Rheinische Post - Xanten and Moers

Algen, Eisbein und viel handfeste Politik

- VON HAGEN STRAUSS

Die „Grüne Woche“eröffnet am Freitag ihre Pforten. Es geht um Klimaschut­z, Tierwohl, Artenvielf­alt und ums Essen.

BERLIN Wer gerne isst, is(s)t unter dem Berliner Funkturm genau richtig. Die jüngsten Trends der Ernährungs­industrie werden dort ab Freitag präsentier­t, wenn die „Grüne Woche“nach zwei Jahren Corona-Pause wieder live die Pforten öffnet. Von Streetfood über vegane Lebensmitt­el bis hin zu Algenriege­ln oder Eisbeinsan­dwiches. Das ist aber nur die eine Seite der wohl größten Agrarmesse mit 1400 Beteiligte­n aus 60 Ländern. Auf der „Grünen Woche“und bei den vielen Veranstalt­ungen drumherum geht es ebenfalls um handfeste Politik.

Neben Aussteller­n aus aller Welt werben in acht Hallen auch zwölf Bundesländ­er mit heimischen Delikatess­en und ihrem Lebensgefü­hl. Es fehlen laut Veranstalt­er das Saarland, Baden-Württember­g, Schleswig-Holstein und Hamburg. Rund 300 Konferenze­n für die Fachwelt finden an den neun Tagen statt, mehrere Zehntausen­d Gäste werden täglich erwartet. Ein Höhepunkt ist das internatio­nale Treffen von Agrarminis­tern aus rund 80 Staaten, kurz GFFA genannt. Dabei wird die globale Ernährungs­sicherheit debattiert werden und die Fragen, wie man künftig mit Russland und den Folgen des Angriffs auf die Ukraine umgehen will. Gastgeber ist Bundesland­wirtschaft­sminister Cem Özdemir. Für ihn ist es die erste „Grüne Woche“live, am Freitag wird er traditione­ll die Messe mit einem Rundgang eröffnen.

Nun könnte man meinen, ein Heimspiel für einen Grünen. Aber dem ist nicht so. Weder der Bauernverb­and, noch der Bio-Spitzenver­band „Bund Ökologisch­e Lebensmitt­elwirtscha­ft (BÖLW )“oder aber das Bündnis „Wir haben es satt“gehen derzeit pfleglich mit dem Minister um. So hat etwa der BÖLW gleich einen ganzen Forderungs­katalog an Özdemir und die Ampel vorgelegt, damit das von der Regierung ausgegeben­e Ausbauziel von 30 Prozent Ökolandbau bis 2030 erreicht werden kann. „Das bisherige Engagement von Cem Özdemir für die ökologisch­e Transforma­tion reicht nicht“, so die Vorstandsv­orsitzende Tina Andres. Am Samstag wird dann die Großdemons­tration „Wir haben es satt“durch Berlin ziehen. Die Organisato­ren der Demo kritisiere­n, dass Özdemir zu wenig für den notwendige­n Umbau der Landwirtsc­haft und die Ernährungs­wende unternehme. Einst protestier­ten die Grünen mit, heute stehen sie in der Kritik – kommt einem bekannt vor, wenn man etwa an die Klimaoder Friedensbe­wegung denkt.

Die Themen Nachhaltig­keit und Klimaschut­z, Tierwohl und veganer Fleischers­atz ziehen sich jedenfalls wie ein grüner Faden durch die Messe.

Auch der Bauernverb­and hat so seine Kritikpunk­te. Bauernpräs­ident Joachim Rukwied betonte am Mittwoch bei der Eröffnungs­pressekonf­erenz, die Messe sei das „agrarpolit­ische Davos“. Er ergänzte: „Es brodelt ein stückweit in der Branche beim Thema Tierwohlum­bau.“Da mangele es an der notwendige­n politische­n Unterstütz­ung, speziell finanziell. So brauche die Landwirtsc­haft laut Experten pro Jahr vier Milliarden Euro für den Stallumbau, vorgesehen habe Özdemir aber nur eine Milliarde Euro für vier Jahre. Die Zukunft der Tierhalter sei ohnehin gefährdet, so gebe es nur noch 16.900 Schweineha­lter, 1900 weniger als ein Jahr zuvor. „Es werden immer weniger“, so Rukwied. Darüber hinaus würden ihm die neuesten Einkaufstr­ends Sorge bereiten. „Tierwohlwa­re, Bioware bleibt zum Teil im Regal liegen.“Es gebe lediglich Zuwächse im Discounter­bereich. Die Budgets der Verbrauche­r seien derzeit halt knapp.

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FOTO: DPA Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverb­andes, knüpft hohe Erwartunge­n an die Grüne Woche. Wie viele andere auch.

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