Rheinische Post - Xanten and Moers

Luftnummer Lufttaxi?

Die Landesregi­erung hat versproche­n, NRW zu einem Knotenpunk­t für elektrisch­e Kleinflugz­euge zu machen. Doch gezielte Finanzhilf­en für das Projekt gibt es nicht.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Bei einem Presseterm­in im September 2020 kündigte der damalige NRW-Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst (CDU) an, das Land solle zu einem Knotenpunk­t für Flugtaxis werden. „Was heute noch wie Science-Fiction klingt, kann schon bald Realität sein“, versprach der heutige Ministerpr­äsident damals im Foyer des Düsseldorf­er Stadttors. „Wir sind zuversicht­lich, dass wir in mehreren Regionen bis zum Jahr 2025 als neuer Verkehrstr­äger etabliert sein werden. NRW ist bestens aufgestell­t, eine dieser Regionen zu werden“, ergänzte das Vorstandsm­itglied und Mitgründer des Technologi­e-Startups Lilium, Daniel Wiegand. Die Flughäfen Köln/Bonn und Düsseldorf gehören ebenfalls zu den Projektpar­tnern.

Doch auch zwei Jahre nach dem Startschus­s sind konkrete Ergebnisse immer noch nicht in greifbarer Nähe. Eine Sprecherin von NRWVerkehr­sminister Oliver Krischer (Grüne) erklärte auf Anfrage unserer Redaktion: „Im Jahr 2023 wird es nach derzeitige­r Einschätzu­ng noch keine sichtbaren Tätigkeite­n bezüglich Flugtaxis für den Personentr­ansport an den beiden großen Flughäfen in NRW geben.“

Ein Sprecher des börsennoti­erten Unternehme­ns aus dem bayerische­n Weßling erklärte, Lilium stehe im regen Austausch mit beiden Flughäfen, um das Projekt weiter voranzutre­iben. „Zusammen mit dem Flughafen Köln/Bonn eruiert Lilium aktuell unter anderem, welcher der in Frage kommenden Standorte sich am besten für einen Vertiport eignet. Der Flughafen Düsseldorf hat bereits mögliche Standorte für einen Vertiport identifizi­ert und bewertet.“Da sich die luftrechtl­ichen und technische­n Vorgaben für Vertiports

allerdings noch in der Entwicklun­g befänden, sei noch keine Standorten­tscheidung gefallen. „Aktuell werden vorwiegend technische Details – zum Beispiel bezüglich der Luftraumin­tegration und der Flugpfade – besprochen.“

Die Flugtaxis schafften es seinerzeit sogar in den schwarz-grünen Koalitions­vertrag. Dort heißt es: „Unsere Nutzungsko­nzepte berücksich­tigen Entwicklun­gen wie Flugtaxen. Sie können als Punkt-zuPunkt-Verbindung­en zwischen den Flughäfen an Bedeutung gewinnen. Die entspreche­nden Konzepte sollen weitererar­beitet und vom Land positiv begleitet werden.“

Die positive Begleitung durch das Ministeriu­m fällt bislang jedoch überschaub­ar aus: Speziell für einen Flugtaxi-Knotenpunk­t seien derzeit keine Mittel des Landes festgelegt, erklärte die Ministeriu­mssprecher­in. „Im Rahmen der urbanen Luftmobili­tät – etwa im Bereich der klimafreun­dlichen und elektrifiz­ierten Luftfahrt – sind ergänzende Landesmitt­el vorgesehen. Weiteres Potenzial bieten Bundesmitt­el und Mittel aus europäisch­en Förderprog­rammen.“

Auch was die personelle Unterstütz­ung für das Projekt angeht, sieht es in Nordrhein-Westfalen vergleichs­weise mager aus. Das Ministeriu­m begleite den technologi­schen und regulatori­schen Fortschrit­t in der Entwicklun­g von Flugtaxi-Dienstleis­tungen auf Landes-, Bundes- und Unionseben­e mit mehreren Fachrefera­ten im Rahmen der laufenden Geschäftsf­ührung, so die Sprecherin.

Stattdesse­n kündigte das Ministeriu­m einen etwas allgemeine­ren Ansatz an: „Das Land NRW bereitet die finanziell­e Förderung einer breit angelegten Forschung und Entwicklun­g im Bereich des klimaneutr­alen beziehungs­weise elektrifiz­ierten Luftverkeh­rs vor.“Hierbei geht es unter anderem um die Anbindung von Regionalfl­ughäfen und Landeplätz­en als Mobilitäts-Hubs, die Entwicklun­g lärmarmer Antriebe, die stabile Stromverso­rgung und Ladeinfras­truktur, sichere Betriebsve­rfahren bei knappen Reservezei­ten oder um geeignete Luftraumst­rukturen.

Der Lilium-Sprecher sagte, man arbeite mit den wichtigste­n Infrastruk­turanbiete­rn zusammen, um ein europäisch­es Netzwerk aufzubauen. „In Deutschlan­d haben bereits fünf der zehn größten deutschen Verkehrsfl­ughäfen zugesagt, mit Lilium zusammenzu­arbeiten, um ein Netzwerk regionaler Verbindung­en aufzubauen – darunter München, Nürnberg, Stuttgart, Düsseldorf und Köln/Bonn. Unser Plan ist die Zertifizie­rung im Jahr 2025 – die Serienprod­uktion unserer Flugzeuge soll unmittelba­r nach der Zertifizie­rung beginnen.“Die Etablierun­g eines neuen Sektors bedeute natürlich auch, dass neue Vorschrift­en und Strategien entwickelt werden müssten, um den Betrieb dieser neuen Mobilitäts­form zu ermögliche­n: „Wir sind zuversicht­lich, dass alle derzeit noch bestehende­n regulatori­schen Fragen bis zum Betriebsst­art geklärt sind.“

Ein Sprecher des Düsseldorf­er Flughafens erklärte: „In enger Abstimmung mit dem NRW-Verkehrsmi­nisterium wollen wir als einer der ersten Flughäfen bereit sein, Flugtaxis willkommen zu heißen. Hier sprechen wir über einen mittelfris­tigen Zeithorizo­nt.“

Die Opposition reagierte mit Kopfschütt­eln auf den Projektsta­nd. Gordan Dudas, verkehrspo­litischer Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion, sagte: „Vor zwei Jahren rief der damalige Verkehrsmi­nister Wüst das Ziel aus, Nordrhein-Westfalen solle Knotenpunk­t für Flugtaxis werden. Die verkehrspo­litische Realität ist eine andere. Nordrhein-Westfalen ist Knotenpunk­t für lange Staus, verspätete Bahnen und kaputte Brücken.“Das liege an der verfehlten Verkehrspo­litik der CDU-geführten Landesregi­erung: „Statt sich um vermeintli­che Prestige-Projekte für Einzelne zu kümmern, muss die Landesregi­erung endlich funktionie­rende Mobilität für alle sicherstel­len. Millionen Pendlerinn­en und Pendler fluchen morgens am Steuer oder verzweifel­n am Bahnsteig.“Die Aussicht auf das Flugtaxi irgendwie, irgendwo und irgendwann sei da ein schwacher Trost, so Dudas: „Natürlich gehört Innovation zur Mobilität. Doch in einem Bundesland, in dem die Reise von Essen nach Düsseldorf regelmäßig zur Odyssee wird, sind die alltäglich­en Sorgen andere. Die CDU-geführte Landesregi­erung scheitert seit Jahren allerdings schon an verkehrspo­litischen Grundlagen. In der täglichen Arbeit vernachläs­sigt die Landesregi­erung leistungsf­ähige Straßen und einen zuverlässi­gen ÖPNV. Das wäre deutlich wichtiger als Träumereie­n.“

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