Rheinische Post - Xanten and Moers
„Diese Gruppen verstehen nur Härte“
Die Polizei geht davon aus, dass es vielfach junge Männer mit Migrationshintergrund waren, die Feuerwehrleute in der Silvesternacht attackierten.
DÜSSELDORF Nach den brutalen Attacken auf Feuerwehrleute und Polizisten in der Silvesternacht hat sich eine Debatte entwickelt über mögliche Motive der Angreifer sowie zur Frage, wie solche Taten zu verhindern sind. Neben Berlin war es auch in NRW-Städten wie Düsseldorf, Duisburg und Essen zu Ausschreitungen gekommen. In Bonn hätten laut Polizei mehrere Jugendliche Müllcontainer angezündet und anschließend die Feuerwehr bei ihrem Einsatz mit Pyrotechnik und Steinen beworfen. In Hagen hätten vermummte Täter eine Straßenbarrikade gebaut und angezündet – auch dort seien die eintreffenden Rettungskräfte mit Feuerwerk beworfen worden. In Essen und Bochum wurden Polizisten selbst zur Zielscheibe, als sie verhindern wollten, dass sich Personengruppen gegenseitig mit Raketen beschießen. Insgesamt seien 250 mutmaßliche Täter in der Silvesternacht festgenommen worden, erklärte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). „Ich werde nie verstehen, warum man Polizisten, Sanitäter oder Feuerwehrleute angreift, die für unser aller Sicherheit im Einsatz sind“, sagte Reul: „Bei den Randalierern hatten wir es offenbar ganz überwiegend mit jungen Männern in Gruppen zu tun, häufig mit Migrationshintergrund.“
Auch die Polizei geht davon aus, dass es sich bei den Tätern vielfach um junge Männer mit Migrationshintergrund handelt. Man habe es aber nicht mit einer homogenen Gruppe zu tun, viele von ihnen seien auch hier geboren, hätten einen deutschen Pass, sagt Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Wir reden über einen kleinen Teil von Menschen, die den Staat nicht akzeptieren und die Institutionen angreifen, die ihn repräsentieren“, so Rettinghaus. Ihnen seien falsche Werte vermittelt worden, ganz unabhängig vom Hintergrund. „Diese Personen passen nicht zu unserer Gesellschaft“, sagt der DPolG-Vorsitzende.
Das sieht auch der Berliner Autor und Psychologe Ahmed Mansour so, der eine Integrationsdebatte fordert: „In Berlin gibt es Gruppen von Jugendlichen, die den Staat als sehr schwach wahrnehmen, weil sie selbst aus sehr patriarchalen Strukturen kommen.“Einige hätten in ihren Heimatländern einen Polizeistaat erlebt, nähmen die demokratische Polizei als schwach wahr und suchten „Streit und Kontakt mit diesen schwachen Polizisten“. Allerdings seien Böllerverbote keine Lösung, das Problem müsse grundsätzlicher angegangen werden, entscheidender sei es, die Menschen zu erreichen und bei ihrem Verständnis für den Staat und den Rechten des Einzelnen anzusetzen.
Aus der Sicht von Rettinghaus sind diese Gruppen kommunikativ nicht mehr zu erreichen. „Sie verstehen nur Härte“, sagt er und fordert, dass Täter verfolgt und bestraft werden müssten. Dies scheitere aber oft schon an der mangelnden personellen Aufstellung der Polizei. Denn grundsätzlich können Angriffe auf Polizisten, ermittelnde Staatsanwälte, Feldjäger und andere Sicherheitskräfte seit einer Gesetzesänderung 2017 mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden. Zuvor hatte es eine besondere Strafandrohung nur für Angriffe bei Vollstreckungshandlungen wie etwa Festnahmen gegeben, seit der Reform auch während jeder anderen Diensthandlung. Ebenso geschützt wurden durch die Änderung Kräfte der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes und der Rettungsdienste. Allerdings ist es oft schwierig, einzelne Täter zu identifizieren und zu überführen, weil Flaschen, Steine oder Böller aus einer Menge heraus geworfen werden.
Innenminister Reul wirbt dafür, jede Gewalttat gegen Einsatzkräfte auch anzuzeigen. „Denn jetzt kommt es darauf an, dass die Strafe auf dem Fuße folgt und diese Chaoten die Konsequenzen ihres Handelns spüren“, sagt Reul. Wenn nicht gezielt gegen die Täter vorgegangen werde, befürchtet Rettinghaus irgendwann Verhältnisse in den deutschen Städten wie in den Banlieues, den von hoher Kriminalität geprägten Vororten der französischen Metropolen. Dort würde die Feuerwehr gar nicht mehr hineinfahren, weil sie sofort attackiert werde. „Was wir gerade bei uns erleben, sind die Anfänge einer solchen Entwicklung“, sagt Rettinghaus. Die Politik sei gefordert gegenzusteuern, und zwar schnell. Denn bei den Angriffen handle es sich nicht um ein Phänomen, das schnell wieder verschwinde. Rettinghaus: „Wir müssen diesen Leuten klarmachen, dass wir das in unserer Gesellschaft nicht akzeptieren.“(mit dpa)