Rheinische Post - Xanten and Moers
Firma aus Willich gelingt Internet-Hit
Um neue Mitarbeiter zu finden, hat ein Gartenbauer ein Video produziert, das im Netz millionenfach geklickt wird.
WILLICH „Das ist die epischste Stellenausschreibung auf diesem Planeten“, heißt es in den Kommentaren. „Die beste Werbung für eine Firma, die ich je gesehen hab“, schreiben wiederum andere Nutzer in den sozialen Netzwerken. Gemeint ist in beiden Fällen das neueste WerbeVideo der GB Gartenbau GmbH, einer Garten- und Landschaftsbaufirma aus Willich. Das Video hat knapp 300.000 Klicks auf Youtube, auf der Internetplattform Tiktok wurde es sogar schon über 1,2 Millionen Mal aufgerufen. Doch was steckt dahinter? Wieso wurde ein Werbevideo einer gewöhnlichen Firma am Niederrhein plötzlich zum absoluten Internet-Hit?
Angefangen hat alles bei Benjamin Balsam. Der 42-Jährige ist der Geschäftsführer des Gartenbaubetriebs und arbeitet schon seit gut 25 Jahren im Handwerk und Dienstleistungsgewerbe. Wie in anderen Unternehmen auch, war es für ihn im November wieder an der Zeit, die Suche nach neuen Bewerbern für seine Firma zu starten. „Doch es ist wirklich schwer, gute Leute zu finden“, weiß Balsam.
Denn auch wenn im Gartenund Landschaftsbau zurzeit Aufbruchsstimmung herrscht, macht der Fachkräftemangel auch vor dieser Branche keinen Halt. Nach Angaben der Landesvereinigung der Unternehmensverbände NRW blieben allein im vergangenen Jahr rund 166.000 Stellen offen und mehr als 10.000 Ausbildungsplätze unbesetzt – in allen Regionen, jeglichen Branchen und Betriebsgrößen. Bis ins Jahr 2030 sollen in NordrheinWestfalen insgesamt sogar knapp eine Million Arbeitskräfte fehlen.
Da auch Balsam diese Zahlen kennt, wollte er sich für seine Bewerbersuche etwas ganz Besonders einfallen lassen. „Ich bin so ein bisschen jung geblieben, auch durch meinen Sohn“, sagt der 42-Jährige. So schaut der Geschäftsführer in seiner Freizeit beispielsweise lieber Youtube-Videos als lineares Fernsehen. Im November wurde er im Internet auf die beliebte Survival-Show „7 vs. Wild“aufmerksam. Eine Show, in der sieben Teilnehmerinnen und Teilnehmer sieben Tage lang alleine in der Wildnis überleben müssen.
Als Balsam diese Serie sah, fiel ihm schnell etwas auf: „Zu Beginn von jeder Folge läuft immer ein kurzer Trailer. Irgendwann hab ich mir gedacht, dass man den ja auch mal nachstellen könnte“, so der Geschäftsführer.
Also trommelte er ein paar Tage später seine Mitarbeiter zusammen, bat einen befreundeten Kameramann
um Hilfe und stellte seinem Team seine Idee vor. „Die meisten kannten die Serie tatsächlich gar nicht, waren aber trotzdem sofort Feuer und Flamme“, so Balsam. Gedreht wurde an einem Samstag in Lank-Latum am Rhein. „Es war ein bezahlter Arbeitstag“, versichert der 42-Jährige. Der Geschäftsführer hatte die Kostüme und Requisiten selber gebastelt. „Und mein Azubi war ein super Regisseur und hat den Mitarbeitern genau erklärt, was sie machen sollen“, so Balsam.
Am Ende kam ein selbst gedrehtes Satirevideo von „7 vs. Wild“dabei herum, das vor drei Wochen auf dem Youtube-Kanal der der Gartenbaufirma veröffentlicht wurde. Die Mitarbeiter in dem Video kämpfen allerdings nicht ums Überleben wie in der Survival-Show, sondern um neue Kollegen. Es fallen unter anderem Sprüche wie „Es muss hart sein, wenn du noch woanders arbeitest“ oder „Wann kommt deine Bewerbung?“, unterlegt mit dramatischer Musik. Schnell geht das Video im Internet durch die Decke.
„Ich habe alles daran gesetzt, dass auch die Teilnehmer der Serie darauf reagieren“, erklärt Balsam. So brachte er beispielsweise Jens „Knossi“Knossalla, ein Entertainer und ein Protagonist von „7 vs. Wild“, dazu, sich das Video der Firma aus Willich anzuschauen. Und selbst Marketing- und Recruitingunternehmen seien voll des Lobes. „Unser Video wurde auf diversen Jobbörsen verbreitet, ohne dass wir dafür etwas machen mussten“, sagt Balsam.
Karim Akkar, Inhaber der Personalberatung „Pro Placement“mit Sitz in Düsseldorf, hat das Video auch gesehen. „Das ist schon ein lustiger und kreativer Ansatz. Da wird es sicherlich Kollegen aus der Branche geben, die das nachahmen wollen“, so Akkar. Er glaubt, dass solche kreativen Videos in den sozialen Medien gerade für kleinere Betriebe gut seien, um mehr Aufmerksamkeit zu erlangen.
Genauso sieht es auch der Geschäftsführer aus Willich. „An den alteingesessen Firmen ist das Social-Media-Ding so ein bisschen vorbeigegangen. Wer seine Anzeige nur klassisch im Sonntagsblättchen schaltet, erreicht damit keinen 17- oder 18-Jährigen, der eine Ausbildung beginnen möchte“, sagt Balsam.
Doch wie viele Bewerbungen hat er überhaupt erhalten? „Es gab bislang über 45 Bewerbungen. Da sind auch hoch qualifizierte Leute dabei. Das ist der Wahnsinn“, berichtet der 42-Jährige. Andere Firmenchefs aus der Branche hätten ihm währenddessen berichtet, dass sie zuletzt überhaupt keine Bewerbungen erhalten hätten. „Das Problem ist, dass es im Landschaftsbau keine Meisterpflicht gibt und sich viele Lehrlinge schnell selbstständig machen“, so Balsam.
Er selbst muss sich darüber aber erstmal keine Gedanken machen. Aus den über 45 Bewerbungen kann er sich nun die richtigen Kandidaten für die maximal sechs verfügbaren Stellen aussuchen. Und im kommenden Dezember soll dann möglichst der nächste virale Internet-Hit aus Willich entstehen, um wiederum neue Bewerber anzulocken. „Ich habe dafür auf jeden Fall schon einige Ideen im Köcher“, versichert Balsam.