Rheinische Post - Xanten and Moers
Sozialdemokrat Marc Angel wird neuer EU-Vizepräsident
STRASSBURG Das EU-Parlament will möglichst schnell und möglichst umfassend die richtigen Konsequenzen ziehen aus dem Skandal um offenbar korrupte Abgeordnete, Einflussnahme von Drittstaaten und vor allem Taschen voller Geld in Brüsseler Wohnungen. Da ist an erster Stelle die Personalie selbst, nachdem die ehemalige Vizepräsidentin Eva Kaili bereits im Dezember ihres Postens enthoben worden war.
Schnell haben die Sozialdemokraten die Wiederbesetzung aus den eigenen Reihen angemeldet. Intern hat sich Marc Angel aus Luxemburg durchgesetzt. Die Grünen weisen darauf hin, dass ihnen rein rechnerisch ein zweiter Vizeposten zustehe und stellen Gwendoline DelbosCorfield auf. Doch schon im ersten Wahlgang fallen sie damit durch.
Die von der Identität und Demokratie Partei (ID) präsentierte Italienerin Annalisa Tardino bekommt deutlich mehr Stimmen. Und Angel fehlen zur nötigen Mehrheit nur 15 Stimmen. Die bekommt er wenige Minuten später. 296 braucht er, 307 bekommt er. 185 erhält die IDKandidatin. 98 stimmen für DelbosCorfield. Umgehend schimpft der Chef der deutschen Grünen, Rasmus Andresen, über „Hinterzimmerdeals“der Konservativen, Liberalen
und Sozialdemokraten, die diese Wahl „herbeigeführt“hätten. Er äußert Skepsis, wie ernst es die großen Fraktionen mit der Reform des EU-Parlamentes meinen.
In der Tat: So laut auch der Beifall für das entschlossene Vorgehen von Präsidentin Metsola war, das gerade schlechtestmögliche Image der EUParlamentarier durch einschneidende Veränderungen wieder zu drehen, so beharrlich sind nun die Bedenken zu einer ganzen Reihe von Punkten. Das Aus für die besonders korruptionsanfälligen „Freundschaftsgruppen“außerhalb des offiziellen EU-Betriebes geht noch fraktionsübergreifend durch. Auch die Idee, mehr Rechte für Whistleblower zu etablieren, die aus internen Kenntnissen über schräge Vorgänge informieren, findet eine deutliche Mehrheit. Doch die vorgeschlagene Pflicht für die Abgeordneten, künftig alle Gespräche mit Lobbyisten zu veröffentlichen, trifft auf Widerstand vor allem bei den Christdemokraten.
Umgekehrt erfahren diese jedoch auch Gegenwind bei ihrem Vorschlag, rechtskräftig verurteilten Abgeordneten die Pensionsansprüche zu streichen. Auch plädieren sie dafür, die Abläufe zur Aufhebung der Immunität deutlich zu beschleunigen, damit unter Verdacht geratene Abgeordnete zügiger die Hintergründe aufklären könnten.
Das EU-Parlament will mehr Rechte für Whistleblower.