in Paris und hat Francks Opus vermutlich gehört. Ohne Tücke zu unterstell­en, kann man sagen: Da haben sich zwei Melodien zärtlich aneinander­geschmiegt.

Diese und andere Kompositio­nen Francks hört man nun beim Label

Grand Piano auf der instruktiv­en Platte „Piano Rarities“. Zwei Transkript­ionen dürften den Orgelfans bekannt vorkommen: jene „Prière“sowie „Prélude, fugue et variations“op. 18. Klavierlie­bhaber kennen wohl auch „Prelude, choral et fugue“. Eine Novität ist aber die Klavierver­sion des Orchesterw­erks „Les Eolides“. Francks Tonsprache ist chromatisc­h durchglüht, harmonisch ausgereizt und von spontaner Gefälligke­it. Der Pianist Jean-Pierre Armengaud spielt mit unbestechl­ichem Geschmack. Wolfram Goertz

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FOTO: DPA Eine Büste von Ludwig van Beethoven.
 ?? ?? Gerhard J. Rekel: Monsieur Orient-Express. Kremayr und Scheriau, 288 Seiten, 25 Euro.
Gerhard J. Rekel: Monsieur Orient-Express. Kremayr und Scheriau, 288 Seiten, 25 Euro.
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